Bildverarbeitung

Interview mit Michael Engel, Geschäftsführer von Vision Components

Der Vater der Smart Kamera

10.04.2017 -

Seit über 20 Jahren stellt Vision Components so genannte smarte Kameras her. Was genau hinter dem Begriff steckt und wo die Kameras überall eingesetzt werden ist überraschend - und auf den ersten Blick oft nicht erkennbar. Im Gespräch zeigte uns Geschäftsführer Michael Engel den Weg von der Vision über den Golftrainer hin zur Miniaturisierung auf.

 

Herr Engel, intelligente Kameras sind heute aus der industriellen Bildverarbeitung nicht mehr wegzudenken. Sie haben einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung beigetragen, denn Sie gelten als der Vater der Smart Kamera. Wie kam es dazu?

Das Konzept der Smart Kamera ist ein Faszinosum, das mich in all den Jahren nie losgelassen hat. Nach langjährigen Erfahrungen im Bereich Bildverarbeitung hatte ich 1995 durch den Verkauf meiner ersten Firma die Gelegenheit, mich endlich dieser für mich großartigen Idee zu widmen: Die Entwicklung eines kompakten, industrietauglichen Bildverarbeitungssystems, das alle für die Bildverarbeitung notwendigen Komponenten in einem Gerät vereint – der sogenannten Smart Kamera. Bereits ein Jahr später war es soweit und ich konnte mit der VC11 die erste Smart Kamera auf der Messe Vision vorstellen. Rückblickend lässt sich sagen, dass die Zeit reif für eine solche Entwicklung war: Die einzelnen Komponenten waren endlich auf eine Größe geschrumpft, die es überhaupt erst erlaubte, alles in ein kleines Kameragehäuse von gerade mal 105 x 50 x 36 mm zu packen. Dieses neuartige Produkt eröffnete einen völlig neuen Markt in der Bildverarbeitung, den wir seit 1996 mit unserer Firma aktiv mitgestalten. Der Erfolg unseres Unternehmens gründet bis heute auf der konstanten Weiterentwicklung dieser Idee: Mit einem Minimum an Komponenten ein so schlankes wie leistungsfähiges System zu entwickeln.

 

Sie sind mit Vision Components nun seit über 20 Jahren erfolgreich am Markt vertreten – wie hat sich das Portfolio über die Jahre hinweg entwickelt? Was hat sich verändert und verbessert?

Ich persönlich bin sogar schon seit über 30 Jahren in der Branche. Seit den Anfangszeiten hat sich enorm viel getan, die Technologie wird beständig kompakter und leistungsstärker. Waren in den 1980er Jahren 68000er-Systeme mit 1 MIPS Stand der Technik, so können wir inzwischen mit einem FPGA sogar mehrere Giga-OPS erreichen. Für unsere Kunden entwickeln wir unsere Produktpalette ständig organisch weiter. Um nur wenige Meilensteine zu nennen: der Durchbruch war für uns bald nach der Gründung von Vision Components die Serienreife der VC11. 2003 haben wir dann mit dem VCM30 den ersten Vision-Sensor überhaupt vorgestellt, 2011 den ersten intelligenten Triangulationssensor für 3D-Anwendungen. Aktuell steht unsere Z-Serie im Fokus, die erstmals nicht DSP-basiert ist. Die Kameras sind stattdessen mit ARM-Prozessoren ausgestattet und bieten noch einmal deutliche Leistungssteigerungen gegenüber früheren Modellen. Der System-on-Chip, ein kombinierter Dual-Core ARM-Prozessor mit integriertem FPGA, gewährleistet Echtzeitfähigkeit mit extrem hohen Geschwindigkeiten. Aufgrund Entwicklungen wie dieser bieten wir seit einigen Jahren verstärkt erweiterte Dienstleistungen und kundenspezifische Lösungen sowohl im Hardware- als auch im Software-Bereich an, anstatt nur die Standard-Komponente Smart Kamera zu liefern.

 

Ihr Angebot geht inzwischen also über die Smart Camera hinaus?

Ja, wir sind unseren Partnern heute nicht mehr nur als Embedded-Hardware-Hersteller bekannt, sondern verfügen dank unserer Erfahrung auch über umfangreiches Know-how in der Software-Entwicklung. Selbstverständlich unterstützen wir auch gerne unsere Kunden bei der Umsetzung ihrer Projekte mit solchen Dienstleistungen. Tatsächlich profitieren natürlich alle unsere Kunden von unserem Know-how: Alle unsere Kameras werden mit der kostenlosen Software-Bibliothek VCLib ausgeliefert – ein Extra, das so kaum ein anderer Hersteller bietet. Die umfangreiche Sammlung enthält über 300 grundlegende Funktionen für die Bildverarbeitung mit denen Anwender schnell und einfach ihre eigenen Prüfprogramme erstellen können. Eine weitere Software in unserem Portfolio, die Hardware-unabhängig einsetzbar ist, ist der Carrida-Engine zur Nummernschilderkennung sowie das Carrida-Parkmanagement-System. Wir verstehen uns als Dienstleister, der alles aus einer Hand bieten kann: Hardware, Software, Entwicklungsdienstleistung – Beratung und Know-how sind ohnehin immer inklusive. Im Laufe der Jahre hat sich auch unser Hardware-Portfolio weiterentwickelt, die Nachfrage nach Platinenkameras, die durch ihre geringere Größe und Leistungsaufnahme mehr Vorteile bei der Integration bieten, ist enorm gestiegen. Insgesamt sind die Platinenkameras sehr flexibel und wir können maßgeschneiderte Anpassungen schnell und einfach umsetzen, wenn der Kunde das wünscht.

 

Sie bieten seit einiger Zeit auch die FPGA-Programmierung als Kundenservice an. Wo liegen die Vorteile?

Mit der FPGA-Programmierung kann die Leistung nochmals deutlich gesteigert werden, Verbesserungen um den Faktor 20 sind möglich, und zwar bei gleicher Leistungsaufnahme. Das bedeutet in der Praxis für viele Maschinen und Anlagen enorme Geschwindigkeitssteigerungen und massive Wettbewerbsvorteile. Die FPGA-Programmierung erfordert sehr spezielles Know-how, und wir sind stolz darauf, dass wir unseren Kunden diesen Service bieten können. Möglich wurde das erst durch die Entwicklung unserer Z-Kameras – die wie alle unsere Kameras frei programmierbar sind. Das ZYNQ SoC-Modul von Xilinx, das wir dort einsetzen, vereint ARM- und FPGA-Logik und erlaubt die FPGA-Nutzung für Bildverarbeitungsfunktionen. C-Code erfolgreich auf FPGAs zu portieren, bleibt allerdings selbst mithilfe der Tool-Chain und Hardware-Bibliotheken von Vision Components anspruchsvoll. Die Machbarkeit sollte immer erst applikationsspezifisch geprüft werden, möglichst mit sachkundiger Beratung. Zur grundsätzlichen Orientierung bieten wir interessierten Kunden eintägige kostenlose Seminare an.

 

Sie haben eine besondere Sicht auf den Begriff des Industriestandards. Können Sie das bitte näher erklären?

„Standard“ zählt für mich genauso viel wie „Industrie“ Dazu kann ich beispielhaft die immer wiederkehrende Frage nach USB-Anschlüssen nennen. An unseren Embedded Systemen gibt es nämlich keine, da USB zwar weit verbreitet ist, aber in Bezug auf Robustheit, Unempfindlichkeit gegenüber Erschütterungen und flexiblen Integrationsmöglichkeiten in vorhandene Automatisierungsumgebungen keineswegs den Anforderungen eines industriellen Umfelds genügt. Es ist unser Anspruch, Produkte so zu designen, dass sie optimal zu dem passen, was auch tatsächlich benötigt wird. Im Klartext: Wie und wofür muss eine Smart Kamera tatsächlich ausgelegt sein? Welche Features muss sie haben, um in einer kundenspezifischen Anwendung zuverlässig und langlebig arbeiten zu können? Die Praxis zeigt, dass Kameras der ersten Stunde heute noch in Maschinen eingesetzt werden.

 

Manche Dinge bleiben dem Auge verborgen – so auch oftmals Ihre Produkte, die gut in den Maschinen und Anlagen namhafter Hersteller „versteckt“ sind. Können Sie uns einige der Anwendungen nennen, in denen Ihre Produkte zum Einsatz kommen?

Über viele unserer spannenden Anwendungen können wir leider nicht sprechen, da unsere Kunden den Einsatz von Bildverarbeitung als Wettbewerbsvorteil sehen und wir den Wunsch nach Geheimhaltung selbstverständlich respektieren. Grundsätzlich sind die Einsatzfelder für unsere Vision-Lösungen in der Industrie und anderswo aber enorm vielfältig. Das reicht vom perfekten Zuschnitt von Fischfilets über den zuverlässigen Griff in die Kiste, die Kameratechnik für Golfsimulatoren in Asien und den USA bis hin zur schon erwähnten sicheren Erkennung von Nummernschildern. In Bulgarien etwa wird unsere Kennzeichen-Lese-Software Carrida für Geschwindigkeitskontrollen eingesetzt.

 

Wohin wird die künftige Entwicklung der Embedded Vision Ihrer Meinung nach gehen?

Der Sektor wächst rasant weiter und ich bin überzeugt davon, dass in naher Zukunft fast alle Bildverarbeitungsaufgaben mit Embedded Systemen umgesetzt werden können. Der Trend zur Miniaturisierung bei gleichzeitiger Leistungssteigerung ist ungebrochen. Vertriebsingenieure schicke ich regelmäßig wieder nach Hause, wenn der neueste Prozessor nicht mindestens eine Vervierfachung der Leistung bietet. Auch erreichen Embedded Systeme durch Open-Source- und Freeware-Produkte eine immer höhere Marktdurchdringung. Außerdem ist die 3D-Erkennung nach wie vor ein Thema, dass noch längst nicht ausgeschöpft ist. Unser Laser-Triangulationssensor VC nano 3D etwa wird bereits seit Jahren erfolgreich im Markt eingesetzt.

Kontakt

Vision Components GmbH

Ottostr. 2
76275 Ettlingen
Deutschland

+49 7243 2167 0
+49 7243 216711

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