"Ich habe ein gutes Bauchgefühl"
Interview mit Wilhelm Stemmer und Christof Zollitsch
Ein Vierteljahrhundert gibt es nun Stemmer Imaging. Wenn ein Unternehmen so lange am Markt ist, gibt es dafür gute Gründe. Welche sind es? Welche Weichen stellten Gründer und Geschäftsführung, die schließlich zum Erfolg führten? Und warum? Bernhard Schroth stellte diese Fragen während eines Gesprächs mit Wilhelm Stemmer und dem Geschäftsführer von Stemmer Imaging, Christof Zollitsch. Lesen Sie hier das ungekürzte Interview.
Herr Stemmer, Stemmer Imaging wird 25. Wenn Sie aus der aktuellen Situation heraus zurück blicken, sind es gefühlt nur ein paar Jahre oder ist es doch eher ein Vierteljahrhundert?
Wilhelm Stemmer: Ein Vierteljahrhundert klingt nach einem sehr großen Zeitraum. Gefühlt sind es aber weniger als 25 Jahre. Das kann ich sagen. Ich finde, unser Markt und auch die technologischen Sprünge haben diese Zeitspanne sehr kurzweilig gemacht. Die 25 Jahre sehe ich eigentlich nur, wenn ich alte Bilder anschaue und mich dann morgens im Spiegel betrachte. Dann merke ich, dass ich älter geworden bin. Aber die Arbeit selber war für mich immer sehr kurzweilig. Die Jahre sind im Flug vergangen und jetzt ich bin eigentlich schon im Rentenalter, komme aber immer noch gerne in mein Büro.
Die Gründung von Stemmer Imaging im Jahre 1987 steht für eine konsequente und klare Positionierung im Markt. Was hatte Sie hierzu bewogen und welche Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung hat Ihre Entscheidung vor 25 Jahren bestimmt?
Wilhelm Stemmer: Dafür gab es natürlich klare Gründe. Da muss ich etwas weiter ausholen: Die Firma wurde als Einzelfirma 1973 gegründet. Sie hieß damals "Wilhelm Stemmer Vertrieb für elektronische Bauelemente". Die Technologie der damaligen Zeit kann man sich heute kaum mehr vorstellen und ich will auch gar nicht näher darauf eingehen. Seit 1973 hat sich die Technologie in verschiedene Richtungen so verändert, dass ich auch in verschiedenen Richtungen geplant und die Firma entwickelt habe. Das heißt, wir haben schon in den frühen 80er Jahren Bildverarbeitung betrieben, aber eines unserer weiteren Hauptgeschäfte war die Computervernetzung. Unsere Firma entwickelte sich also in zwei Richtungen, die fast ein ähnlich großes Potential hatten. Irgendwann waren die beiden Geschäfte so groß, dass ich Geschäftsführer einsetzen wollte, womit die Gründung von zwei GmbHs einherging. Das war der eigentliche Startpunkt von Stemmer Imaging im Jahre 1987. Es war die Weichenstellung für zwei Firmen, von denen die eine im Bereich Netzwerktechnik und die andere im Bereich der Messdatenerfassung und Bildverarbeitung operierte.
Den Bereich Messdatenverarbeitung haben wir 1994 verkauft. Von diesem Zeitpunkt an haben wir uns konsequent nur noch auf den Bereich Bildverarbeitung konzentriert. Dann kam es auch zur Namensänderung. Aus "Stemmer PC-Systeme" wurde "Stemmer Imaging".
Die Frage ist jetzt, warum wir den anderen Bereich fallengelassen haben? Wir haben darin keine direkte Zukunfts- und Wachstumschancen mehr gesehen. Die Messdatenerfassung war weitgehend ausgereizt, sehr kommerzialisiert und ließ für uns kein besonderes Wachstum mehr erwarten. Wir haben unsere Wachstums-Chancen nur noch in der Bildverarbeitung gesehen. Seitdem ist unsere Entwicklung sehr positiv. Wir haben ausgerechnet, dass wir trotz der Einbrüche 2001/2002 und jetzt wieder in 2008/2009, ein Durchschnittswachstum von knapp 15% erzielt haben. Wir haben also eigentlich immer ganz gut am Markt agiert und stets nach Zukunftsmärkten Ausschau gehalten. Der Griff nach der Bildverarbeitung war ein ganz konsequenter und sinnvoller Schritt.
Von der Gründung bis zur heutigen starken Position von Stemmer Imaging war es ein weiter Weg. Welche Ihrer unternehmerischen Entscheidungen aus den vergangenen 25 Jahren würden Sie als diejenige mit der größten Tragweite einstufen?
Wilhelm Stemmer: Wir waren seinerzeit in drei Geschäftsfeldern zuhause. Zwischendurch haben wir uns natürlich immer wieder andere Geschäftsfelder angeschaut, wie z.B. die Spracherkennung und ähnliche Bereiche. Die wirklich entscheidenden Weichenstellungen kann man wohl in die 80er Jahre legen. In dieser Zeit gab es die gravierenden Veränderungen von den Minicomputern hin zu den PCs und wir können uns nur gratulieren zu unserer ganz frühen Entscheidung für den PC als Basis für unser Geschäft. Die Akzeptanz des PCs durch die Industrie war kein schneller Prozess, sondern hat lange gedauert. Aber mit der zunehmenden Akzeptanz hat sich unser Geschäft wirklich gut entwickelt. Alle früheren BV-Anwendungen vor der Etablierung des PCs waren rein technischer und wissenschaftlicher Natur. Man fand praktisch keine Großkunden in der Industrie, die Bildverarbeitung als ihre Kompetenz gesucht haben.
Hinzu kam die Tatsache, dass Komponenten, die früher 100.000 Mark, also umgerechnet 50.000 € gekostet haben, sich auf PC-Basis bis zum Faktor zehn billiger wurden.
Andere unternehmerische Entscheidungen betrafen die Unternehmenspolitik im engeren Sinne. Da waren also zwei verschiedene Firmen mit jeweils unterschiedlichem Fokus, die "Stemmer Elektronik GmbH" und die "Stemmer PC-System GmbH". In beiden Firmen hatte ich schon jeweils einen Nachfolger etabliert. Im Jahr 1998 verstarb dann tragischerweise der von mir etablierte Geschäftsführer der "Stemmer Imaging".
Das war eine Zäsur, die mich vor die Frage stellte, auf welchem Weg mache ich weiter? Als Techniker und Ingenieur war mir die Bildverarbeitung sehr viel näher als der schon langsam sehr kommerziell werdende Bereich der Computervernetzung. Ich habe mich persönlich für die Leitung der Stemmer Imaging entschieden und fand einen Käufer für unser Netzwerkgeschäft.
Neben der Entscheidung für den PC als Basis und der Konzentration auf die Bildverarbeitung, gab es noch einen weiteren Meilenstein im Jahr 1997. Da sind wir mit unserer eigenen Software auf den Markt gekommen. Dazu kann ihnen Herr Zollitsch sicher mehr sagen.
Christof Zollitsch: Das Konzept unserer Firma besteht darin, für die unterschiedlichen Bereiche und Anforderungen der Bildverarbeitung die passenden Antworten in Form der optimalen Kombination von Komponenten und einem entsprechenden Service bereit zu halten. Damit haben wir zu Beginn der 90er Jahre angefangen, indem wir die Produkte der Weltmarktführer im Bereich Kameratechnologie und Bilderfassung herangezogen haben. Damals gab es weder USB oder Firewire noch GigE, es wurde mit Bilderfassungskarten gearbeitet. Unsere Vorgehensweise war es, diese unterschiedlichen Komponenten, von denen ursprünglich jede über einen separaten Händel bezogen werden musste, zu kombinieren. Unsere Kernkompetenz war es, eine geeignete Kamera in einem bestimmten Betriebsmode an die passende Bilderfassungskarte anzuschließen.
Es gab verschiedene Hersteller von Bilderfassungskarten, die mit den Kameras unterschieder Hersteller in einem System zusammenarbeiten sollten.. Für jedes Produkt gab es eine eigene Bibliothek, d.h. jeder Kunde musste sich jedes Mal speziell für die eingesetzten Produkte in die jeweiligen Hersteller-Bibliotheken einarbeiten und jedes Mal neu programmieren. Wir waren davon überzeugt, dass man dieses Vorgehen vereinfachen kann. Unser Konzept bestand darin, eine Zwischenebene einzuziehen und so ein generalisiertes Bild zu schaffen. Wir haben dadurch dieses Bild entkoppelt, abgekapselt von der eigentlichen Aufgabenstellung. Der Kunde greift dann nur auf dieses generalisierte Bild zu und kann sein System auf diese Weise sehr schnell mit der Hardware an wechselnde Anforderungen anpassen und dabei eine einmal erstellte Bildverarbeitungsroutine im Prinzip weiter nutzen.
Auf dieses generalisierte Bild haben wir dann noch Software-Werkzeuge gesetzt und auch andere Firmen eingeladen, auf dieses generalisierte Bild aufzubauen. Für ein neu angebotenes Tool stand dem Entwickler dann sozusagen die komplette Community als potenzielle Nutzergruppe zur Verfügung. Nicht zufällig waren wir auch die treibende Kraft, die diese Standardisierung nach vorne getrieben hat. Das ist definitiv ein Meilenstein gewesen.
Was dann noch zur Aufgabenlösung fehlte, war die Software-Algorithmik. Da gab es natürlich ebenfalls viele Anbieter, aber die Verwendung solcher Softwarepakete war immer sehr zäh und die Programme waren auch teilweise fehlerhaft. Die Ergebnisse erreichten nicht das 100%-Ziel, sondern man ist immer, bildhaft gesprochen, an der 97%-Hürde gescheitert. Es gab zu viele Merkmale, die nicht oder nicht zuverlässig genug erkannt wurden.
Wilhelm Stemmer: Der Meilenstein war eben nicht nur der, dass wir auch Software verkaufen konnten, sondern dass wir es unseren Kunden einfacher gemacht haben, bei uns einzukaufen. Wir haben einfach die Verantwortung für das einfache Zusammenspielen der von uns verkauften Komponenten verschiedener Hersteller übernommen. Dieses Konzept führte natürlich auch automatisch zu einer großen Kundenzufriedenheit und -bindung.
2001 kam es zu einer weiteren Entscheidung mit großer Tragweite. In diesem Jahr habe ich eigentlich schon die Weichen für meine Nachfolge gestellt und drei leitende Mitarbeiter an der Firma beteiligt und Herrn Zollitsch als weiteren Geschäftsführer eingesetzt. Auf diesen drei Säulen, Herrn Zollitsch, der das operative Geschäft in der Firma führt, Herrn Kersting, der unser Leiter der Technik und Entwicklung ist und Frau Hermes, die sich um die Logistik kümmert, baue ich heute auf. Das war für uns und für mich persönlich auf jeden Fall ein ganz wichtiger Schritt, denn es war praktisch schon zu dem Zeitpunkt eine Sicherstellung der Kontinuität nach innen und nach außen. Kunden, Lieferanten, wie auch Mitarbeiter hatten mit der Beteiligung einer jüngeren Generation eine klare Perspektive und die nötige Sicherheit für die Zeit nach mir. Ein weiterer Meilenstein war unsere europäische Ausrichtung. Wenn man sich unsere Entwicklung angeschaut hat, dann wuchs unsere Firma zwar immer über dem allgemeinen Marktwachstum. marktgerecht oder sogar über den Markt. Aber das war uns nicht ausreichend genug. Wir haben uns dann, jetzt als Team von Gesellschaftern, überlegt, was der nächste Schritt von Stemmer Imaging sein könnte? Wir haben uns dafür entschieden, uns europaweit zu etablieren. Das war ein mutiger Schritt. Wir haben uns in Firmen eingekauft und wir haben auch Firmen in Ländern neu etabliert. 2004 haben wir die Anteile einer englischen Firma gekauft und ein Schweizer Unternehmen übernommen. 2005 kam eine französische Firma hinzu. Es hat natürlich auch viel Arbeit bedeutet, diese Firmen zu integrieren. Wir haben diese Niederlassungen zu reinen Vertriebsorganisationen umstrukturiert und machen heute für diese die gesamte Logistik, Auftragsabwicklung, Rechnungsschreibungen, Auslieferungen, vom Standort Puchheim aus. Darüber hinaus bieten wir unseren Niederlassungen auch die technische Unterstützung und die Nutzung unserer Marketing-Ressourcen. Das heißt, diese damals noch eher kleinen Firmen hatten, mangels kritischer Größe, nur geringe Wachstumschancen. Mit unserer Hilfe wachsen diese jetzt zweistellig und sind profitabel.
Christof Zollitsch: Man kann sagen, dass unsere Niederlassung in England in den letzten sieben Jahren ihren Umsatz verdreifacht hat. Sie konnte letztlich auf Ressourcen zurückgreifen, die sie vorher als kleineres Unternehmen nicht hatte. Jetzt konnte man plötzlich auch Projektgrößen angehen, die jenseits der ursprünglichen Möglichkeiten waren.
Wilhelm Stemmer: Die vormals eher kleinen Firmen gehörten jetzt immerhin zu einem europäischen mit einem Umsatzvolumen von über 50 Mio €.
Sicher wünscht man sich als Unternehmer manchmal die berühmte Kristallkugel herbei, die den Blick in die Zukunft erlaubt. Sie gelten als exzellenter Analytiker, der die Zahlen im Griff hat. Wie kommt man auch ohne Kristallkugel von einer fundierten Analyse zur richtigen Weichenstellung?
Wilhelm Stemmer: Ich habe keine Kristallkugel, aber ich denke, ich habe ein gutes Bauchgefühl für Entwicklungen im Markt Ich glaube auch, dass ich ein ganz gutes Gespür für Menschen entwickelt habe. Zumindest habe ich in der Zeit, als ich noch alleine verantwortlich war, die richtigen Mitarbeiter eingestellt, die heute leitende Funktionen einnehmen und eben auch zu Gesellschaftern geworden sind . Wir versuchen, in unserer Firma eine Kultur zu etablieren, in der jeder Mitarbeiter eine größtmögliche Verantwortung übernimmt. Und wenn er diese Verantwortung richtig nutzt, entwickelt er sich und mit ihm die Firma. Ich setze unbedingt und sehr stark auf unsere Mitarbeiter.
Natürlich urteile ich auch über die Zahlen. Unterstützend führe ich auch viele Gespräche mit Unternehmern der unterschiedlichsten Branchen. Darunter sind auch Gespräche mit Mitbewerbern. Mit manchen von Ihnen trifft man sich auch mal zum Mittagessen. Ich war auch lange Jahre im Vorstand des VDMA aktiv, dort trifft man ebenfalls erfolgreiche Unternehmer unserer, wie auch anderer Branchen. Dadurch ergeben sich auch Einblicke in artverwandte Brachen, wie zum Beispiel in den Maschinenbau oder in die Sicherheitstechnik. Ich finde es einfach ganz wichtig, die Hand am Puls der verwandten Märkte zu haben und dieses Networking für die eigene Entwicklung zu nutzen.
Nein, ich habe keine Kristallkugel zur Verfügung. Mein Gefühl für den Markt setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Das sind einmal Zahlen, Daten und Fakten. Aber sehr wichtig sind für mich die sozialen Randbedingungen: Motivierte Mitarbeiter, gute Geschäftspartner und die richtigen Netzwerke im Markt.
Christof Zollitsch: Das, was wir noch tun, könnte man als "Coopetition" bezeichnen. Das heißt, man muss in der Lage sein, mit Firmen zu kooperieren, auch wenn man zeitgleich in einem anderen Bereich in einer Konkurrenzsituation steht. Das kann auch dieser sozialen Komponente zugerechnet werden. Das ist etwas, was wir zu Beginn der 90er Jahre schon aktiv betrieben haben. Wir haben immer ein offenes Gespräch mit unseren Marktbegleitern geführt und haben es dadurch zum Beispiel geschafft, die Messe VISION zu einem international führenden Event zu entwickeln. Das geht nur, wenn man gemeinsam in einem Markt zusammenarbeitet.
Da ist unsere Branche einzigartig, weil der Markt einfach noch zu stark wächst und viele Möglichkeiten offen lässt. Es ist noch kein richtiger Verdrängungswettbewerb da, auch wenn man im Kamerabereich die ersten Anzeichen dafür sieht.
Nicht nur die Führung eines Unternehmens, sondern auch die richtige Einschätzung des technologischen Fortschritts verlangt Weitsicht. Wie sieht Ihr Rezept aus, mit dem Sie das technisch Machbare mit dem ökonomisch Sinnvollen in Einklang bringen?
Christof Zollitsch: Bei uns sind viele Mitarbeiter eigenverantwortlich in Prozesse mit eingebunden. Natürlich kann es dadurch vorkommen, dass man plötzlich in Detailfragen unterschiedlicher Meinung ist. In solchen Fällen entscheiden wir dann nicht einfach top down, sondern die Geschäftsleitung ist dann Teil eines Entscheidungsprozesses, der sicherstellt, dass der betriebene Aufwand in vernünftigem Verhältnis zum Ertrag steht. Und so kann man tatsächlich die ökonomisch nicht sinnvollen Aktivitäten und Projekte auf eine gesunde Basis zurückführen. Aber eben mit dem gemeinsamem Verständnis, dass es tatsächlich manchmal besser ist, etwas eben nicht zu tun. Das heißt, wir treffen wichtige Entscheidungen sehr häufig im Team.
Wilhelm Stemmer: Hier hilft es auch, dass neben der operativen Geschäftsleitung in meiner Person noch eine andere, besondere Führungsperson da ist. Ich bin in meiner jetzigen Rolle wesentlich freier, jemanden mit etwas persönlicheren Worten zu motivierent. Ich denke, die Leute brauchen diesen Zuspruch. Man geht durchs Haus und ist eben auch derjenige, der hier und da besonderen Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter ausüben kann. Ich denke, dass ich dabei aufgrund meiner Lebensleistung auch besonders respektiert werde.
Das ökonomisch Sinnvolle und das Machbare sind auch für die Kunden und Partner von Stemmer Imaging wichtig. Was ist aus Ihrer Sicht die wesentliche Basis einer guten und lang andauernden Kundenbeziehung?
Wilhelm Stemmer: Ich denke, dass unsere Firma immer versucht, ein fairer Partner zu sein. Wir sind abhängig von zwei Gruppen. Das sind unsere Kunden und das sind unsere Lieferanten. Wir versuchen also fair mit diesen Lieferanten zu sein und auch mit den Kunden. Es gibt ja auch Statistiken, die zeigen, wie viel mehr es kostet, einen neuen Kunden zu finden als einen bestehenden Kunden zu halten. Wir haben Kundenbeziehungen, die weit über 20 Jahre hinausgehen. Schlussendlich soll es für den Kunden wie auch für uns eine Win-Win-Situation sein. So lange es das ist, schaffen wir das auch, einen Kunden zu erhalten.
Ein Unternehmensgründer, der wie Sie über Jahrzehnte auch das Unternehmen erfolgreich führt, wird auch gern als Patriarch bezeichnet. Sicher haben auch andere kluge und kreative Köpfe bei Stemmer Imaging Anteil am Erfolg. Wie sollte sich aus Ihrer Sicht das Verhältnis zwischen einem Unternehmer und seinen Mitarbeitern gestalten?
Wilhelm Stemmer: Der Begriff Patriarch ist sicher etwas zwiespältig zu interpretieren. Für mich ist der Patriarch so eine Art Schirmherr für seine Mitarbeiter. Ich möchte, dass meine Mitarbeiter morgens gerne in die Arbeit kommen, , dass sie sich gerne für das Unternehmen einsetzen und motiviert an dem Gesamtprojekt Stemmer Imaging mitwirken. Wir sind jetzt europaweit mittlerweile 160 Beschäftigte. Das sind, wenn man die Familien dazu rechnet, immerhin ca. 500 Menschen, deren Existenz am Unternehmen hängt.
Ein ganz wichtiger Faktor ist sicher auch der Respekt, den man sich gegenseitig zollt. Jeder Mitarbeiter ist eine Respektsperson an seinem Arbeitplatz. Wir haben viele eigene Produkte, wir haben unsere Software.,wir konfigurieren, wir verkaufen. Aber schlussendlich sind für mich unsere Mitarbeitern und ihr Wissen das größte Kapital.
Friedrich der Große soll gesagt haben, dass er Offiziere ohne Fortüne nicht brauchen könne. Wie viel Fortüne braucht man als Unternehmer?
Wilhelm Stemmer: Ich denke schon, dass man Fortüne braucht. Dennoch: Glück hat man nicht auf Dauer. Man muss in der Lage sein den Zeitpunkt zu erkennen, das Glück dann auch zu greifen und etwas daraus zu machen. Es ist doch offensichtlich, dass man nicht 40 Jahre Unternehmertum auf Glück basieren lassen kann.
Sie sind ohne Zweifel ein technikbegeisterter Mensch. Welche technologische Entwicklung der letzten 25 Jahre im Tätigkeitsfeld von Stemmer Imaging hat Sie am meisten überrascht oder beeindruckt?
Wilhelm Stemmer: Wir haben es gerade vorher angesprochen. Eine extreme Entwicklung war , als Microsoft und IBM zusammengingen und den PC kreiert haben. Dieser Schritt war etwas Besonderes und hat viele weitere technische Entwicklungen vorangetrieben, z.B. die Netzwerktechnik, auch die Miniaturisierung der Leistung, die wir heute haben. Ich glaube, das war der Ursprung für vieles. Und ich kann auch sagen, dass ich in den ganzen 40 Jahren einige Quantensprünge gesehen habe. An die Entwicklung eines Smartphones mit annähernd der Leistungsfähigkeit meines Arbeitsplatz-Computers hätte ich vor Jahren z.B. nicht geglaubt. Aber genau genommen hat es in unserem technischen Umfeld nichts gegeben, was revolutionär gewesen wäre. Alles war eher evolutionär.
Die technologische Entwicklung geht ungebremst mit Riesenschritten voran. Begriffe wie „Ambient Assisted Living" (AAL) lassen Spekulationen blühen, nach denen in naher Zukunft auch der private Lebensbereich mit Hochtechnologie durchwirkt sein wird. Vision Systeme werden da wohl eine wichtige Rolle spielen. Wenn Sie Science Fiction Autor wären, wie sähe bei optimistischer Sicht die Stemmer-Imaging-Welt in weiteren 25 Jahren aus?
Christof Zollitsch: Als ich Anfang der 90er Jahre angefangen habe, mich mit Bildverarbeitung auseinander zu setzen, hieß es, dass erst 10% der möglichen Applikationen gelöst seien. Zehn Jahre später gab es noch immer eine solche Zahl. Ich glaube, irgend jemand hat daraus dann 15% gemacht. Genauso unwissend, ob diese Zahl Substanz hat oder nicht. Heute könnte man möglicherweise von 20% ausgehen. Aber das würde immer noch darauf hindeuten, dass es eben noch 80% unerschlossenes Potential gibt. Unerschlossen aufgrund von Unkenntnis oder sei es, weil die richtigen Werkzeuge dafür noch nicht da sind.
Wenn mich jemand vor fünf Jahren gefragt hätte, ob ich daran glaubte, dass in der Saison 2012 die erste und zweite Fußballbundesliga mit Komponenten aus unserem Hause ausstaffiert sein würden, hätte ich nein gesagt. Heute steht in jedem Bundesliga-Stadion ein System von Stemmer Imaging. Und so gibt es noch mehrere Anwendungen, nicht nur im Entertainment-Bereich, sondern im medizinischen Bereich, im Haushaltsbereich, in der Altenbetreuung. Da wird es noch viele neue Anwendungen geben, über die man sich heute noch gar keine Gedanken macht. Bildverarbeitung wird in den kommenden Jahren in immer mehr Bereichen des täglichen Lebens eine immer wichtigere Rolle spielen. Auf diese künftigen Anwendungen bin ich schon sehr gespannt!
Auch außerhalb Ihres Unternehmens haben Sie die Technik und die Zukunft im Blick. Die Wilhelm Stemmer Stiftung widmet sich der Nachwuchsförderung in Naturwissenschaften und Technik. Welche Motive haben Sie zu dieser Gründung bewogen?
Wilhelm Stemmer: Die Motivation kommt aus der Tatsache, dass wir schon seit langem spüren, wie schwierig es ist, Ingenieure oder Techniker zu rekrutieren. Darüber hinaus geht es mir eigentlich darum, etwas von dem Positiven, was ich in den vergangenen 40 Jahren erhalten habe, zurückzugeben. Ich bin sicher ein sehr guter Steuerzahler, aber ich sehe nicht, dass meine Steuern immer so zielgerichtet eingesetzt werden, wie ich es vielleicht gerne hätte. Mit einer Stiftung kann ich doch direkter Einfluss nehmen.
Die Stiftung existiert erst seit zwei Jahren und ist eigentlich noch ein kleines Pflänzchen. Es gibt hier noch sehr viel Arbeit. Wir versuchen regionale Unterstützungsketten zu bilden. Wir statten Kindergärten mit Lehrmitteln oder mit anderen Hilfen aus, um Kinder schon früh für Technik zu interessieren und zu begeistern. Konsequenterweise unterstützen wir danach auch Grund- und weiterführende Schulen.. Der nächste Schritt ist dann die Förderung von Technikern und Studenten. Allerdings sind wir noch nicht mit viel Kapital ausgestattet. Im Moment ist die Stemmer Imaging unser größter Zustifter und wir sind noch auf der Suche nach weiteren Förderern.
Wie schätzen Sie unter all den aktuellen Gegebenheiten die Perspektiven für Ihre Branche am Technologiestandort Deutschland ein?
Christof Zollitsch: Die industrielle und technologische Kultur in Deutschland ist ideal für die Bildverarbeitung. Wir sind in der Lage über Grenzen hinweg zu denken und schnell zu reagieren, Partnerschaften einzugehen, die manchmal eben auch einen Marktbegleiter, einen Wettbewerber mit einbeziehen. Das ist wichtig. Das ist richtig. Und da haben wir wahrscheinlich einen kulturellen Vorteil gegenüber der asiatischen Arbeitskultur.
Wilhelm Stemmer: Ich denke, dass Deutschland mittel- und langfristig als Standort für Technologieunternehmen eine absolut solide Basis bietet und wir werden als wichtiger Spieler dabei sein.