Multisensorik schafft die Basis für Null-Fehler-Produktion
21.09.2017 -
Elektronische Bauteile wie Steckverbinder werden immer kleiner und stellen daher immer größere Herausforderungen an die Produktion. Erni Electronics sichert die Herstellungsprozesse mit 3D-CNC-Multisensor-Messgeräten ab, von denen eines die Röntgen-Computertomografie beherrscht. Die moderne Messtechnik ermöglicht eine schnelle Prozessvalidierung.
Null-Fehler-Produktion hat sich Erni Electronics auf die Fahnen geschrieben. Das Unternehmen stellt in Adelberg nahe Stuttgart eine breite Palette an Leiterplatten- und I/O-Steckverbindern, Backplanes, Kabel mit Steckverbindern, Gehäuse, Systeme und Werkzeuge her. Eine Vielzahl der Produkte landet über Zulieferunternehmen in der Automobilindustrie, die besonders hohe Ansprüche an die Qualität der verbauten Teile stellt. Dementsprechend professionell ist die Qualitätssicherung ausgestattet. Im Messraum findet sich, neben verschiedenen 3D-CNC-Multisensor-Messgeräten, auch ein Koordinatenmessgerät (KMG) mit Röntgen-Computertomografiesensorik (CT). Selbst in der Produktion setzt man ein Multisensor-Koordinatenmessgerät ein, um dem Werker eine schnelle Kontrolle seiner Arbeitsergebnisse zu ermöglichen. Oliver Jehlitschke, Leiter des Qualitätsmanagements, erklärt: „Insbesondere die Automobilindustrie will die Packungsdichte auf den Leiterplatten ständig erhöhen. Das heißt, die von uns entwickelten Steckverbinder werden permanent kleiner.“
Langjähriger Wegbegleiter und Partner seiner Abteilung ist die Werth Messtechnik. Das Gießener Unternehmen ist auf Koordinatenmessgeräte mit optischen Sensoren, Röntgentomografie und Multisensorik spezialisiert. Bereits 1996 wurde bei Erni ein VideoCheck IP 250 installiert, ein kompaktes Gerät, das zur optischen Messung der Steckverbinder, von Gehäusen und Stanzbändern dient. Es wurde inzwischen durch eine neuere, genauere Version des gleichen Messgerättyps abgelöst. Für größere Teile nutzt man das Portalmessgerät VideoCheck FB, das ein Messvolumen von 400 x 400 x 200 mm3 abdeckt. Es ist mit einem telezentrischen Objektiv sowie einem patentierten Fasertaster und einem konventionellen 3D-Taster ausgestattet.
Computertomografie ergänzt KMGs
Ein Highlight im Erni-Messraum ist das TomoScope HV Compact. Dieses Koordinatenmessgerät nutzt die Möglichkeiten der Computertomografie, um damit berührungslos Bauteile zu analysieren oder zu messen, und das mikrometergenau. Das Prinzip ist folgendes: Beim Röntgen werden vom Prüfobjekt Durchstrahlungsbilder in verschiedenen Drehstellungen aufgenommen. Anschließend erfolgt in der Software eine 3D-Rekonstruktion der Einzelbilder zu einem kompletten 3D-Volumen, das die gesamte Werkstückgeometrie innen und außen beschreibt. Messtechniker Rüdiger Teufel erklärt: „Mit dem TomoScope messen wir all unsere Leergehäuse sowie gelegentlich fertig montierte Stecker inklusive Feder- und Messerleiste. Auch unsere filigranen Stanzbänder können wir damit messen.“ Der ausschlaggebende Grund für die Investition in diese zukunftsfähige Technik war der Zeitgewinn auf dem Weg zu einer prozesssicheren Produktion. Über Soll-Ist-Vergleiche zwischen 3D-CAD und tomografisch ermittelten 3D-Daten lassen sich Abweichungen zum Sollzustand farbkodiert anzeigen. So kann man beispielsweise sehr schnell feststellen, ob sich beim Spritzgießen der Kunststoff richtig in der Form verteilt hat. Je nach Ergebnis werden Werkzeugform beziehungsweise Spritzparameter optimiert, und zwar solange, bis die Prozesssicherheit erreicht ist. Jehlitschke präzisiert: „Wir müssen einen Prozessfähigkeitsindex Cp von 1,67 erreichen. Das gilt für Gehäuse ebenso wie für die von uns gestanzten Kontaktbänder.“ Rüdiger Teufel und seine Kollegen nutzen das TomoScope auch zum mikrometergenauen Messen: „Wir machen zum Beispiel alle Erstbemusterungen unserer Gehäuse auf dem TomoScope. Wo wir früher aufwändige Schliffe erstellen mussten, können wir jetzt fast auf Knopfdruck Schnittaufnahmen anfertigen. Das spart enorm viel Zeit.“ Das von Werth zum Patent angemeldete Volumenschnittverfahren nutzen die Messtechniker auch für sogenannte SKV-Stanzbänder. Sie ermitteln auf diese Weise ein für die spätere Funktion wichtiges Maß. Dieser Vorgang findet produktionsbegleitend statt: „Von jeder Charge erhalten wir einen Abschnitt. Nur wenn das Prüfmaß in der Toleranz liegt, geht das Band weiter zur Veredelung in die Galvanik.“
Sichere Koplanaritätsmessung
Im Laufe des ersten Halbjahres 2015 erhielt der Messraum ein weiteres 3D-CNC-Multisensor-Messgerät vom Typ VideoCheck S 400. Es ist mit neuester Sensortechnik ausgestattet, wie z.B. mit dem Chromatic Focus Probe (CFP) und dem flächenhaften Fokusvariationssensor 3D-Patch. Oliver Jehlitschke nennt den Grund für diese Investition: „Die Lötpads, mit denen die Steckverbinder auf eine Leiterplatte kontaktet werden, müssen in engen Toleranzen gleichmäßig auf einer Ebene liegen, damit es beim späteren Lötprozess nicht zu Fehlstellenbildung kommt. Ob dies eingehalten wird, ermitteln wir mit einer Koplanaritätsmessung über alle Lötpunkte.“ Rüdiger Teufel erklärt: „Wir sind von Möglichkeiten, die unser neuer VideoCheck S 400 mit 3D-Patch und CFP eröffnet, vollkommen überzeugt. Das Gerät enthält mit der HiCam die neueste digitale Kameratechnik, die für das Kontrastfokusverfahren optimale Voraussetzungen bietet. So können wir anhand eines Normals Referenzmaße erfassen, mit denen die Produktion ihre Inline-Messergebnisse abgleicht, um gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.“
Messung der Oberflächentopografie
Und so funktioniert der 3D-Patch: In nur einer Bewegung der Kameraachse, analog eines Autofokus, werden kontinuierlich Bilder aufgenommen, in welchen dann der maximale Kontrast für jeden Pixel ausgewertet wird. Diese Kontrastmaxima innerhalb der Bilderstapel liefern die Messpunkte und diese beschreiben dann die dreidimensionale Bauteiloberfläche. Durch ein neues zum Patent angemeldetes Fokusvariationsverfahren ist es möglich, in einem noch größeren Dynamikbereich Oberflächentopografien zu messen. Dunkle und helle Bereiche des gleichen Objektausschnitts können mit optimaler Beleuchtung gleichzeitig erfasst und hieraus eine Messpunktewolke berechnet werden. Anschließend können die höchsten Punkte der einzelnen Pins ermittelt werden, über die sich dann eine Kontaktebene definiert. So lässt sich simulieren, wie das Bauteil vor dem Lötvorgang liegt und wie groß die Abstände der Lötpads untereinander sind. Eine alternative Messung bietet der Chromatische Fokussensor. Das ist ein eindimensionaler Abstandssensor, der mit Hilfe der Geräteachsen über das Bauteil bewegt wird und Scanlinien aufnimmt. Aus diesen Scanlinien werden letztendlich wieder Punktewolken errechnet und entsprechend ausgewertet. Dieses Verfahren bietet sich auf Grund seiner physikalischen Eigenschaften hervorragend zur Messung von glänzenden und spiegelnden Materialien an.
Dass Erni immer wieder auf Messtechnik von Werth setzt, begründet Oliver Jehlitschke folgendermaßen: „Zum einen liefert Werth Messgeräte von dauerhaft hoher Präzision. Das kann ich aus meiner jahrelangen Erfahrung bestätigen. Zum zweiten ist die Technik, wenn sie auf den Markt kommt, ausgereift und zuverlässig. Und drittens läuft die Zusammenarbeit hervorragend, sei es im Service oder auch in der Applikationsunterstützung, insbesondere bei neuen Techniken.“