Kundenspezifische HMI-Bedienpanels im Einsatz bei Schuler-Pressen
Die Presse steuern
Der Grund für die Vereinheitlichung des Maschinen-Designs liegt in der Vielfalt an Pressen, die Schuler fertigt: Das Produktprogramm reicht vom kleinen Stanzautomaten über Transferpressen bis hin zu ganzen Pressenlinien. In komplexeren Anlagen sind zudem oft mehrere Maschinentypen nebeneinander verbaut, die alle mit unterschiedlichen Panel-PCs ausgestattet sind. Das Bedienpersonal muss sich deshalb immer wieder auf eine andere Benutzeroberfläche einstellen. Dieses Nebeneinander verschiedener Bedienkonzepte wollte Schuler beenden und startete deshalb Anfang 2018 ein umfangreiches Re-Design der Pressen und ihrer HMI-Panels. „Wir wollen erreichen, dass sich der Kunde an jeder Maschine sofort zurechtfindet“, beschreibt Rupert Persterer das Ziel der Umgestaltung. Er leitet die Abteilung „Zentrale Entwicklung der Visualisierung“ bei Schuler und steuert das Projekt.
E-Paper-Technologie gab den Ausschlag
Es ist ein ambitioniertes Unterfangen, denn über 30 Maschinentypen müssen auf die neue Bedienoberfläche umgestellt werden. Die Art und Weise, wie der Bediener die Daten eingibt, sie editiert und wie er eine Diagnose durchführt, soll künftig bei jeder Anlage gleich sein. Und noch etwas wollen Persterer und seine Kollegen mit der Vereinheitlichung erreichen: „Man soll auf den ersten Blick erkennen, dass es sich um eine Schuler-Maschine handelt.“
Das Projektteam machte sich deshalb auf die Suche nach einem Gehäuse-Spezialisten, mit dem das Re-Design der Bedienpanels umgesetzt werden sollte. Man erstellte ein Lastenheft, auf dessen Grundlage bei verschiedenen Herstellern Angebote eingeholt wurden. Da Schuler seine Pressen schon seit fast 30 Jahren mit Bediengehäusen und Tragarmsystemen von Rose Systemtechnik ausstattet, kam das Unternehmen automatisch in die engere Auswahl. Der Auftrag für die neue Visualisierung ging dann schließlich auch deshalb an Rose, weil er als einziger Gehäuse-Hersteller am Markt die sogenannte E-Paper-Technologie in Bedienpulte integrieren kann. Schuler wollte seine neuen Bedienpanels mit dieser Technik ausstatten, da sie eine vollkommen flexible Beschriftung der Funktionstasten ermöglicht. Ändert sich die Belegung der Tasten, kann die dazugehörige Aufschrift auf der Bedienoberfläche mit wenigen Handgriffen elektronisch angepasst werden. Zudem muss bei der Einstellung der Beschriftung nur einmal Spannung angelegt werden – alternative Technologien wie zum Beispiel OLED-Anzeigen benötigen ständig Spannung. Sie brennen sich deshalb mit der Zeit ein und können dann nicht mehr überschrieben werden.
Komplette HMI-Lösungen
„Ein weiterer Grund, warum wir uns für die flexible E-Paper-Technologie entschieden haben, war die Tatsache, dass die üblichen Funktionstasten-Beschriftungen – wie zum Beispiel Kunststoff-Schilder – nicht mit dem geplanten Design unserer neuen Panels harmoniert hätten“, so Persterer. Rose hatte die variable Display-Beschriftung auf E-Paper-Basis gemeinsam mit Kundisch entwickelt. Das Unternehmen fertigt vorwiegend Folientastaturen und Touchsysteme und gehört wie Rose zur Schweizer Phoenix Mecano-Gruppe. Mit dem gebündelten Know-how aus der Gehäuse- und der Tastatur-Technik brachten beide Partner die flexible Tastatur-Beschriftung Anfang 2019 zur Marktreife.
„Das ist für uns eine Schlüsseltechnologie“, sagt Torben Meyer, der als der Teamleiter Entwicklung/Konstruktion HMI bei Rose arbeitet. Der Gehäuse-Hersteller hat sich schon vor Jahren vom reinen Komponenten- zum Systemanbieter gewandelt. In diesem Zusammenhang übernahm Rose im August 2019 auch die CRE Rösler GmbH. CRE ist seit 35 Jahren einer der führenden Anbieter von Automatisierungslösungen in Deutschland und besitzt großes Know-how in der Fertigung von Industrie-Monitoren, Panel PCs und Embedded PCs. „Die Produkte von CRE, die wir unter der Sparte HMI Solutions führen werden, ergänzen unser Produkt-Portfolio optimal“, kommentiert Rose-Geschäftsführer Dr. Heinz Werner Rixen den Neuerwerb. „Dadurch können wir unseren Kunden jetzt individuelle HMI-Komplettlösungen aus Steuergehäuse, Industrie-PC und Tragarmsystem bieten.“
Design-Aspekt spielt bei der Konstruktion eine immer größere Rolle
Die Entwicklung der flexiblen Display-Beschriftung war für Rose ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Komplettanbieter von HMI-Panels. Man hat sich dadurch nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Mindestens ebenso wichtig ist die enorme Flexibilität, die diese Technologie bei der Gestaltung kundenspezifischer HMI-Panels bietet. Die Fertigung individueller Gehäusesysteme ist eine Kernkompetenz von Rose – das Unternehmen bietet Service-Leistungen an, die vom Fräsen, Bohren und Gravieren über Oberflächenveredelungen wie Pulverbeschichtungen und Nasslackierungen bis hin zur kompletten Konfektionierung der Gehäuse reichen.
Bei der variablen E-Paper-Beschriftung hatte Rose aber nicht nur die Möglichkeiten der Display-Individualisierung im Sinn. Auch der Design-Aspekt spielte hier eine große Rolle: „Für Maschinenbauer ist das Bedienpanel inzwischen ein Aushängeschild der gesamten Anlage. Die Gestaltung der Panels wird deshalb immer wichtiger, sie sollen möglichst unverwechselbar sein“, weiß Nils Stello, Produktmanager für den Bereich HMI bei Rose.
Das Re-Design der Schuler-Pressen ist die erste reale Anwendung, in der die veränderbare Display-Beschriftung zum Einsatz kommt. Der Entwicklungsprozess für das neue Schuler-Bedienpult war von einem intensiven Austausch zwischen dem Gehäuse- und dem Pressen-Hersteller geprägt. Nach mehreren Gesprächen mit Schuler erstellten Torben Meyer und seine Kollegen zunächst Konzepte – sowohl für das Leergehäuse als auch für das Display. „Sie wurden dann gemeinsam mit Schuler immer weiter verfeinert, bis wir schließlich einen Prototyp fertigen konnten“, so Meyer. An diese Zeit erinnert sich Ralf Sohr, Ingenieur im Bereich Technology Electrical Engineering bei Schuler, noch genau: „Das Design des Prototyps hat uns sehr angesprochen. Ziemlich ausschlaggebend war für uns auch die Bereitschaft von Rose, das Panel genau nach unseren Vorstellungen zu bauen. Andere Hersteller konnten wichtige Punkte aus unserem Lastenheft nicht umsetzen.“ Die neue Bedieneinheit sollte neben der flexiblen Display-Beschriftung unter anderem auch ein Touchpanel und einen RFID-Chip für die Anmeldung des Bedieners an der Anlage beinhalten.
Mit dem Prototypen begann dann die eigentliche Arbeit: „Wir haben das Gehäuse soweit verändert, dass es allen unseren Anforderungen entsprach“, berichtet Ralf Sohr. Einige der Anpassungen waren unvermeidlich: So mussten unter anderem konventionelle Bedienelemente in das Panel integriert werden, mit denen bestimmte Sicherheitsfunktionen der Pressen gesteuert werden. „Deshalb war es nötig, im Gehäuse Platz für eine SPS und einen Industrie-PC zu schaffen“, so Sohr. Das speziell für Schuler konstruierte Panel bietet nicht nur Platz für alle diese Komponenten, sondern ist zudem noch schock- und vibrationsfest und hält auch Umgebungstemperaturen bis +40 °C problemlos stand. „Das ist sehr wichtig für uns, denn wir verkaufen unsere Pressen an Kunden weltweit.“ Hauptzielgruppe der Pressen sind die Automobil-Industrie mit ihren Zuliefer-Betrieben und die Hausgeräte-Industrie. Mit den Anlagen werden unter anderem Motorhauben und Auto-Türen gefertigt, aber auch Heizkörper, Duschwannen oder Spülbecken. Sogar Bauteile für Flugzeuge, Windkraftanlagen und Züge entstehen auf Pressen von Schuler. Die Presskraft beträgt deshalb je nach Maschinengröße zwischen 60 t und 10.000 t.
Autor
Katharina Lange, Marketingleitung