Industrielle Kameras, ihr Markt und ihre technischen Merkmale
Qualität und Geschwindigkeit treiben das Wachstum der Bildverarbeitung für Standardsysteme und individuelle Branchenlösungen
In Kooperation mit den Fachzeitschriften Vision Systems Design und Inspect ermittelt der Bildverarbeitungsspezialist Framos jährlich die Trends der Branche für die weitere technische und wirtschaftliche Entwicklung aus Anwender- und Herstellersicht. Für die 8. Marktstudie gaben 99 Hersteller und Anwender aus 23 Ländern Antworten zum Status Quo des Bildverarbeitungsmarktes und der weiteren Entwicklung.
Basis der Studie bilden die Aussagen und die sehr ausführliche Antworten von 79 Anwendern und 20 Herstellern zu Kameras, Sensoren und Applikationen sowie Zukunftsprognosen. Mit 47 % kamen die meisten Teilnehmer aus Nord- und Südamerika, Europa ist zu 38 % und Asien zu 15 % vertreten. Anhand der abgefragten Einkaufs- bzw. Produktionsvolumina wurde ein Relevanzranking vorgenommen. Einkauf und Produktion in Europa liegen mit jeweils 57 % damit an erster Stelle, die Hersteller produzieren zu 28 % zusätzlich in Nord- und Südamerika und zu 13 % in Asien. Bei den Anwendern ist Asien mit 20 % der zweistärkste Einkaufsmarkt, wogegen Gesamtamerika nur zu 11 % vertreten ist. Durch eine Verfünffachung an amerikanischen Teilnehmern in 2015 sind hier deutliche Zuwächse sowohl als Produktions- und Einkaufsmarkt gegenüber 2014 zu sehen.
Absatzbereiche
Die Produktionsautomatisierung und Messtechnik sind mit 24 % und 22 % die wichtigsten Herstellerabsatzbereiche, gefolgt von Logistik und Qualitätssicherung mit je 13 %. Die Anwender setzen die Kameras und Bildverarbeitungssysteme mit 60 % zur Automatisierung, mit 22 % zur Qualitätssicherung und zu 14 % in der Messtechnik ein. Für die Hersteller sind Traffic mit 11 % und Medical mit 9 % weitere wichtige Einsatzbereiche. Die Automobilbranche ist auf beiden Seiten jeweils stärkster Absatzmarkt mit 16 % bei den Herstellern und 14 % bei den Anwendern.
Wie werden die verkauften Kameras anschließend implementiert? 39 % der Hersteller verkaufen direkt an Systemproduzenten, zu 32 % an Integratoren und zu 24 % direkt an Endkunden. Bei den Anwendern gaben 42 % an, Integrator zu sein. Von den restlichen Anwendern implementieren 48 % ihr System selbst, 25 % greifen auf einen Integrator zurück und 25 % kaufen direkt ein fertiges System.
Wie auch in den letzten Jahren sehen alle Marktteilnehmer einen weiteren Aufwärtstrend der Bildverarbeitungsbranche. 90 % aller Anwender wollen in den nächsten zwei Jahren ein neues BV-System einführen oder ein vorhandenes ersetzen, damit ergibt sich ein ähnliches hohes Investitionsniveau wie in den letztjährigen Studienergebnissen. Noch optimistischer zeigen sich die Hersteller: Hier sehen alle Studienteilnehmer ein Wachstum in Neu- und/oder Ersatzsystemen bis 2017.
Preisniveau
Der zweite wichtige Punkt für die Marktentwicklung ist neben der Investitionsbereitschaft das zu erwartende Preisniveau. Hier zeichnet sich, als Verstärkung der letztjährigen Studie, laut Hersteller eine Stabilisierung im mittleren bis gehobenen Preissegment ab. Waren es 2014 noch 70 % Kameras, die die Hersteller zwischen 150 $ und 650 $ produzieren wollten, so sind es 2015 44 %. 33 % aller Kameras sollen zwischen 650 $ und 1000 $ produziert werden und je 9 % ab 1000 $ bzw. ab 3000 $. Das deutliche Plus zeigt, dass mit der Standardisierung der Bildverarbeitung auch wieder individuellere und damit höherpreisige Kameras angefragt werden.
Die Hersteller sind auf Basis ihrer eigenen Trendstudien damit Seismograph für die Anwendernachfrage der nächsten Jahre. Somit ist es auch nachvollziehbar, dass die Anwender auf Basis des hohen erreichten Technologieniveaus der Kameras und der gesetzten Bildverarbeitungsstandards momentan niedrigpreisiger einkaufen. Während letztes Jahr Kameras bis 150 $ fast keine Rolle gespielt haben, haben die Anwender nun angegeben, immerhin 23 % ihrer Kameras in diesem Bereich einkaufen zu wollen. Mit 43 % Einkaufsvolumen zwischen 150 $ und 650 $ (15 %-Punkte weniger als 2014) treffen die Anwender die gleiche Einschätzung wie die Hersteller. Die Zahlen für Kameras ab 650 $, ab 1.000 $ und ab 3.000 $ haben sich nur marginal verändert. Der Zuwachs im Billigpreisbereich speist sich vorwiegend aus den Verlusten im Bereich zwischen 150 $ und 350 $.
Wer also aufgrund geringer Applikationsanforderungen bisher günstig eingekauft hat, wird durch den technischen Fortschritt zukünftig auf sehr günstige Kameras setzen können. Es ist beruhigend zu sehen, dass die Anwender mit höheren Qualitätsansprüchen und individuellen Applikationsanforderungen weiter bereit sind, dafür zu investieren und die Hersteller dies in vorauseilendem Marktgehorsam umsetzen. Die Herstellung individueller und spezifischer Kameramodelle in flexibler Fertigung ist bei kleineren Kameraherstellern bereits jetzt ein starkes Verkaufskriterium und ein Marktvorteil.
Der destillierte Tenor der Anwender: Wunsch nach kleinen robusten Kameras im mittleren Preissegment; Design von neuen Sensoren mit hohen Auflösungen (für die auch gerne gezahlt wird); Möglichkeit der intuitiven Zusammenstellung. Interessant dabei ist die Tatsache, dass den noch im letzten Jahr viel gepriesenen Smart Cameras kein größeres Wachstum vorausgesagt wird (von 27 % auf 30 % in den nächsten zwei Jahren). Die intuitive Bedienung wird damit nicht ausschließlich auf Smart Cameras bezogen, sondern auf die leichtere Handhabung aller Bildverarbeitungssysteme. Somit kann auch das Bedürfnis nach spezifischen Applikationslösungen erklärt werden: Individuelle Lösungen erfordern individuelle Systeme, die der Anwender einfach und flexibel selbst gestalten möchte. Dies ist insbesondere wichtig, nachdem 50 % aller Anwender ihr System selbst implementieren. 25 % greifen auf die Hilfe eines Systemintegrators zurück und die restlichen 25 % setzen gleich fertige Systeme (=Smart Cameras) ein.
Sensormarken
Geht es um den zukünftigen Einsatz der Sensormarken, zeichnet sich auf Hersteller- und Anwenderseite ein recht unterschiedliches Bild, welches durch die heterogene Teilnehmerstruktur bedingt ist. Während die Anwender, beeinflusst durch Sony’s CCD Abkündigung, das größte Wachstum für OnSemi mit 24 % Marktanteil sehen, rücken bei den Herstellern CMOSIS und Sharp als Alternative in den Fokus. Beide Gruppen sehen einen Rückgang des Sony Marktanteils auf 39 % (Hersteller) und 25 % (Anwender) voraus. Beide Gruppen planen zu knapp 40 % einen kompletten Umstieg auf die CMOS Technologie, der in zwei Jahren bei einem prognostizierten Marktanteil von 80 % liegen soll. 10 % der Hersteller und 14 % der Anwender werden CCD-Sensoren alternativer Hersteller nutzen und 10 % bzw. 28 % werden komplett auf CMOS umstellen und gleichzeitig partiell andere CCD-Marken für Spezialfälle heranziehen. Wie auch schon in den letzten Jahren werden CCD’s zu 20 % weiter für spezifische Anwendungen als notwendig angesehen. Es bleibt also abzuwarten, wie die CMOS-Technologie diesen Prozentsatz weiter vermindern kann, wie deutlich Sony seine Strategieänderung zu spüren bekommt und welche Marken am Ende davon profitieren.
Eine hohe Sensorauflösung und Megapixelzahl ist für Hersteller und Anwender gleichermaßen relevant. Die deutlichsten Verluste werden in den nächsten zwei Jahren Sensoren mit Auflösungen unter einem Megapixel hinnehmen müssen. In allen weiteren MP-Klassen wird auf Wachstum gesetzt, wobei die Hersteller das größte Wachstum bei Auflösungen ab 5 MP (acht Prozentpunkte) sehen, während die Anwender (noch) im Bereich zwischen 1 MP und 5 MP (neun Prozentpunkte) ihren Schwerpunkt setzen. Ein Sterben der kleinsten Klasse ist auch bei den Frameraten vorherzusehen. Hersteller und Anwender prognostizieren hier ein Minus von fünf bzw. zehn Prozentpunkten. Die Hersteller sind auch hier Vorreiter, der Anteil der Frameraten ab 60 fps soll um 19 Prozentpunkte steigen. Moderater in der Beschleunigung sehen die Anwender das größte Wachstum (15 Prozentpunkte) im Bereich zwischen 60 und 100 fps. Der noch letztes Jahr vorhergesagte Sprung auf über 50 % Sensoren mit über 100 fps bleibt aus, allenfalls 10 % sagen beide Gruppen vorsichtig voraus.
Schnittstellentypen
USB 3.0 ist neben GigE Vision die am stärksten wachsende Schnittstelle und soll laut Anwendern in zwei Jahren nach GigE mit prognostizierten 10 % (Hersteller) bzw. 19 % (Anwender) schon zweitstärkster Standard sein. Für CoaXPress sagen beide Gruppen ein Wachstum um drei Prozentpunkte voraus, während alle anderen Schnittstellen Einbußen verzeichnen werden. Überraschend ist das Comeback von Ethernet, sowohl in den Einsatzraten (55 % Hersteller und 21 % Anwender) als auch in den nur leicht zurückgehenden Prognosen auf 53 % und 18 % in den nächsten zwei Jahren. Hier scheint vor allem die veränderte Teilnehmerstruktur mit einem Großteil amerikanischer Teilnehmer gegenüber 2014 neue Impulse zu setzen. Bandbreiten über 5 GB/s stufen 88 % der Hersteller und 73 % der Anwender dennoch als relevant oder sehr relevant ein, jeweils knapp 70 % sehen bei USB 3.1. oder 10 GigE dafür das höchste Einsatzpotenzial.
Sensortechnologie
Für das vorhergesagte stetige Wachstum der Bildverarbeitung sehen Anwender und Hersteller gute Voraussetzungen, insbesondere durch die Integration in industrielle Automatisierungsprozesse und weitere Industriebereiche. Am wichtigsten ist dabei vor allem die Steigerung der Bildqualität in Dynamik und Empfindlichkeit und das Erreichen der CCD-Standards durch die neue günstigere CMOS-Technologie. Auch der Verarbeitungsgeschwindigkeit und Rechnerleistung wird ein hoher Stellenwert eingeräumt, um das Wachstum von Bildverarbeitungsanwendungen zu beschleunigen. Am liebsten würden die meisten Anwender den Trend von steigender Leistung zu globalisiert sinkenden Preisen sehen. Am wichtigsten erscheint aber die Effektivität der Anwendung. Erreichte Einsparungen in Automatisierung und Prozessbeschleunigung müssen die eingeführten Bildverarbeitungssysteme rechtfertigen. Damit ist auch der laute Ruf nach verbesserten Analysemöglichkeiten, Software und leistungsfähigeren Bibliotheken nachvollziehbar. Eine effektive Ausnutzung der investierten Systeme soll den Return-on-Investment im Betrieb erhöhen.
Fazit
Die Bildverarbeitungsstudie 2015 zeigt: Das weitere Wachstum der gesamten Branche ist sicher. Den Einfluss auf Industrie 4.0 und Automatisierungsprozesse sehen Anwender und Hersteller als Basis für die weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung an. Dafür ist bei steigender Globalisierung die preisliche Effektivität ein sehr wichtiges Kriterium. Neben Bildqualität und Geschwindigkeit schauen die Anwender zusätzlich sehr genau hin, welche Systembausteine und Zielwerte ihnen wichtig sind, und was im Gegenzug nicht notwendigerweise gebraucht wird. Die meisten legen selbst Hand an die Implementierung ihres Bildverarbeitungssystems, das einerseits individuell und flexibel sein soll, aber auch einfach zu handhaben. Für die Hersteller bedeutet dies die Weiterentwicklung und Ausweitung ihrer Technologien und Standardlinien unter hohen Qualitätsaspekten und zu günstigen Preisen. Hier werden vor allem die großen Kamerahersteller Vorteile haben. Doch auch kleine Spezialmanufakturen und Mittelständler mit flexibler Fertigung, die damit auf individuelle Kundenwünsche eingehen können, werden so weiter mit der Branche wachsen.