Insel unter Strom
Autarke Energieerzeugungssysteme für die Kanarische Insel La Palma
Ohne Strom geht heutzutage so gut wie nichts mehr. Wie wichtig eine zuverlässige Energieversorgung ist, wird meist erst im Falle eines Ausfalls deutlich. Ein Gefühl, das man auf La Palma allzu gut kennt. „Die Menschen dort haben sich daran gewöhnt, dass es durchaus drei-, viermal am Tag zu Stromausfällen kommt, dass es starke Netzschwankungen gibt und auch daran, dass die maximale Netzanschlussleistung für jeden Haushalt begrenzt ist. Denn statt einer dreiphasigen gibt es auf der Insel vielerorts nur eine einphasige Versorgung“, erklärt Maik Hohmann, Bereichsleiter Sondersysteme bei Temes Engineering. Auf einer Finca der Insel haben die Ingenieure von Temes eine autarke, dezentrale Energieversorgung installiert und kennen die Situation vor Ort daher genau.
La Palma ist die nordwestlichste und drittkleinste der sieben Kanarischen Inseln. Rund 85.000 Einwohner leben auf der 708 Quadratkilometer großen Vulkaninsel, die aufgrund ihrer Naturlandschaften auch „La Isla Bonita“ (die schöne Insel) genannt wird. Anders als Teneriffa, Gran Canaria oder Fuerteventura blieb La Palma vom Massentourismus weitestgehend verschont und ist insbesondere als Wanderparadies bekannt. 2002 wurde das Eiland von der Unesco zum Biosphärenreservat erklärt. Nichtsdestotrotz wird nahezu der gesamte Strom für die Insel aus Diesel und Gas erzeugt. Erneuerbare Energien sind erst im Kommen, obwohl ausreichend Ressourcen wie Sonne, Wind, Wasser und Vulkane vorhanden sind.
Vor den Toren der Inselhauptstadt Santa Cruz steht das Kraftwerk Los Guinchos. Es ist das einzige auf La Palma und versorgt alle Haushalte und Unternehmen mit Strom. Um nicht vom einzigen öffentlichen Energielieferanten abhängig zu sein, setzen die Palmeros zunehmend auf autarke Energieversorgung – wie die Betreiber einer Appartement-Finca in La Manchas. Seit Anfang des Jahres produziert die Ferienanlage in dem kleinen Ort auf der Westseite La Palmas ihren Strom selbst. Errichtet wurde die dezentrale Netzerzeugungsanlage von der Firma Temes.
Mit Sonnenkraft Licht ins Dunkel bringen
Das autarke Energieversorgungssystem umfasst eine 10 kW-Photovoltaikanlage, zwei 15 kW-Batterielader, einen 22 kWh großen LiFePo-Batteriepuffer, eine Split-Notfall-Nachspeiseeinheit mit 2 x 3 kVA sowie einen Inselwechselrichter mit einer Leistung von 22 kVA. Das gesamte Areal der Appartement-Finca wird so mit Strom versorgt. Dazu gehören unter anderem das Hauptgebäude, alle elektrischen Versorger, der Poolbereich inklusive Poolheizung, die Waschanlagen und seit Sommer 2018 eine Temes-22 kW-Ladesäule.
„Unsere Inselwechselrichter haben zwei entscheidende Vorteile: Sie sind schwarzstartfähig und blindleistungskompensierend“, so Maik Hohmann. Möglich wird dies durch die in den Invertern verbaute Gefran-Einheit vom Typ AFE200 (Active Front End). „Damit sind wir in der Lage, unabhängig von einem Energieversorger dezentral ein Netz zu erzeugen. Gerade in Gebieten, in denen es keine oder – wie auf La Palma – selten eine zuverlässige Stromversorgung gibt, ist dies die einzige Möglichkeit, sich selbst verlässlich mit Strom zu versorgen und elektrische Energie nutzen zu können.“ Es entstehen Insellösungen, die völlig unabhängig von Stromausfällen oder Netzschwankungen sind. Das entlastet – sofern vorhanden – das öffentliche Stromnetz und schont durch die Nutzung von erneuerbaren Energien zudem die Umwelt.
Smarte Lösungen für smarte Netze
Mit der AFE200 hat Gefran, Hersteller von Komponenten und Systemen zur Automatisierung und Steuerung industrieller Prozesse, eine intelligente und flexible Lösung für Smart-Grid-Anwendungen geschaffen. Durch ihre On-Grid-/Off-Grid-Funktion kann die AFE200 aus einer beliebigen Energiequelle ein Wechselstromnetz generieren (Off Grid). Den mittels Solarenergie, Windkraft, Biomasse, Dieselgenerator oder Ähnlichem erzeugten ungeregelten Gleichstrom wandelt die Einspeise-/Rückspeiseeinheit in dreiphasigen Wechselstrom um.
Von Vorteil ist außerdem, dass die AFE200 eine unsymmetrische Lastverteilung erlaubt. Das erhöht die Verfügbarkeit des Systems. Denn gerade in durch die Off-Grid-Funktion generierten Netzen kann nicht immer sichergestellt werden, dass die Lasten gleichmäßig auf alle drei Phasen verteilt werden. Auf La Palma ergänzt ein Trenntrafo die Active-Front-End-Einheit. Denn aufgrund der Tatsache, dass der bisher genutzte örtliche Energieversorger nur einphasigen Strom geliefert hat, waren alle angeschlossenen elektrischen Verbraucher einphasig ausgelegt. „Der Trafo ermöglicht es der AFE, ihre volle Leistung auch auf einer Phase darzustellen“, erklärt Hohmann. Die AFE200 punktet zudem mit einer sehr kleinen harmonischen Netzbelastung von weniger als drei Prozent und verfügt über eine große Anzahl an Feldbusanbindungen, unter anderem Profibus, Profinet, CANopen und Modbus. Gefran bietet die rückspeisefähigen Einspeiseeinheiten für den Leistungsbereich 22 kW bis 2 MW an (als Einzelgerät bzw. Parallel-Konfiguration) und deckt dabei Spannungen von 400 und 690 Volt ab. Die modulare, anpassungsfähige Technologie erleichtert die Installation und ermöglicht eine komfortable Handhabung und flexible Planung.
Entwicklung eigener AFEs
Seit über sechs Jahren arbeiten Gefran und Temes zusammen. Heute nutzen die Warngauer Spezialisten fast die gesamte Produktpalette des Automatisierers – sie waren es auch, die den entscheidenden Anstoß für die Smart-Grid-Funktionalität der AFE200 gegeben haben. „Wir entwickeln auch eigene AFEs, zum Beispiel für Achterbahnen, Seilbahnen, militärische Anwendungen und Bahntechnik“, erklärt Ingenieur Maik Hohmann. „Diese Bereiche erfordern aber besondere Anforderungen, vor allem in puncto Sicherheit. Das führt dazu, dass unsere Komponenten für Haushalts- und Industrieapplikationen überdimensioniert sind. Erst die AFE von Gefran ermöglicht es uns, auch dort aus Kostensicht marktfähige Lösungen anzubieten.“
Autor
Giuseppe Savoca, Vertriebsleiter Antriebstechnik Deutschland
Bilder © Gefran
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