Objektive für die industrielle Bildverarbeitung
30.09.2011 -
Jedes Bildverarbeitungssystem besteht prinzipiell aus drei unterschiedlichen Hauptgruppen, dem Handlingsystem, der Software und Rechnertechnik sowie der Sensorik. Unter Sensorik versteht man die eigentlichen bildgebenden Komponenten wie Kamera, Beleuchtung und Objektiv. Wer sich auch nur oberflächlich mit BV beschäftigt hat weiß, dass die Auswahl der optimalen Komponenten eine Wissenschaft für sich ist. Allein die Frage, ob Analogoder Digitalkamera (und wenn digital, welche Schnittstelle), ist von großer Bedeutung und muss in Abhängigkeit von der geplanten Anwendung entschieden werden.
Die Beleuchtung wurde lange Zeit sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl sie von extremer Wichtigkeit für ein gutes Bildergebnis ist. In manchen Fällen entscheidet die Wahl der richtigen Beleuchtung, ob man überhaupt ein Bild des gewünschten Objekts sieht oder nicht! Hier ist es ratsam, vor Ort unterschiedliche Beleuchtungen zu testen. Last but not least stellt die Auswahl aus einer nahezu unüberschaubaren Menge unterschiedlicher Objektivarten und Hersteller den Anwender vor das Problem, die für seine Applikation optimale Optik zu finden.
Einsatzzweck und Einsatzort
Um aus der großen Menge an unterschiedlichen Objektiven, die der Markt bietet, die richtige Wahl zu treffen, sollte man sich zuerst im Klaren darüber sein, wofür man die Abbildung (das Bild) benötigt. Sollen an dem Bild Messungen irgend welcher Art durchgeführt werden, dient es zur Vollständigkeitskontrolle, zur Positionierung, sollen schnelle und sonst für das menschliche Auge unsichtbare Vorgänge sichtbar gemacht werden, dient es zur Qualitätskontrolle, Oberflächeninspektion, Bar Code oder OCR usw.?
Die nächste Frage, die man sich stellen sollte, ist die Frage nach den einschränkenden Faktoren wie z. B. vorhandener Platzbedarf, ein fest vorgegebener Arbeitsabstand, ein Bildfeld welches unbedingt eingehalten werden muss oder aber Umgebungsbedingungen wie starke Erschütterungen, hohe Beschleunigungen, hohe oder sehr niedrige Temperaturen, Vakuum, starke Staubentwicklung sowie Ölnebel, wie sie häufig bei Metallbearbeitungsmaschinen auftreten.
Industrietauglichkeit
Häufig liest oder hört man den Begriff „industrietauglich“. Was aber bedeutet industrietauglich in Bezug auf Objektive? Industrietaugliche Objektive besitzen immer ein sehr robustes Gehäuse, das sie unempfindlich gegen Schock und Vibrationen macht. Feststellschrauben zur Arretierung einmal getroffener Einstellungen von Blende und Fokus sowie in den meisten Fällen ein C-Mount Anschluss sind die wichtigsten mechanischen Voraussetzungen. Es gibt aber auch Objektivserien wie z. B. die VS-MC-Serie von VS-Technology mit 26 unterschiedlichen Makroobjektiven, die speziell für den Einsatz in stark vibrierenden Maschinen optimiert wurden. Sie zeichnen sich durch besondere Baukleinheit, sehr geringe Verzeichnungen und Shading sowie durch hohe Auflösung aus. Die Objektive der MC Serie besitzen keine beweglichen Teile und können daher nicht versehentlich während des Betriebs verstellt werden.
Die optische Qualität industrietauglicher Objektive wird sich immer den jeweiligen Anforderungen anpassen. Das bedeutet, dass bspw. ein Objektiv, welches zur Vollständigkeitskontrolle eingesetzt wird, normalerweise nicht die gleiche hohe Auflösung haben muss wie ein Messobjektiv an einem Koordinatenmesstisch.
Objektivgruppen
Nicht jedes Objektiv kann unbesehen in jeder beliebigen Applikation mit dem gleichen Erfolg eingesetzt werden. Hier nun eine kurze Übersicht über die wichtigsten Objektivgruppen:
Standardobjektive
Hier gibt es eine große Auswahl an Objektiven nahezu aller Hersteller. Das Brennweitenspektrum ist weit gefächert und reicht von extremen Weitwinkelobjektiven ab 1,7 mm bis zu starken Telebrennweiten von 200 mm und mehr. Von Ausnahmen abgesehen, besitzen diese Objektive eine hinreichend gute Qualität und Auflösung und sind, da in großen Stückzahlen gefertigt, meist preisgünstig.
Megapixelobjektive
Da immer mehr Kameras mit 1 Mio. oder mehr Bildpunkten auf dem Markt verfügbar sind, bieten viele Objektivhersteller hoch auflösende Objektive in den gängigen Standardbrennweiten 16, 25, 35 und 50 mm an. Hierbei ist es wichtig, darauf zu achten, dass das Objektiv einen möglichst großen Bildkreis länge besitzen diese Objektive auch unterschiedliche Mounts – genormte Gewindedurchmesser zum Anschluss an die Zeilenkamera. Die gängigsten sind C-Mount, F-Mount und im Extremfall sogar Objektive von Mittel- und Großformat Fotokameras. Zeilenkameras und deren Objektive werden vorwiegend für die Inspektion von Endlosmaterial wie Papierbahnen, Stoffen, Druckerzeugnissen, Holz, Walzstahl, Blechen usw. eingesetzt.
Telezentrische Objektive
Telezentrische Objektive besitzen meist eine ausgezeichnete Abbildungsqualität und werden für präzise, häufig auch automatisierte Vermessungsaufgaben eingesetzt. Die Besonderheit einer telezentrischen Abbildung ist die Tatsache, dass wegen des parallelen Strahlengangs Objekte gleicher Größe, die sich unterschiedlich weit vor der Frontlinse befinden, in exakt der gleichen Größe dargestellt werden. Telezentrische Objektive können sehr voluminös werden, da die Frontlinse mindestens so groß sein muss wie das zu betrachtende Objekt.
Die Auswahl an telezentrischen Objektiven ist sehr groß. So bietet z. B. VS-Technology mehr als 150 in Vergrößerung, Arbeitsabstand, Kamera-Mount, Auflösung und Beleuchtungsart unterschiedliche Objektive an.
Makro Objektive
Makro Objektive umfassen eine große Gruppe von Objektiven. Sie sind für geringe Arbeitsabstände gerechnet und ermöglichen z. T. hohe Vergrößerungen (bis zu 20-fache Primärvergrößerung).
Sonderobjektive, Machine Vision Objektive
1. Objektive mit besonderen Eigenschaften wie UV-Objektive aus Quarz, Objektive mit spezieller Beschichtung für IR-Applikationen.
2. Objektive mit besonderen, vom Standard abweichenden Bauformen, wie 90° abgewinkelte oder segmentierte Objektive.
3. Objektive ohne bewegliche Teile zum Einsatz an stark vibrierenden Maschinen.
Andere Objektivtypen wie z. B. Zoom Objektive, Motorische Zoom Objektive, Vario Objektive oder Objektive mit Autoiris werden in der IBV kaum eingesetzt. Der Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass in der BV immer gleiche Parameter verlangt werden. Das heißt, gleiche Lichtverhältnisse und gleiche Bildausschnitte, um ein erneutes Kalibrieren des Systems zu vermeiden.
Die wichtigsten Fragen
Es ist für den Laien also nicht einfach, immer das optimale Objektiv für den jeweiligen Einsatzfall zu finden. Um sich von einem Fachmann beraten zu lassen, sollten Sie vorab vier Fragen geklärt haben:
1. Soweit bekannt: Die Sensorgröße der verwendeten Kamera?
2. Welchen Arbeitabstand (= freie Wegstrecke zwischen Frontlinse des Objektivs und dem Objekt) müssen Sie einhalten?
3. Die Größe des gewünschten Bildfeldes (der Bereich der abgebildet werden soll)?
4. Die benötigte Tiefenschärfe (der Bereich, in dem ein Objekt scharf abgebildet wird)?
Sollten Sie zusätzlich noch Informationen über räumliche Gegebenheiten, vorhandene Umweltbedingungen (z. B. Vibrationen, Sprühnebel, hohe oder sehr niedrige Temperaturen usw.) und die Art und Oberfläche des zu betrachtenden Objekts geben können, so wird jeder Fachmann Ihnen das beste und preisgünstigste Objektiv nennen können. Testen Sie uns!
Der Autor: Dr. Hans Ludwig NET GmbH Tel. 08806/9234-0 info@net-gmbh.com www.net-gmbh.com