MGV Stromversorgungen: Netzteile müssen vor Auslieferung 24-stündigen Stresstest bestehen
04.05.2012 -
Wenn Netzteile versagen, kommt dies einem Herzstillstand gleich: Nichts geht mehr! Hersteller von Netzteilen unterziehen ihre Produkte deshalb vor der Auslieferung einem gnadenlosen Endtest. Die dabei anfallenden immensen Verlustleistungen werden heute nicht mehr sinnlos verheizt, sondern zum Großteil ins Stromnetz zurückgespeist. Davon profitieren Hersteller und Umwelt.
Bevor Netzteile des Münchener Herstellers MGV das Werk verlassen, müssen sie einen 24-stündigen Stresstest unter Nennlast und maximal zulässiger Umgebungstemperatur bestehen. Als zusätzlicher Stressor kann mehrfaches Ein- und Ausschalten der Netzteile hinzukommen. Um den Geräten ihre Nennlast abzuverlangen, wurde als Stromsenke früher ein hoch belastbarer ohmscher Verbraucher aufgeschaltet (z. B. Lastwiderstand, Glühlampen). Die dabei in Wärme umgesetzte Verlustleistung kann jedoch je nach Anzahl und Typ der getesteten Netzteile sehr hohe Werte erreichen.
So würde beispielsweise die Dauertestanlage unter Volllast eine Verlustleistung von 140 kW in Wärme umsetzen und auf diese Weise jährlich Energie im Wert von etwa 120.000,– € verheizen. Tatsächlich aber sind die laufenden Stromkosten für die Dauertestanlage weitaus niedriger, weil etwa 70 % der aufgenommenen Energie während eines Stresstests nicht nutzlos in Wärme umgewandelt werden, sondern über Rückspeise-Einrichtungen den Weg ins Netz des Energieversorgers zurückfinden. MGV spart dadurch bei Volllast der Anlage rd. 84.000,– € jährlich ein. Bei einer Auslastung von 70 % beträgt die Einsparung durch Rückspeisung noch immer stattliche 60.000,– €.
Zehn Schaltschränke mit je fünf Folterkammern für Netzteile
Die Dauertestanlage besteht aus zehn so genannten CDE-Schaltschränken (Computergestützter Dauertest mit Energierückspeisung) mit je fünf übereinander angeordneten Testkabinen zur Aufnahme der Prüflinge (Abb. 1 + 2). Jede Kabine hat auf der Rückwand acht HAN24-Buchsen für den elektrischen Anschluss der Prüflinge. Über diese Standardschnittstellen erhalten die Prüflinge ihre Versorgungsspannung (auch DC für den Test von DC/DC-Wandlern), in umgekehrter Richtung speisen die Prüflinge darüber die Stromsenken (Abb. 3). Jeder der acht Steckverbinder einer Kabine führt folgende Belegung, die auf die Erfordernisse von MGV-Netzteilen zugeschnitten ist:
Eingang
Versorgungsspannung AC:
3 x 400 V, 115 V, 230 V
Versorgungsspannung DC:
12 V, 24 V, 48 V, 96 V, 560 V
Ausgang
Stromsenken:
4 Kanäle mit in Summe 270 W Verlustleistung
Aus den vier Stromsenken-Kanälen für jeden der acht Steckverbinder ergibt sich die maximale Belegung einer Kabine mit 32 Prüflingen. Zu dieser Maximalbelegung kommt es, wenn beispielsweise kleine 30-W-Geräte in Modulbauweise oder für Hutschiene getestet werden. In diesem Fall wirkt eine Sonderadaption als elektrisch/mechanische Schnittstelle zwischen CDE-Schrank und Prüfling.
Eine andere Sonderadaption ist ein Einbaugestell für 3HE-Geräte. Größere Netzteile, von denen z. B. nur zwei in eine Kabine passen, werden über Kabel kontaktiert: auf der einen Seite ein HAN24-Stecker, auf der anderen Kontaktklammern. Unbenutzte HAN24-Buchsen werden mit Kappen gegen Kondensat geschützt, das während eines Tests aus der Elektronik der Prüflinge austreten kann.
Senken: Hochsetzsteller statt Widerstand
Oberhalb der fünf Testkabinen bietet jeder CDE-Schrank Platz für bis zu 40 Senken, jeweils acht pro Kabine. Eine solche Senke ist nun kein Heizwiderstand mehr, sondern eine elektronische Last in Form eines Hochsetzstellers und eines Übertragers (für die galvanische Trennung), um die Energie in einen DCZwischenkreis zu pumpen. Der Controller einer jeden Senke erhält vom Hostcontroller die Informationen, wie er die Ausgangsspannungen des Prüflings zu belasten hat. Jede Senke stellt dazu vier Lastkanäle mit gemeinsamer Masse bereit: Drei Kanäle können mit positiven Spannungen des Prüflings beaufschlagt werden, ein Kanal ist negativen Spannungen vorbehalten.
Alle Senken sind untereinander galvanisch getrennt, ebenso wie gegenüber dem CDE-Schrank. Die maximal zulässige DC-Eingangsspannung einer Senke beträgt 50V, die einem Prüfling entziehbare Verlustleistung ist auf maximal 270 W limitiert. Reicht bei Hochleistungsnetzteilen die Belastbarkeit einer einzelnen Senke nicht aus, lässt sie sich durch Parallelschaltung mehrerer Senken bedarfsgerecht anheben.
Beispiel: Ein Netzteil vom Typ DG37 stellt drei Ausgangsspannungen bereit, die bei 50 °C Umgebungstemperatur folgender Belastung standhalten müssen:
+5 V belastbar mit 8 A (40 W)
+12 V belastbar mit 3 A (36 W)
–12 V belastbar mit 1 A (12 W)
Eine Senke nimmt mit drei ihrer vier Kanäle die Verlustleistungen auf, setzt die resultierende Gesamtverlustleistung von 88 W jedoch nicht in Wärme um, sondern gibt diese, gesteuert von einer Rückspeise-Einrichtung, ans Stromnetz zurück.
Rückspeisung ins Stromnetz
Aufgabe der Rückspeise-Einrichtung ist es, die Energie aus dem DC-Zwischenkreis phasenrichtig ins Netz des Energieversorgers einzuspeisen. Dazu misst diese Baugruppe ständig die momentane Spannung und Phasenlage der Netzversorgung und steuert einen Tiefsetzer und Wechselrichter so, dass sowohl die störungsfreie Rückspeisung ins Stromnetz gewährleistet ist, als auch die Zwischenkreisspannung konstant bleibt. Die Rückspeisung einer Testkabine findet auf zwei Phasen verteilt statt (2 x 230 V).
Die Steuerung: Hostcontroller und Server
Jede Senke verfügt über eine Messeinrichtung, die ständig die Spannungs- und Stromwerte der vier Lastkanäle erfasst. Diese Messwerte werden mit A/DWandlern digitalisiert, von den Mikrocontrollern der Senken aufbereitet und über I2C-Bus dem Hostcontroller übergeben, mit dem jeder CDE-Schrank ausgestattet ist. Der Hostcontroller ist für die komplette Steuerung und Regelung eines Schranks zuständig. So bildet er aus den Messwerten von je einem oben und unten in einer Kabine platzierten Temperatursensor den Mittelwert, mit dem über eine 2-Punkt-Regelung die Kabinentemperatur auf Sollwert gehalten wird.
Für die Wärmezufuhr sorgt nach dem Einschalten der Dauertesteinrichtung zunächst eine Schrankheizung. Kurze Zeit später werden die Kabinen ausschließlich über die eigene Verlustleistung der Prüflinge geheizt. Für die Kühlung ist jede Kabine mit kleinen Lüftern ausgestattet, die Umgebungsluft ansaugen. Auch der Status diverser Sicherheitseinrichtungen (Türverriegelung, Not-Aus, Rauchmelder) wird überwacht und ausgewertet. Wichtigste Aufgabe eines Hostcontrollers ist jedoch die Steuerung der Senken eines Netzteil auszuwählen, das in der Kabine getestet werden soll.
Damit werden die Senken automatisch auf zuvor in einem Parametersatz hinterlegte Nennlastwerte eingestellt. Eine Software zeigt zusätzlich das symbolische Abbild der 40 Senken eines Schrankes aufgeschlüsselt nach den Stromund Spannungswerten jedes einzelnen Kanals. Bricht während des Dauertests die Ausgangsspannung eines Prüflings ein, wird der betroffene Kanal rot markiert. Diese Fehlermeldung bleibt so lange erhalten, bis der Test abgeschlossen ist und der Schrank heruntergefahren wird.