Komplette Abbildung rotationssymmetrische Objekte mittels Industriekameras
Inline-Inspektionssystem erbringt 360°-Qualitätskontrolle
Für die Überprüfung rotationssymmetrischer Objekte – also von Objekten, die komplett abbildbar sind, wenn man sie um die eigene Achse dreht – entwickelte das Unternehmen Industrielle Sensorsysteme Wichmann (ISW) eine neue Lösung. Mit dabei: vier Industriekameras von Baumer, deren gleichzeitig aufgenommenen Bilder ein Produkt komplett abbilden und so eine 100-Prozent-Kontrolle sicherstellen.
Rotationssymmetrische Objekte bezeichnen zahlreiche Produkte unseres täglichen Lebens: Sprühdosen, Ampullen oder Konserven. Man findet sie in Zylinderform häufig im Pharmabereich und in der Verpackungsindustrie für Lebensmittel und Getränke – sensible Branchen, bei denen es wichtig ist, die zum Teil gesetzlich vorgeschriebenen qualitäts- und sicherheitsrelevanten Themen genau zu kontrollieren, um mögliche Beschädigungen von Verschraubungen, Verformungen der Verpackung, fehlende Sprühdüsen oder fehlende Etiketten oder auch falsche Inhalte sicher zu erkennen.
Derzeitige Ansätze zur Kontrolle rotationssymmetrischer Produkte konzentrieren sich darauf, dass diese auf einer definierten Strecke mit konstanter Geschwindigkeit und exakter Belichtungszeit vor einer Kamera einmal komplett um die eigene Achse gedreht werden. Die Aufnahme wird dann abgewickelt und per Bildverarbeitung geprüft. „Oft sind die Nahtbereiche zwischen den einzelnen Bildern jedoch unsauber, so dass teilweise nur Serienfehler, also Fehler über mehrere Produkte, in einem Strom erkannt werden können“, erläutert Stefan Tukac, Prokurist bei ISW, die Nachteile bisheriger Prüfanlagen. Das muss besser gehen, dachten sich die Ingenieure bei ISW: eine 100-Prozent-Kontrolle, die auch einmalig auftretende Produktfehler sicher detektiert und gleichzeitig im Produktionstakt bleibt.
Ein halbes Jahr später war die neue Prüfanlage unter dem Namen „4ninety“ fertig. Das System deckt mit vier CX-Kameras von Baumer jeweils 90° des Umfangs eines runden Körpers ab. „Genau also die 360°, die auch eine Abwicklung beinhaltet“, erläutert Tukac. Die vier Einzelbilder werden softwareseitig ohne Überlappung zu einem Gesamtbild zusammengesetzt und ausgewertet.
Zahlreiche Prüfaufgaben möglich
Der Ansatz von ISW ist einfach und mit geringem Aufwand in bestehende Produktionsprozesse integrierbar. Die Prüfzelle kann über jedem beliebigen Förderband platziert werden. Mithilfe verschiedener Achsen sind Kameras und Beleuchtung an verschiedene Transportbänder und Produkte innerhalb kurzer Zeit angepasst. Einmal platziert, korrekt ausgerichtet und softwareseitig eingerichtet, übernimmt die Anlage vielfältige Prüfaufgaben.
Kontrolliert werden können die Formen von Produkten, zum Beispiel auf Unversehrtheit, Maßeinhaltung oder Deckelplatzierung. Aber auch die Anwesenheit und Lage von Merkmalen wie die korrekte Platzierung von Etiketten bis hin zur Prüfung von aufgebrachten 1D- und 2D-Codes oder von Texten (OCR/OCV) sind möglich. „Unsere Standard-Bibliothek besteht aus mehreren tausend Schriftarten. So können wir Klarschriften von Kunden unseren Standardschriften wie Document, Universal oder Pharma für eine sichere Lesbarkeit zuordnen“, erläutert Tukac das Vorgehen bei OCR. Die Lage und Position von Merkmalen werden in Weltkoordinaten gemessen, so dass durch die einfache Definition fester Schwellwerte fehlerhafte Produkte anhand der gemessenen Abweichungen in Millimeter oder Grad aussortiert werden können. Bei der Etikettenerkennung setzt ISW auf einen Graustufen- und Kontur-Algorithmus, der aufgenommene Etiketten mit einem Master vergleicht. Bei Unterschieden wird das Produkt ausgeworfen.
Herzstück Bilderverarbeitung
Das Herzstück der Prüfanlage liegt in der softwareseitigen, eigens entwickelten Bildverarbeitung. Grundlage ist dabei die Aufnahme von Bildern mit sehr guter Bildqualität. „Wir setzen dafür auf Kameras der CX-Serie von Baumer, mit denen wir sehr gute Erfahrung bezüglich hoher Zuverlässigkeit und guter Kompatibilität zu unseren Software-Routinen haben“, erklärt Tukac. Zum Einsatz kommen vier CX.I-Kameras mit Sony-Pregius-IMX264-Sensor und 5 MP Auflösung. Polarisationsfilter unterdrücken die Reflektionen auf den Produkten durch die Beleuchtung. Mit dem vom Baumer patentierten modularen Tube-System werden Kamera und Objektiv zusätzlich durch eine variable Anzahl an Zwischenringen zum Beispiel gegen Staub geschützt. Gleichzeitig wird damit die Schutzart IP65/IP67 erreicht. Kombiniert mit der hartanodisierten Oberfläche sind die Kameras so gegenüber den in Lebensmittelumgebungen oft notwendigen Reinigungen perfekt gerüstet. „Neben standardkonformer GigE-Vision-Schnittstelle sind die Kameras zudem lichtstark, liefern rauscharme Bilder und überzeugten uns mit schneller, zuverlässiger Bildübertragung“, ergänzt Tukac. Mit ihrer hohen Bildqualität unterstützen die Kameras bei der Detektion kleiner Abweichungen und der korrekten Nahtbildung zwischen den Einzelbilden. Know-how steckt dabei auch in der Rechenleistung. „Das Zurückrechnen der vier einzelnen Bilder mit je 5 Megapixel Auflösung in eine Ebene und die Berechnung der Nahtstellen ist sehr prozessorlastig“, weiß Tukac. ISW löste dies mit einem leistungsstarken Rechner, Multithreading, einer sehr guten Grafikkarte zur Auslagerung rechenintensiver Operationen und einer cleveren Programmierung. Sollen Produkte mit mehreren Etiketten geprüft werden, die starke Hell- und Dunkelkontraset aufweisen, kann das System auch mit vier LXG-Modellen mit einer Auflösung von 4 Megapixel und HDR-Funktion betrieben werden.
Hohes Potenzial aufgrund der breiten Anwendbarkeit
„Seit 2019 bieten wir unser System am Markt an. Unsere bisherigen Kunden aus dem Pharmabereich und der Verpackungsindustrie für Lebensmittel sind durchweg zufrieden“, freut sich Tukac. Das Potenzial ist aufgrund der breiten Anwendbarkeit jedoch noch viel größer. Denn: nicht nur zylindrische Objekte – auch andere geometrische Formen, zum Beispiel sechseckige Verpackungen – sind mit 4ninety überprüfbar. „Eine Anpassung in der Software reicht hier aus, damit wir mögliche Abbildungsfehler aufgrund der Objektgeometrie ausgleichen können“, gibt Tukac einen Ausblick.