Inline-Qualitätskontrolle mit Deep Learning
26.06.2020 -
Deep Learning ermöglicht es, auch solche Inspektionsaufgaben zu automatisieren, die für das maschinelle Sehen zu komplex sind. Ein Berliner Bildverarbeitungsexperte hat für einen Schokoladenhersteller eine auf Deep Learning basierende Software für die Endkontrolle entwickelt. Diese erkennt und bewertet unterschiedliche Fehlerbilder im Anlagentakt und lässt sich unbegrenzt um weitere Produktsorten ergänzen.
Bi-Ber, ein Berliner Bildverarbeitungsspezialist, hat für einen Hersteller von Schokoladen- und Waffelprodukten die visuelle Produktprüfung mithilfe von Deep Learning umgesetzt. Das vollintegrierte Software- und Hardwaresystem wurde mit Musterformen angelernt und wird aktuell im sechsmonatigen Testbetrieb erprobt, um neue Formen erweitert und abgestimmt. Die zu prüfenden Produkte haben verschiedene Größen und Formen (rechteckig und rund) und sind mit Schokoladensorten mit unterschiedlichen Kakaoanteilen überzogen. Diese werden noch in der Form geprüft, wobei unter anderem darauf geachtet wird, ob sich Plastik- oder Metallstücke auf den Produkten befinden. Ebenso auszuschließen sind unvollständig aufgetragene Überzüge oder herausquellende Füllungen sowie Bruch. Weniger kritische optische Makel wie ungleichmäßige Beschichtungen sollen idealerweise auch erkannt werden. Hier existiert allerdings ein gewisser Toleranzbereich. Schlussendlich muss das Inspektionssystem für jede Kavität ein i.O.- bzw. n.i.O.-Signal an die Produktionssteuerung schicken.
Auswahl der Prüftechnologie
Ziele der Einführung einer KI-basierten automatischen Qualitätsprüfung waren in diesem Fall der Verzicht auf eine manuelle Sichtkontrolle und damit auch eine höhere Erkennungszuverlässigkeit. Die Endkontrolle in der Schokoladenproduktion ist für ein Bildverarbeitungssystem besonders herausfordernd, weil die Produkte generell kein einheitliches Erscheinungsbild haben. Auf den unregelmäßig strukturierten Oberflächen heben sich Fehler nicht unbedingt deutlich ab, sodass sie mitunter schwer von zulässigen Abweichungen zu unterscheiden sind. Das herkömmliche maschinelle Sehen funktioniert mit festgeschriebenen Regeln, die sich für diese Anwendung kaum oder nur mit erheblichem Aufwand programmieren ließen. Dagegen werden beim Deep Learning künstliche neuronale Netze mit Beispielbildern gefüttert und bilden daraus selbstständig Kriterien, anhand derer sie Bilder kategorisieren. Das Besondere ist, dass es eine große Varianz geben kann, welche Produktbilder als gut bewertet werden. Denn viele optische Abweichungen sind zulässig.
Schneller Lernprozess durch Supervised Learning
Bi-Ber hat seine erste Deep-Learning-Anwendung mithilfe von Cognex Visionpro Vidi entwickelt. Diese Software-Suite enthält diverse spezialisierte Tools, darunter Vidi Red Analyze zur Segmentierung und Fehlererkennung. Um die KI zu trainieren, wurden nicht nur gute und schlechte Bilder unterschieden, sondern der Entwickler markierte auch die Fehler in den Bildern („Supervised Learning“), um sie von Anfang an auf die gesuchten Fehlererscheinungen zu fokussieren. Visionpro Vidi benötigt keine riesigen Bilddatensätze und spart dadurch beim Einlernen viel Zeit. So hat Bi-Ber für den Testbetrieb 49 Bilder von guten Produkten und 58 von Ausschuss eingelernt. Die Software identifiziert die Prüffenster, die KI bewertet individuelle Schokoprodukte und vergibt Qualitätskennzahlen. Der Benutzer kann anhand dieser Werte die Toleranzgrenze im Betrieb einstellen und so selbst entscheiden, wie homogen die Produkte sein müssen und wie viel Ausschuss er zulässt. Die Produkte werden nach der Prüfstation aus der Form gestürzt. Fehlerhafte Produkte lassen sich dann anhand ihrer gemeldeten Position entnehmen.
Die Formen für die unterschiedlich großen Schokoladen enthalten bis zu 108 Alveolen. Bei einem 2-Sekunden-Takt muss das Prüfsystem 54 Einzelbilder je Sekunde segmentieren und auswerten. Das stellte angesichts der komplexen Algorithmen eine große Herausforderung für die Rechenkapazitäten dar, trotz spezialisierter Grafikkarte. „Dieses Pilotprojekt im Bereich Deep Learning ist für uns eine nützliche, aber auch sehr anspruchsvolle Lernerfahrung“, berichtet Christopher Keiner, Softwareentwickler bei Bi-Ber. „Die Basisfunktionalitäten lassen sich mit Vidi in überschaubarer Zeit einrichten. Herausfordernd wird es, sobald es daran geht, die KI auf die spezifische Anwendung abzustimmen. Wir haben die meiste Zeit darauf verwendet, die Ergebnisse zu validieren, die Auswertung zu optimieren und die Geschwindigkeit dem Anlagentakt anzupassen. Diese Erfahrungen werden den Folgeprojekten zugutekommen.“
Die positiven Auswirkungen zeigten sich bereits im Probebetrieb. Bi-Ber trainiert die Anlage mittlerweile innerhalb von nur vier Minuten auf neue Formen und Produkte. Das ist wesentlich schneller als bei regelbasierter Bildverarbeitung und wird das Umrüsten von Produktionsprozessen in Zukunft erleichtern. Der Kunde schult eigene Mitarbeiter in Deep-Learning-Software, damit sie weitere Produkte einlernen können. Er ist mit der Investition in diese Technologie bewusst ein Wagnis eingegangen und verspricht sich davon aber Effizienz- und Qualitätsvorteile.
Hardware-Aufbau auf kompakte Anlage ausgelegt
Bi-Ber fertigt seine Bildverarbeitungssysteme für Prüfaufgaben in der Süßwarenindustrie als Komplettlösung mit allen nötigen Software- und Hardwareschnittstellen für eine zeitsparende Installation und Inbetriebnahme beim Kunden. Die Hardwareausstattung des aktuellen Inspektionssystems beruht auf einer praxisbewährten Konstruktion. Kernkomponenten sind zwei Gigabit-Ethernet-Kameras mit Megapixelauflösung für die Bilderfassung sowie ein Computer mit speziell für die Anwendung ausgewählter Grafikkarte, der die komplette Auswertung übernimmt. Wie viele Hersteller benötigte auch der Schokoladenhersteller eine Prüfanlage mit niedriger Bauhöhe. Bi-Ber konstruierte daher ein zweigeteiltes System mit zwei Edelstahlgehäusen. Ein kompaktes, leichtes Gehäuse, das die Kameras, Optik, LED-Beleuchtung, Polfilter und eine Sichtscheibe enthält, wird direkt über dem Transfersystem montiert. Der Schaltkasten mit dem Grafikrechner und Touchscreen lässt sich für eine ergonomische Bedienung neben der Anlage anbringen. Die Kameras nehmen die Schokoladenformen, die im 2-Sekunden-Takt weiterbewegt werden, jeweils hälftig auf. Die Software setzt die Einzelbilder zusammen und erreicht nahezu verzeichnungsfreie Aufnahmen der ganzen Produktionsformen unter homogener Beleuchtung. Der Einsatz von zwei Kameras ermöglicht einen deutlich geringeren Arbeitsabstand als dies mit einer Kamera möglich gewesen wäre und somit einen insgesamt kompakteren Aufbau. Zusätzlich hat das Unternehmen die Bauhöhe reduziert, indem es die Objektive im 90°-Winkel auf die Kameras montiert hat. Das Vision-System ist zudem sehr wartungsarm, auch weil es keine bewegten Teile hat. Die eingesetzte LED-Beleuchtung weist von Haus aus eine geringe Wärmeentwicklung auf. Da sie im Intervall geschaltet wird, erreicht sie eine lange Lebensdauer.
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