Bildverarbeitung

Imaging- und Optik-Export boomt

Strategema: Industrie 4.0 bei Vision- und Bildverarbeitungssystemen

19.08.2014 -

Die Vision-Märkte wachsen seit langem überdurchschnittlich. Auch die Prognose für 2014 ist überaus positiv. Imaging und ­Optik sind im Export gefragt wie nie. Anzeichen von digitaler ­Veränderung erscheinen aber am ­Horizont. Der Versuch einer ­Landkarte.

Vision- und Bildverarbeitungssysteme sind komplexe Produkte von Spezialisten für Experten. Das belegen die breit gefächerte Anwendung in allen Branchen und die hohe Segmentierung der Anbietermärkte. Vermeintliche Gemeinsamkeiten der Produkte und Systemlösungen erweisen sich bei genauerem Hinsehen als trügerisch. Es gibt deutliche Differenzierungen: Die Detektion von Haarrissen, die Identifikation von Gesichtern oder die zuverlässige Erkennung maligner Zellen benötigen eine jeweils unterschiedliche Markt- und Lösungskompetenz. Die Verschmelzung von Messtechnik, Automatisierung und industriellen Lenkprozessen sowie der Fokus auf Effizienz verstärken die Marktentwicklungen: „Customization is king" in der intelligenten Fabrik, wie auch im effizienten Krankenhaus und im Labor.

Emanzipierte Technologie

Trotz aller Wachstumsrekorde ist die deutsche Vision-Branche mittelständig geprägt. Der vom VDMA für 2013 gemeldete Gesamtumsatz von 1,6 Mrd. € entspricht etwa 45,9 % der F+E-Ausgaben von Apple (4,775 Mio.US-$) und gerade einmal 27,5 % der F+E-Ausgaben von Google (7,952 Mio.US-$). Es verwundert daher nicht, dass die letztendliche Emanzipation von Imaging-Technologien weder aus der Foto-Industrie noch aus der Machine-Vision-Branche betrieben wurde. Smartphones, Tablets und Webcams haben die Welt mit Sensoren für Vision bepflanzt, als Lifestyle-Produkt. Sie haben die Technologie einer riesigen Audienz von Entwicklern und Anwendern zur Verfügung gestellt. Einzelne Anbieter von ­Vision-Komponenten profitieren stark davon, aber ein Großteil der Wertschöpfung wird außerhalb der Branche geerntet. Die neuen Anwendungen (Apps) haben mittlerweile ein ganzes Ökosystem von Unternehmen und Entwicklern aufblühen lassen.
Die wirtschaftlichen Folgen dieser Ausbreitung der Vision-Technologie von den Experten-Communities in das neue Ökosystem sind schwer abschätzbar. Substitutionen drängen sich auf. Im App-Store von Apple ergibt die Suche nach Barcode-Apps schnell 15 kostenlose Angebote sowie weitere kostenpflichtige Angebote inklusive der Integration in übergeordnete IT-Systeme. Werbefinanzierte Angebote, wie die bildgesteuerte Websuche „Googles", treffen als leistungsfähige Bildidentifikation in das technologische Herz der Vision-Branche. Wer glaubt, dass hier eine technologische Spitzenleistung verschenkt wird, statt sie zu verkaufen, täuscht sich. Die Monetarisierung verläuft in diesen neuen Geschäftsmodellen völlig anders. Und in diesem hoch­dynamischen Schmelztiegel entstehen täglich neue Anwendungen, vom OCR-Reader bis zur komplexen Video-Bewegungsanalyse des Golf-Abschlags.

Digitale Disruption

In dieser neuen Software-Welt ist Vision-Technologie nicht mehr nur für die Experten der Branche verfügbar. Zwar ist die „bildanalytische" Leistungsfähigkeit zahlreicher Lösungen verbesserungsfähig und für viele Nischenanwendungen ungeeignet, aber ihre Flexibilität und Mobilität sind deutliche Vorteile. Die Anwendungen arbeiten auch nicht in den standardisierten Sujets industrieller Installationen. Die hohen Margen in einem stark wachsenden Massenmarkt finanzieren aber die stetige Innovation und Verbesserung. Dies ist typisch für disruptive Veränderungen (Abb. 1). Die Leistung der kommerziellen Systeme wird von Generation zu Generation optimiert, z. B. um bei schlechter Beleuchtung zu operieren oder mit wenigen Optionen und Handgriffen in ein Mikroskop oder Hautkrebsdiagnosesystem umkonfiguriert zu werden. Was ausreichende Leistung ist, definiert dabei letztendlich der Kunde.
Genau hier greift die App-Economy. „Digital Disruption" nennt Phillip Evans von der Boston Consulting Group diesen Effekt. Verbesserter Zugriff auf digitale Information, die Bildung neuer Communities, geringe Kommunikationskosten sowie geringe technische Anpassungskosten ermöglichen Wertschöpfung und Geschäftsmodelle mit höherer Kosteneffizienz und niedrigeren Transaktionskosten als Firmen. Etablierte Unternehmen können dem nur schwer etwas entgegensetzen. Internet, Mobilfunk, Handy und Computer sind die Infrastruktur, der Prozess läuft dann selbstorganisiert mit hoher Kreativität und eigener Dynamik ab.
Die neuen Communities sind nicht deckungsgleich mit den etablierten Strukturen und auch in großen Teilen mit diesen überschneidungsfrei. Hier entstehen Vision-relevante Ansätze, wie z. B. handgeführte 3D-Scanner als Ergänzung zu kundenindividueller Massenfertigung und zu den in den Markt schwemmenden 3D-Druckern. Die Erfahrung aus unseren Projekten zeigt: Wissenstransfer und die unterschiedlichen Kulturen sind die spannenden Herausforderungen, denen sich die Unternehmen stellen müssen.

Eine besondere Interessenlage

Die Marktinteressen der Internetkonzerne zielen nicht direkt auf die Bildverarbeitung. Sie überlassen dieses Anwendungsfeld ihrer Entwickler-Community, unterstützen diese aber mitunter durch die Veröffentlichung von APIs (Application Programming Interface). Manchmal geschieht dies, um die Community zu stärken, aber meistens, um lukratives Geschäft aus den gewonnen Daten zu ziehen. Apps wie z. B. Google Googles könnten auch als kostenfreie APIs den existierenden Identifikationsprodukten Konkurrenz machen. Optische Identifikationslösungen zu adressieren, dürfte Google allerdings weniger reizen als das Internet-of-things. Das Internet-of-things bietet vielfältige Möglichkeiten der berührungslosen Identifikation auch ohne den Umweg über optische Verfahren: Jeder Gegenstand ist über ein Netzwerk mit dem Internet verbunden, und hier heißt ein Zauberwort RFID.
Preise für RFID-Chips sinken seit Jahren. Sie lassen sich inzwischen auch wie Barcodes auf Verpackungen aufdrucken. Die Vorteile von Objekten, die sich selber identifizieren, liegen auf der Hand. Der im industriellen Markt als Industrie 4.0 beworbene Prozess setzt auf Flexibilisierung und dezentrale Verarbeitung. Notwendige Information wird in Werkstücken selber „gespeichert" und nicht im übergeordneten Managementprozess verwaltet. Das in den 80er Jahren propagierte Paradigma der objekt-orientierten Softwareentwicklung ist damit in der verarbeitenden Industrie angekommen und verspricht hohe Einsparungen.

Auch die Smartphone-Hersteller experimentieren: Intelligente Werbetafeln registrieren die Annäherung eines Smartphones. Sie identifizieren den Besitzer und greifen über das Netz auf dessen Nutzerprofil mit allen dort abgelegten Interessen und Vorlieben zu. Individuelle Werbeanzeigen werden so möglich. Umgekehrt registrieren Smartphones die ausgestellte Ware im Einzelhandel, um den Kunden gezielt zu seinen „Lieblingsprodukten" zu lenken. Ein Konzept namens iBeacons ermöglicht diese Art warengesteuerter Navigation. Wirklich Vision-relevante Technologiebeiträge von Google sind eher aus dem „glass"-Projekt oder den Projekten zu selbstfahrenden Autos und der Robotik zu erwarten und weniger aus der bildgesteuerten Suche.

Value-based Healthcare

Weitere Überraschungen könnten schließlich auch aus dem Medizintechnik-Segment kommen. Die Medizintechnik ist bisher mit Disruptionen nicht aufgefallen, sie hat eine lange Historie der bildbasierten Diagnose und bei weitem den stärksten Kostendruck. Auf der Suche nach einem neuen, wert-optimierten Gesundheitswesen hat z. B. die FDA (US Food and Drug Administration) die regulativen Grundlagen für Medizingeräte auf der Basis mobiler Endgeräte neu gelegt. Es bleibt abzuwarten, was die App-Economy aus dieser Vorlage und den hier gewonnenen Freiheitsgraden macht und welche neuen Entwicklungen sich wann zu den Trends der letzten Jahre, wie etwa der virtuellen Pathologie und der digitalen Zahnprothetik, gesellen werden.

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