Bildverarbeitung

Nanokristalline Metalle und Legierungen untersucht mittels TEM

19.10.2011 -

Metalle und Legierungen im nanokristallinen Zustand haben ein zunehmendes internationales Interesse im Bereich der Materialwissenschaften auf sich gezogen, da ihre strukturellen Veränderungen zu interessanten neuen Eigenschaften – wie einer hohen Festigkeit kombiniert mit hoher Duktilität führen. Die sehr kleine Korngröße von nanokristallinen Materialien macht ihre Erforschung durch transmissionselektronenmikroskopische (TEM) Verfahren notwendig. Es werden drei Beispiele neuester Studien gegeben: (i) zu nanokristallinem, reinem Ti für Implantate, (ii) zu der Entwicklung von nanokristallinen Strukturen in der intermetallischen Legierung Ni3Al und (iii) zu der martensitischen Phasenumwandlung der nanokristallinen Formgedächtnislegierung NiTi. Bei der Anwendung von TEM-Verfahren mit nanokristallinen Materialien muss Artefakten eine besondere Beachtung geschenkt werden, die durch den Moiré-Kontrast überlappender Körner entstehen.

Die Materialwissenschaft wird derzeit und in Zukunft weltweit als ein führendes Forschungsthema betrachtet. Bei der Mikroskopie-Konferenz 2005 (Dreiländertagung), die in Davos stattfand, wurden sieben Sitzungen dem Thema Materialwissenschaft gewidmet. Metalle und Legierungen im nanokristallinen Zustand haben ein zunehmendes internationales Interesse im Bereich der Materialwissenschaft auf sich gezogen, da ihre strukturellen Veränderungen zu interessanten neuen Eigenschaften – wie einer hohen Festigkeit kombiniert mit hoher Duktilität – führen [1]. Bis jetzt hat man dies für einen Widerspruch gehalten, da angenommen wurde, dass eine hohe Festigkeit immer mit einem spröden Verhalten verbunden ist. In nanokristallinen Metallen und Legierungen sind die Körner (die strukturellen Grundeinheiten, die die gleiche kristallografische Orientierung aufweisen) nur wenige nm groß, weshalb sich die Methoden der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) am besten für die Analyse dieser Materialien eignen; Mitglieder unserer Gruppe haben sich an diesen Untersuchungen stark beteiligt.

Verarbeitung und TEM-Untersuchungen

Nanokristalline Metalle und Legierungen können durch das Verfahren „Severe Plastic Deformation“ hergestellt werden, wobei von massiven Proben einer groben Kornstruktur ausgegangen wird. Zur Zeit wenden wir zwei Verfahren an: (i) Equal Channel Angular Pressing (ECAP), bei dem eine Stange durch eine abgewinkelte Düse gepresst wird und (ii) High Pressure Torsion (HPT), bei dem eine kleine Scheibe komprimiert (unter Verwendung eines quasi-hydrostatischen Drucks von 4–8 GPa) und gleichzeitig durch Verdrehung verformt wird (Abb. 1). Das HPT Verfahren bewirkt eine inhomogene Scherverformung, die als Funktion des Radius der Scheibe zunimmt und an ihrer Peripherie bis zu 100.000% erreicht.

Bei TEM-Untersuchungen nanokristalliner Materialien entsteht im Vergleich zu grobkörnigen Materialien eine neue Situation, da die Korngröße der Nanokörner geringer ist als die Dicke der TEM-Folie. Aus diesem Grund werden häufig Muster von Rotations-Moiré beobachtet, die richtig interpretiert werden müssen [2]. Moiréstreifen repräsentieren nicht die interne Struktur der Probe, sondern werden durch Interferenzeffekte der Elektronen verursacht, die von einander überlappenden Körnern gestreut werden. Abb. 2 gibt ein Beispiel, das Moiréstreifen unterschiedlicher Periodizitäten aufweist. Auf den ersten Blick sehen diese wie strukturelle Bilder aus (z. B. unterhalb M); jedoch beweist eine nähere Analyse, dass sie keiner atomaren Struktur entsprechen. Dies wird durch das simulierte Bild (vgl. umrahmter Bildausschnitt) bestätigt, das auf Gitterebenen basiert, die zu A und B der beiden überlappenden Körner parallel sind. In TEM-Bildern, die Gitter-Auflösung zeigen, kann es somit zu Fehlinterpretationen kommen, da Moiré-Effekte verbogene sowie unterbrochene Streifenkontraste bewirken können, die wie Arrays dicht gepackter Stufenversetzungen aussehen.

Nanokristallines, reines Ti für Implantate

Reines Ti weist sogar für langfristige Anwendungen von Implantaten eine sehr gute Biokompatibilität auf. Ein Nachteil ist seine geringe mechanische Festigkeit. Es ist allgemein bekannt, dass die Festigkeit aller Metalle durch Herstellen einer Mischkristalllegierung erhöht werden kann. Eine Mischkristalllegierung besteht aus einer Matrix mit einer zufälligen Verteilung gelöster Atome; für Ti werden häufig die Elemente Al und V zum Legieren verwendet. In diesem Fall besteht der Nachteil darin, dass die Legierung im menschlichen Körper Al und V abgibt und somit die Biokompatibilität verringert wird. Aus diesem Grund wurde das ECAP Verfahren als neuer Ansatz gewählt, um die Festigkeit von reinem Ti durch Nanokristallisierung zu erhöhen. Diese Verfahrensweise ermögliches, eine hohe Biokompatibilität mit hoher Festigkeit zu kombinieren.

Die Entwicklung der nanokristallinen Struktur in Ni3Al

Ni3Al ist eine langreichweitig geordnete, intermetallische Legierung, d. h., die Atome sind in der atomaren Struktur auf eine ganz bestimmte Weise angeordnet: Es haben Al-Atome nur Ni-Atome als nächsten Nachbarn. Die Entwicklung der nanokristallinen Struktur, die aus der HPT-Verformung resultiert, wurde untersucht [4]. Als Vorstufe werden Blöcke und Bänder gebildet, die Fragmente im Bereich von 100 nm enthalten, die durch ein dreidimensionales Array von Grenzen getrennt sind, wie in der linken Hälfte von Abb. 3 dargestellt ist; die kristallographische Orientierung der Fragmente ist leicht unterschiedlich. Die inhomogene Verformung führt zu einer lokalisierten Entordnung und zu einer hohen Versetzungsdichte [4]. Die dynamische Erholung bewirkt eine heterogene Bildung der nanokristallinen Struktur, die in der rechten Hälfte von Abb. 3 dargestellt ist. Bei Schergraden von etwa 8.000% wird eine Zweiphasenstruktur gebildet, die aus Adern ungeordneter Nanokörner besteht, die in der geordneten, grobkörnigen Struktur eingebettet sind; bei Deformationen von über 50.000% wandelt sich das gesamte Volumen in die nanokristalline Struktur um.

Nanokristalline Formgedächtnislegierung NiTi

Martensitische Phasenumwandlungen führen zu einzigartigen thermomechanischen Eigenschaften, z.B. zum Formgedächtniseffekt. Bei lang reichweitig geordnetem intermetallischen NiTi vollzieht sich die Umwandlung von einer kubischen Hochtemperaturphase in eine monokline Phase (dem Martensit). Eine große Gitterfehlanpassung zwischen dem kubischen Gitter und dem Martensit führt zu Veränderungen der Form. Dennoch sind Umwandlungspfad und Morphologie des Martensit von höchster Wichtigkeit für das Endergebnis. Nanokristalline NiTi- Legierungen mit verbesserten Formgedächtniseigenschaften ziehen ein beachtliches Interesse auf sich.

HPT-Verformung führt zu deformationsinduziertem Martensit, der Scherbänder einer amorphen Phase enthält, welche bei höheren Schergraden das gesamte Volumen ausfüllen [5]. Die amorphe Phase, die durch HPT gebildet wird, enthält verschiedene nanokristalline Reste, die als Keimbildungsorte dienen können. Durch die Einstellung ihrer Dichte kann eine nanokristalline Struktur durch Entglasung erzeugt werden. Durch Abkühlen vollzieht sich die Umwandlung in den Martensit; es wird jedoch in den Nanokörnern ein neuer Umwandlungspfad beobachtet, der unterschiedlich zu dem des grobkörnigen Materials ist [6]. In den Nanokörnern werden die Umwandlungsverzerrungen durch Auftreten von sehr feinen Zwillingen vermindert, wie in Abb. 4 dargestellt [7]. Die sehr geringe Energie ihrer jeweiligen Zwillingsgrenzflächen vereinfacht die Bildung von Zwillingsarrays auf atomarer Skala [8]. Demnach wird die Verzerrungsenergiebarriere für die Umwandlung der Nanokörner durch einen neuartigen Umwandlungspfad vermindert, der im Widerspruch zu der bis hierher aufgestellten Theorie für die Bildung von Martensit steht.

Finanzielle Unterstützung durch den FWF Österreich (Projekt P17095-NO2) wird bestätigt. 

Die Autoren: Prof. Dr. Hans-Peter Karnthaler; Dr. Bernhard Mingler Assistenzprofessor ; Dr. Christian Rentenberger außerordentlicher Professor; Dr. Thomas Waitz außerordentlicher Professor

Institut für Materialphysik Universität Wien Boltzmanngasse 5 A-1090 Wien hans-peter.karnthaler@univie.ac.at www.univie.ac.at./Materialphysik/EM

Literatur:

[1] Valiev, R. Z.: Nature Materials 3, 511 (2004)

[2] Rentenberger, C., T. Waitz, H. P. Karnthaler: Scripta Mater. 51, 789 (2004)

[3] Mingler, B., L. Zeipper, H. P. Karnthaler, M. Zehetbauer: Nanomaterials by Severe Plastic Deformation, Wiley-VCH, Weinheim, Germany, 369 (2004)

[4] Rentenberger, C., H. P. Karnthaler: Acta Mater. 53, 3031 (2005)

[5] Waitz, T., V. Kazykhanov, H. P. Karnthaler: Acta Mater. 52, 137–147 (2004)

[6] Waitz, T., H. P. Karnthaler: Acta Mater. 52, 5461–5469 (2004)

[7] Waitz, T.: Acta Mater. 53, 2273–2283 (2005)

[8] Waitz, T., D. Spisak, J. Hafner, H. P. Karnthaler: Europhys. Lett. 71, 98–103 (2005)

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