Bildverarbeitung

Hyperspektrale Bildverarbeitung erobert die Industrie

Funktionsweise und Einsatzbereiche der spektroskopischen Analyse

18.03.2020 -

Während übliche 2D- und 3D-Vision-Systeme die Qualität von Objekten überprüfen, indem sie bestimmte Fehlermerkmale an der Oberfläche erkennen, geht die hyperspektrale Bildverarbeitung (HSI: Hyperspectral Imaging) noch einen Schritt weiter: Mithilfe dieser Technologie kann eine spektroskopische Analyse von Objekten erfolgen, um organische oder anorganische Verunreinigungen festzustellen – und zwar nicht nur an der Oberfläche, sondern teilweise auch im Inneren der inspizierten Materialien.

Hyperspektrale Bildverarbeitungssysteme nutzen meist 100 oder mehr Wellenlängen und verwenden dazu einen Spektrographen, der das vom Objekt reflektierte Licht in sein Spektrum zerlegt und auf den Sensor der eingesetzten Kamera abbildet. Die auf diese Weise entstehenden Bilder setzt ein HSI-System zu einem dreidimensionalen hyperspektralen Datenwürfel zusammen, der sehr große Datenmengen enthalten kann. Als Ergebnis entsteht dadurch ein chemischer Fingerabdruck des betrachteten Objekts, der ein genaues Bestimmen der vorliegenden Materialeigenschaften ermöglicht. Mithilfe einer speziellen Auswertesoftware lässt sich im Anschluss jeder erkannte chemische Bestandteil mit einer eigenen Farbe in den aufgenommenen Bildern kennzeichnen, um die vorliegenden Stoffe zu visualisieren. Die dabei eingesetzte Technologie nennt sich Chemical Colour Imaging (CCI).

Vielfältige Anwendungen

„Hyperspektrale Bildverarbeitung eignet sich für unterschiedlichste industrielle Anwendungsbereiche und bietet in bestimmten Fällen Lösungen für Aufgaben, an denen übliche Bildverarbeitungssysteme scheitern“, erläutert Markus Burgstaller, Geschäftsführer des Grazer Unternehmens Perception Park, das sich vor einigen Jahren auf diese Technologie spezialisiert hat. Als ein Anwendungsbeispiel nennt Burgstaller die Klassifizierung von Stoffen, die sich optisch nicht unterscheiden, chemisch jedoch nicht identisch sind: „Kunststoffe verschiedener Zusammensetzung können sehr ähnlich aussehen und sind daher mit herkömmlicher Bildverarbeitung kaum zu unterscheiden. HSI-Systeme analysieren hingegen die chemischen Eigenschaften und erkennen die Materialien daher sehr sicher. Auch die Konzentration und Verteilung von Inhaltsstoffen lässt sich mit dieser Technologie weitgehend und in Echtzeit erfassen.“

Eine Besonderheit von Hyperspektralsystemen macht sie für bestimmte Anwendungsfälle besonders attraktiv: Einige Stoffe sind für sichtbares Licht nicht transparent, können aber von Infratrot-Licht durchdrungen werden. Dadurch ist es möglich, die chemische Zusammensetzung von verpackten Inhalten durch eine entsprechend ausgelegte Verpackung hindurch zu prüfen. Anwendungen, in denen diese Eigenschaft zum Tragen kommt, finden sich nach Burgstallers Aussage vor allem in der Pharma- und der Lebensmittelindustrie, aber auch in zahlreichen anderen industriellen Segmenten.

Fehlererkennung in der Pharmaindustrie

Wie in vielen anderen Bereichen auch nehmen die Produktionsgeschwindigkeiten in der Pharmain-dustrie weltweit rasant zu. Um das Risiko von Produktrückrufen zu verringern und Verbraucher vor kontaminierten Arzneimitteln zu schützen, gelten in dieser Branche besonders strenge Sicherheitsvorschriften. Bildverarbeitungssysteme sind bei der Herstellung von pharmazeutischen Produkten daher bereits seit einiger Zeit Stand der Technik, um Produkte in Echtzeit nach Kriterien wie Form, Größe oder Gewicht zu bewerten. Durch den Einsatz von hyperspektralen Bildverarbeitungs- und CCI-Systemen lässt sich die Überwachung von Pharmaproduktionsprozessen jedoch noch weiter verbessern: So lassen sich Pharmazeutika damit zu 100 % auf ihre molekularen Eigenschaften hin untersuchen.
Ein typischer Anwendungsfall von HSI-Systemen in der Pharmaindustrie ist die Inspektion der Be-schichtung von Retard-Tabletten. Diese Medikamentenform gibt den Wirkstoff nach seiner Verabreichung über einen längeren Zeitraum oder an ein bestimmtes Ziel im Körper ab. Entscheidend für die-se kontrollierte Abgabe des Wirkstoffs ist die Retard-Beschichtung der Tablette: Ist sie beschädigt oder fehlt sie komplett, gelangt die Arznei schneller als gewünscht in den Körper und verfehlt seine Langzeitwirkung.
Mit einer Kombination aus HSI- und CCI-Technologie lässt sich die Qualität von Retard-Medikamenten sicher kontrollieren, erläutert Markus Burgstaller: „Mit einer im NIR-Bereich arbeitenden Hyperspekt-ralkamera und der Anwendung der Chemical Color Imaging-Technologie mit unserer Software-Suite Perception Studio konnten wir eindeutig nachweisen, dass zuvor künstlich erzeugte Beschichtungsfehler mit 100 % Sicherheit und auch in der Hochgeschwindigkeitsproduktion in Echtzeit erkennbar sind.“ Auch durch Blisterverpackungen hindurch ist diese Qualitätsprüfung möglich, sofern das Blis-termaterial nicht aus Aluminium besteht, das die NIR-Strahlung reflektieren würde.

Laut Burgstaller ist die Prüfung von Retard-Beschichtungen nur eine von vielen Anwendungsmöglich-keiten der HSI-Technologie in der Pharmaindustrie. Mit ihr lässt sich außerdem sicher kontrollieren, ob Tabletten in korrekter Zahl, unbeschädigt und ohne Fremdkörper in Blister verpackt sind, ob die richtigen Inhaltsstoffe in Arzneimittelkapseln enthalten und ob diese vollständig verschlossen sind. „Hyperspektrale Bildverarbeitung bietet zahlreiche Einsatzoptionen im Bereich Pharma und erhöht damit die Sicherheit für Patienten und Hersteller.“

Mehr Sicherheit in der Lebensmittelproduktion

Bei der Herstellung von Lebensmitteln gelten ähnliche Vorgaben wie in der Pharmaindustrie: Um Gesundheitsgefährdungen der Konsumenten auszuschließen, dürfen sich keine Fremdkörper in den Produkten befinden. Die Lebensmittel müssen zudem exakt die Inhaltsstoffe aufweisen, die vom Her-steller gewollt und in den Produktbeschreibungen für den Käufer definiert sind.

Auch für diese Branche bieten HSI und CCI zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. So vereinfachen diese Techniken das Auffinden von Verunreinigungen in Lebensmitteln und identifizieren auch in Hochgeschwindigkeits-Fertigungslinien Fremdkörper wie Steine oder Erde beim Sortieren von Kartoffeln, Karotten oder anderem Gemüse sowie Schalenteile oder andere Stoffe bei der Herstellung von Nüssen. Bei zu langer Lagerung von Lebensmitteln können sich auch Maden einnisten oder frisches Obst kann anfangen zu faulen, so Burgstaller: „In der Lebensmittelproduktion besteht die Aufgabe, neben der Erkennung von Störstoffen oft auch darin, verfaulte, unreife oder mit Schädlingen beziehungsweise Schimmel befallene Ware zu detektieren. Diese und viele weitere Qualitätsmängel lassen sich durch hyperspektrale Bildverarbeitungssysteme sicher ausschließen.“

Industriell hergestellte Lebensmittel wie Wurst und Käse werden dem Verbraucher meist in eingeschweißter Form zum Verkauf angeboten. Analog zur Pharmaindustrie erlauben HSI-Systeme auch hier in vielen Fällen Qualitätsprüfungen durch die Verpackung hindurch. Eine besondere Aufgabe ist hierbei die Kontrolle von Siegelnähten, die eine absolut dichte Verpackung der Lebensmittel garantie-ren sollen. Schon kleinste Verunreinigungen oder Beschädigungen an diesen Siegelnähten können jedoch zu undichten Verpackungen und zum Verderben der Ware vor dem errechneten Mindesthalt-barkeitsdatum führen. Unverkäufliche Produkte oder teure Rückrufaktionen wären dann mögliche Fol-gen für Hersteller in diesem Bereich, die sich durch den Einsatz von hyperspektraler Bildverarbeitung in vielen Fällen vermeiden lassen.

Hyperspektralsysteme in der Holzverarbeitung

In den letzten Jahrzehnten haben die Technologien zur Holzverarbeitung außerordentliche Fortschritte gemacht. Auch in diesem Anwendungsfeld finden sich viele Optionen, um Produkte wie Schnittholz, Holzwerkstoffe, Holzhackschnitzel sowie Papier- und Papierprodukte mit HSI-Systemen auf ihre Qualität zu prüfen.
Das Erkennen von Defekten wie Harztaschen oder Astlöchern ist eine häufige Aufgabenstellung in dieser Branche, die sich mithilfe eines Hyperspektralsystems in Kombination mit einer Nahinfrarot-Hyperspektralkamera lösen lässt. Harz im Holz lässt sich dabei auch dann noch identifizieren, wenn es von einer dünnen Holzschicht bedeckt ist. Auch Klebstoffe, die im Produktionsprozess häufig zum Ausgleich kleiner Löcher mit Füllstoffen eingesetzt werden, werden durch Chemical Color Imaging sichtbar – eine Aufgabe, an der herkömmliche Bildverarbeitungskameras oft scheitern, da der Klebstoff in der Regel durchsichtig ist.
Ein weiteres wichtiges Merkmal von Holz ist seine Feuchtigkeit. Mit HSI-Analysen lassen sich feuchte Stellen am Holz eindeutig nachweisen und als CCI-Bild darstellen. Es ist sogar möglich, ein Wahrnehmungssystem zur Messung des Wassergehalts zu kalibrieren. Durch die Anpassung einer Hyperspektralkamera an ein solches kalibriertes System verwandelt Chemical Color Imaging das Kamerasystem in eine leicht verständliche Feuchtigkeitskamera für Holz und kann in jedes Bildverarbeitungssystem im-plementiert werden.
„Für qualitativ hochwertige Holzprodukte ist die zuverlässige Erkennung solcher Mängel eine zwingende Voraussetzung“, betont Burgstaller. „HSI-Systeme bieten dieser Branche ein leistungsfähiges Werkzeug, um unerwünschte Qualitätsmängel vorzeitig zu umgehen.“

HSI-Systeme sortieren Kunststoffe

Kunststoffe sind auch am Ende ihrer Lebensdauer noch zu wertvoll, um sie einfach wegzuwerfen. Wenn das volle Potenzial der besten Recycling- und Energierückgewinnungsmethoden auf die aktuell deponierten Kunststoffabfälle angewendet werden würden, ließen sich viele Millionen Tonnen Kunststoffe zusätzlich recyceltn. Möglich wäre dadurch zudem eine zusätzliche Erzeugung von großen Mengen an Wärme und Strom.
Für derartige Verbesserungen sind geeignete Maßnahmen erforderlich, um die Deponierung von Kunststoffen zu stoppen und rückgewinnungsorientierte Sammelsysteme einzurichten. Diese müssen mit moderner Sortierinfrastruktur und verbesserten Recycling- und Verwertungsprozessen in Einklang gebracht werden, um das volle Potenzial dieser kostbaren Ressource auszuschöpfen. Recycelte Kunststoffe können in vielen Produkten des täglichen Gebrauchs wiederverwendet werden, z.B. in Kleidung, in Fahrzeugteilen, in Verpackungsprodukten und zu vielen weiteren Zwecken. Aktuell wird jedoch zu wenig Kunststoff recycelt, obwohl innovative Technik wie das Perception Studio von Perception Park die erforderlichen Möglichkeiten dafür bietet.
„Eine Unterscheidung z.B. zwischen Polypropylen und Polyethylen oder anderen, auf den ersten Blick sehr ähnlichen Materialien ist mithilfe der hyperspektralen Bildverarbeitung problemlos möglich. Mit unserem Perception Studio können entsprechende Systeme sogar von Personen entwickelt werden, die wenig oder gar keine Erfahrung mit dem Thema Spektroskopie haben. Die technischen Möglichkeiten für einen deutlichen Ausbau der Recyclingquoten von Kunststoffen sind also vorhanden und sollten aus Umweltschutzgründen erheblich mehr genutzt werden“, wünscht sich Burgstaller.

Kontakt

Perception Park GmbH

Wartingergasse 42
8010 Graz

+43 316 931 269 100

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