Obst oder Gemüse?
Samplebasierte Identifikation setzt neue Maßstäbe in der Objekterkennung
Bei manchen Lebensmitteln gestaltet sich das Labeling schwierig. Vor allem der Handel benötigt aber eine zuverlässige Methode, um solche Produkte sicher zu identifizieren. Eine Lösung bietet die samplebasierte Identifikation (SBI).
Bei Non-Food-Artikeln dienen in Handel und Logistik in der Regel Barcodes oder Datencodes zur Identifikation. Aber wie verhält es sich mit losen Lebensmitteln, wie etwa Salatköpfen oder Blumenkohl, auf denen sich die Codes nicht anbringen lassen? Und auch bei Produkten mit deformierbaren Verpackungen wie etwa Gummibärchentüten könnte der Code aufgrund einer verformten Hülle nicht lesbar sein. Das Gleiche gilt für Artikel, bei denen sich der Code auf der nicht sichtbaren, dem Förderband zugewandten Unterseite befindet. Eine praktikable Lösung bieten bildbasierte Verfahren, welche die Produktinformationen nicht aus einer Codierung, sondern rein über erlernte Bilder und entsprechende visuelle Merkmale beziehen. Damit werden neue Szenarien für automatische Check-out-Kassensysteme denkbar.
Herkömmliche Technologien für die bildbasierte Objektidentifikation haben einen entscheidenden Nachteil: Es müssen unter einer Vielzahl möglicher Klassifikatoren und Merkmalen diejenigen ausgewählt werden, die für die eindeutige Erkennung nichtcodierter Lebensmittel unter gegebenen Umständen am besten geeignet sind. Dies kann insbesondere bei der Einführung neuer Produkte oder bei regelmäßigen Sortimentswechseln mit einem sehr hohen Aufwand verbunden sein, da immer wieder neue Parameter definiert werden müssen.
Erkennung anhand von Farbe und Textur
Einen neuen Weg geht der Ansatz der samplebasierten Identifikation (SBI) von MVTec. Auch dieses Verfahren nutzt Methoden der industriellen Bildverarbeitung: Objekte lassen sich anhand charakteristischer, äußerer Merkmale zuverlässig erkennen und für weitere Prozesse nutzen. Die wesentliche Innovation gegenüber herkömmlichen Technologien besteht aber darin, dass der Benutzer lediglich vorgeben muss, ob die Objekte anhand der Farbe und/oder der Textur identifiziert werden sollen. Die Einstellung weiterer Parameter ist nicht erforderlich, was die Anwendungsentwicklung deutlich vereinfacht und Zeit einspart.
Identifikation in drei Schritten
Die Objekterkennung mittels SBI wird mithilfe eines so genannten Sample-Identifikators durchgeführt und gliedert sich in die folgenden drei Schritte: Vorbereitungs-, Trainings- und Identifikationsphase. In der Vorbereitungsphase wird die interne Datenstruktur des Sample-Identifikators auf die zu identifizierenden Objekte hin optimiert. Diesen Prozess kann man sich als die Einrichtung eines virtuellen Warenlagers vorstellen, das auf die Lagerung einer bestimmten Art von Produkten ausgelegt ist. Der Sample-Identifikator ist jetzt darauf vorbereitet, die Unterschiede von bestimmten Objekten zu lernen. Diese Vorbereitung muss für eine Anwendung nur einmal durchgeführt werden, auch wenn sich das Sortiment später leicht verändert, was den Aufwand deutlich begrenzt.
Training anhand von Beispielbildern
Im Anschluss an die Vorbereitungsphase folgt ein Trainingsprozess: Dabei wird der Sample-Identifikator mit Beispielbildern der zu unterscheidenden Objekte trainiert. Je mehr unterschiedliche Ausprägungen ein bestimmtes Objekt hat, desto mehr Vergleichsbilder werden benötigt. Dies wird deutlich am Beispiel einer Banane: Sie kann grün oder gelb sein, kann braune Punkte haben, kann eine unterschiedliche Krümmung aufweisen. Sieht ein Objekt aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich aus, müssen Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven erstellt werden. Alternativ zu eigenen Aufnahmen lassen sich auch geeignete Fotos aus Bilddatenbanken verwenden. Der Sample-Identifikator lässt sich jederzeit nachtrainieren. Dies ist vor allem dann erforderlich, wenn sich das Angebot ändert, also Produkte aus dem Sortiment fallen oder neue Artikel aufgenommen werden sollen. Hierzu können Samples aus dem Sample-Identifikator gelöscht oder neue Samples hinzugefügt werden. Sofern nicht komplett andersartige Produkte in das Sortiment aufgenommen werden, muss die Vorbereitung des Sample-Identifikators nicht erneut ausgeführt werden. Das Nachtrainieren ist sehr effizient und dauert nur Sekundenbruchteile.
Das Training entspricht - um im obigen Bild zu bleiben - dem Auffüllen des virtuellen Warenlagers. Sind die Vorbereitungs- und die Trainingsphase abgeschlossen, können im dritten Schritt mit Hilfe des trainierten Sample-Identifikators Objekte eindeutig voneinander abgegrenzt und damit identifiziert werden. Hierbei sucht die Software im virtuellen Warenlager nach Merkmalen in den Beispielbildern, die Ähnlichkeiten zu dem Objekt aufweisen, das identifiziert werden soll.
Tolerant gegenüber Störungen
Die samplebasierte Identifikation punktet gegenüber anderen bildverarbeitenden Verfahren mit deutlichen Vorteilen: Aufgrund der sehr guten Skalierbarkeit können damit auch mehrere Tausend Objekte trennscharf voneinander unterschieden werden. Zudem ist die Identifikation sehr robust, also unempfindlich gegenüber variierenden Umständen wie Rotation oder wechselnden Lichtverhältnissen. Unschädlich sind überdies auch Verdeckungen, Störungen, leichte Veränderungen der Perspektive sowie geringfügige Deformationen des Objekts. So ist sogar die Identifikation von Schüttgut in gewissen Grenzen möglich.
Ein weiterer Vorteil: SBI lässt sich vergleichsweise einfach bedienen. Obwohl kaum Parameter eingestellt werden müssen, bietet die SBI dennoch eine hohe Flexibilität. Erreicht wird dies durch intelligente Algorithmen, die viel Information aus den Beispielbildern extrahieren und die intern notwendigen Verfahrensparameter automatisch schätzen. So lässt sich dank SBI die Objekterkennung weitgehend automatisieren, was den Identifikationsprozess von Lebensmitteln beschleunigt. Davon profitiert beispielsweise der Einzelhandel: Obst und Gemüse werden nun auch ohne Verpackung und Barcode an automatischen Kassensystemen oder für Wiegevorgänge eindeutig erkannt. Dies gilt auch für verpackte Artikel mit elastischer Hülle, bei denen sich der Barcode aufgrund von Knitterung nicht ohne weiteres scannen lässt, wie etwa bei Chips oder Gummibärchen. Auch die Lebensmittelindustrie kann von der SBI profitieren, so etwa beim Aufnehmen, Verpacken und in der Qualitätssicherung der Produkte.
Fazit
Die samplebasierte Identifikation bietet ganz neue Möglichkeiten der Lebensmittelerkennung - unabhängig von Barcodes oder Datacodes. Das Verfahren ist robust, einfach zu bedienen, flexibel skalierbar und vergleichsweise preisgünstig umzusetzen. Benötigt werden neben der Bildverarbeitungs-Software lediglich entsprechende Bildeinzugsgeräte wie Kameras oder Scanner, die nur einmalig angeschafft werden müssen. So bildet SBI eine praktikable Alternative zu anderen Ident-Verfahren wie RFID.