„Neue Aufgaben erfordern neue Ideen und Konzepte“
Im Interview: Jörg Schulden, Geschäftsbereichsleiter bei Rodriguez, über 30 Jahre Lineartechnik bei Rodriguez
30 Jahre Lineartechnik – was fasziniert Sie noch heute daran?
Jörg Schulden: Mich fasziniert vor allem die Vielfältigkeit des Aufgabengebietes. Es gibt Produkte und Anwendungen, die sich wiederholen und die über viele Jahre gleich oder sehr ähnlich immer wieder vorkommen. In diesen Fällen eignet man sich branchenbezogen Fachwissen an, das man im Laufe der Zeit auch in andere Bereiche übertragen kann. Zudem entwickeln sich über Jahre auch persönliche Beziehungen mit Kunden und Lieferpartnern, die ich sehr wertschätze. Auf der anderen Seite werden aber auch immer wieder Aufgaben an uns herangetragen, die die Entwicklung neuer Ideen und Konzepte erfordert. In diesen Fällen kommt es auf Erfahrung, ein vertrauensvolles Miteinander mit dem Kunden, ein gutes Team in den eigenen Reihen und fruchtbare Kooperationen mit externen Partnern an. Die Strukturierung dieses Gesamtpaketes ist eine reizvolle Aufgabe.
Was waren in den vergangenen drei Jahrzehnten Ihrer Ansicht nach die größten Entwicklungsschritte im Bereich Lineartechnik?
Jörg Schulden: Gerade im Bereich der Werkstoffe und bei der Produktionstechnologie geht die Entwicklung immer weiter. Gewicht und Bauraum sind im Rahmen des immer mehr in den Vordergrund rückenden Themas Energieeffizienz wichtige Aspekte. Vielfach führte die Weiterentwicklung von bestehenden Produkten dazu, dass kleinere Abmessungen eingesetzt werden können. Ein Beispiel ist die Tragfähigkeit von Linearführungen und Linearantrieben. Durch leistungsfähigere Produkte, wie beispielsweise den Einsatz eines Rollengewindetriebs anstelle eines Kugelgewindetriebs, ist eine Optimierung des Bauraums möglich und von den Kunden eine gerne in Anspruch genommene Option.
Sie setzen im Bereich Lineartechnik auf Eigenfertigung. Wo sehen Sie die Vorteile für Ihr Unternehmen, aber auch für den Kunden?
Jörg Schulden: Die eigenen Produktionskapazitäten im Bereich der Lineartechnik, aber auch der Präzisionswälzlager werden unter anderem für die Fertigung von kundenspezifischen Systemlösungen genutzt, auf die wir uns über die Jahre spezialisiert haben. Basierend auf dem langjährigen Engineering-Know-how sowie den speziellen Kenntnissen und Erfahrungen in der Mechanik entwickelt und realisiert Rodriguez die sogenannten Value Added Products (VAP). Sie basieren auf hochwertigen Wälzlagern und Lineartechnik-Komponenten, kombiniert mit einem umfassenden Rundumservice.
Welche Produkte umfasst Ihr Lineartechnik-Portfolio aktuell?
Jörg Schulden: Lineare Bewegungsabläufe sind sehr vielfältig und erfordern meist individuelle Lösungen auf Basis von Linearführungen und Linearantrieben. Rodriguez bietet mit seinen Rund- und Profilschienenführungen, Kugel- und Trapezgewindetrieben, Elektrohubzylindern und Kugelrollen ein breit gefächertes Sortiment in vielen Baugrößen und Baugruppen an. Neben den individuellen Einzellösungen entwickeln wir auf Basis unserer Linearführungen auch komplette Linearsysteme mit unterschiedlichen Antriebsvarianten. Lineartechnik von Rodriguez bietet für nahezu jede Bewegungsaufgabe die passenden Linearführungsvarianten sowie das passende Zubehör – auf Wunsch auch als Maßanfertigung aus der eigenen Produktion. Unsere Kunden profitieren dabei von den optimal aufeinander abgestimmten Lineartechnik-Komponenten aus einer Hand und der daraus resultierenden Zuverlässigkeit, Präzision und Funktionalität. Denn das Ganze kann immer nur so gut sein wie die Summe seiner Teile.
Sind weitere Schritte hinsichtlich der Erweiterung des Portfolios respektive des Ausbaus der Produktionskapazitäten geplant?
Jörg Schulden: Die aktuellen Investitionen dienten hauptsächlich der Kapazitätserweiterung, verbunden mit dem Gedanken einer Optimierung von Prozessen. Sicherlich versetzen uns die neuen Maschinen auch in die Lage, neue Produkte herzustellen. Doch orientieren wir uns bei der Produktentwicklung hauptsächlich an den vom Markt an uns herangetragenen Aufgaben.
Einzelkomponente oder Komplettlösung – welchen Ansatz verfolgen Sie?
Jörg Schulden: Unser Fokus liegt schon seit jeher auf der optimalen Umsetzung von Kundenwünschen. Unsere langjährige Erfahrung in der Realisierung von Lösungen solcher Aufgabenstellungen kommt uns dabei zugute. Oftmals ist die Entwicklung einer kundenspezifischen Lösung einfach und führt sehr schnell zu einem nachhaltigen Erfolg in Anwendungen. Solche lineartechnischen Baugruppen und Linearsysteme werden im Rahmen unserer Value-Added-Products entwickelt. Natürlich vernachlässigen wir dabei nicht unser Komponentengeschäft. Hierzu zählen neben komplett bearbeiteten Führungswellen inklusive Zubehör beispielsweise auch Kugelumlaufführungen und Kugelgewindetriebe.
Was war die bislang außergewöhnlichste Anwendung, die Sie mit Lineartechnik realisiert haben?
Jörg Schulden: Das ist nicht einfach zu beantworten, es gibt so viele interessante und herausfordernde Aufgabenstellungen. Eine der außergewöhnlichsten Anwendungsfälle war sicherlich ein Projekt für Führungswellen. Grundsätzlich handelte es sich zunächst nur um gehärtete Führungswellen ø30h6 in unterschiedlichen Längen. Erst im Nachgang stellte sich heraus, dass die Führungswellen als Gitterstangen in Justizvollzugsanstalten verwendet wurden. Hierbei kam es aus verständlichen Gründen darauf an, dass die Oberflächen induktiv gehärtet ist.
Was wünschen Sie sich für das Jahr 2022?
Jörg Schulden: Für das neue Jahr wünschen wir uns sicher alle primär, zu einem möglichst normalen Leben zurückzukehren. Nicht nur geschäftlich, sondern vor allem auch privat. Im geschäftlichen Umfeld wäre es sicherlich wünschenswert, im Bereich der Verfügbarkeit von Materialien eine Marktentspannung zu erleben. Das würde in vielen Bereichen zu verbesserten Abläufen und Prozessen beitragen und als Basis für unsere ambitionierten Wachstumspläne dienen. (agry)