Hochgeschwindigkeitsmikroskopie zur Qualitätskontrolle
Piezoantriebe in echtzeitfähigen Autofokus-Systemen erweitern das Anwendungsspektrum von Mikroskopieverfahren
Viele großflächige Objekte müssen zur Qualitätskontrolle auf mikroskopisch kleine Details untersucht werden. Vor allem wenn hohe Auflösung gefordert ist, können konventionelle Mikroskopieverfahren nicht mit der Geschwindigkeit der heute üblichen Automatisierungstechnik Schritt halten. Dank neuer Hochdurchsatz-Mikroskopiesysteme hat sich das nun geändert. Piezoaktoren als Antriebe in ihren echtzeitfähigen Autofokus-Systemen spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Sowohl in der Elektronik- und Halbleiterfertigung als auch in der Biotechnologie oder Pharmazie ist das Problem bekannt: Bei großflächigen Proben wie Platinen oder Mikrotiterplatten dauern mikroskopische Aufnahmeprozesse bei hohen Vergrößerungen oft sehr lange, denn bis zu mehreren zehntausend Einzelaufnahmen müssen erstellt und ausgewertet werden. Dabei muss der Probentisch das Objekt für jede Einzelaufnahme exakt positionieren. Aus Zeitgründen wird daher vielfach auf eine 100-Prozent Prüfung verzichtet und es bleibt bei Stichprobenuntersuchungen an einigen ausgewählten Stellen.
Jetzt hat sich das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT in Aachen mit dieser Problemstellung befasst. Das Institut ist unter anderem darauf spezialisiert, Systemlösungen aus einer Hand für produzierende Unternehmen zu erarbeiten, wobei die Schwerpunkte in den Bereichen der Prozesstechnologie, der Produktionsmaschinen, der Mechatronik, der Produktionsqualität und Messtechnik sowie des Technologiemanagements liegen.
Das IPT hat als Lösung einen neuen Aufnahmeprozess entwickelt, mit dem großflächige Objekte in Sekundenschnelle mikroskopiert werden können. Erstmals wird so eine mikroskopische 100-Prozent-Prüfung im industriellen Umfeld möglich.
Messen On-the-Fly für hohe Bildraten
Bei diesem Verfahren bewegt der Tisch das Objekt im Gegensatz zum herkömmlichen „Stop-and-Go“-Betrieb kontinuierlich mit konstanter Verfahrgeschwindigkeit während der Aufnahme. Die Probe kann dadurch mit sehr hohen Bildraten, je nach Kamera mit mehr als 100 fps, digitalisiert werden. Da das Objekt dabei nur extrem kurz mit einem Blitz beleuchtet wird, gibt es keine Bewegungsunschärfe. Der zeitoptimierte Scanprozess ist mit einem echtzeitfähigen Datenhandling und Bildverarbeitungsschritten kombiniert. Selbst rechenintensive Aufgaben wie Stitching-Prozesse laufen nahezu ohne Verzögerung ab. Einzelaufnahmen lassen sich noch während die Messung nahtlos zum Gesamtbild zusammenfügen. Das ist vor allem der hohen Rechenleistung des Systems und der ausgereiften Software zu verdanken, aber auch die eingesetzte Hardware trägt dazu bei.
So gilt es, während des kontinuierlichen Scannens den Fokus nachzuregeln. Denn die Oberflächentopologie überschreitet die Schärfentiefe eines Objektives bei Weitem, sei es in der Biotechnologie aufgrund der Unebenheiten der spritzgegossenen Kunststoff-Mikrotiterplatten oder in der Elektronikfertigung bei unterschiedlich hohen Bauteilen auf der Platine oder aufgrund von Verkippungen des gesamten Wafers. Die Oberfläche kann nur dann scharf abgebildet werden, wenn der Fokus rechtzeitig nachgeregelt wird. Für mikroskopische Aufnahmen aus der Bewegung ist also eine echtzeitfähige Autofokusfunktion erforderlich; der Fokus muss präzise und dynamisch in Richtung der optischen Achse justiert werden.
Piezoaktoren und ihre Eigenschaften
Diese Aufgabe übernehmen piezobasierte Antriebssysteme. Mit einem Stellweg von bis zu etwa 500 µm sind sie für die Autofokusanwendungen gut geeignet. Zudem sind sie Schrittmotoren im Hinblick auf Genauigkeit und vor allem Dynamik deutlich überlegen. Darüber hinaus profitiert die Mikroskopie noch von einer Reihe weiterer Eigenschaften der Piezoantriebe: Piezoelektrische Materialien wandeln elektrische Energie direkt in mechanische um und umgekehrt. Für die Positionierung wird die Bewegung genutzt, die entsteht, wenn eine elektrische Spannung an ein piezoelektrisches Material angelegt wird. Aktoren, die auf diesem Piezoeffekt basieren, bewegen sich mit Auflösungen im Sub-Nanometerbereich bei hoher Dynamik und mit Scanfrequenzen bis zu mehreren hundert Hertz. Da die Bewegung auf kristallinen Effekten beruht, gibt es keine rotierenden oder reibenden Teile, weshalb Piezoaktoren praktisch wartungs- und verschleißfrei sind.
In den Hochgeschwindigkeitsmikroskopen setzt das Fraunhofer IPT die PIFOC-Z-Antriebe von Physik Instrumente (PI) ein, dem führenden Hersteller von Positioniersystemen mit Genauigkeiten im Nanometerbereich. Die Antriebe des Karlsruher Unternehmens bieten für solche Anwendungen ideale Voraussetzungen. Sie können sehr klein und steif gebaut werden . Dadurch reagieren sie mit kurzen Ansprechzeiten und positionieren durch die gute Führung auch bei verhältnismäßig großen Verfahrwegen bis 500 µm sehr präzise.
Die spielfreie und hochgenaue Festkörperführung sorgt für eine hohe Fokusstabilität. So kann im Bereich unter einem Nanometer fein positioniert werden. Die Anforderungen an die Genauigkeit sind für Piezosysteme in der beschriebenen Anwendung jedoch eher mäßig, da lediglich genauer positioniert werden muss als die Schärfentiefe des Objektivs. Wichtig sind allerdings die Wiederholgenauigkeit und die kurze Einschwingzeit von weniger als 10 ms. Somit verhindert der Piezo-Antrieb, dass das Objekt bei hohen Scangeschwindigkeiten aus dem Fokus läuft. Zusammen mit Direktmetrologie, kapazitativen Sensoren und Digitalcontrollern erreichen die Piezoantriebe höchste Linearitäten mit maximal 0,06 % Abweichung. Die kapazitiven Sensoren messen direkt und berührungslos den bewegten Teil der Mechanik. Weder Reibung noch Hysterese beeinträchtigen die Messung. Die Objektiv-Position lässt sich genau dem jeweiligen Einzelbild zuordnen.
Einfache Integration
Das IPT nutzt zur Ansteuerung einen Digital-Controller E-709 mit Linearisierungsalgorithmen, der einfach über eine analoge Schnittstelle an das Gesamtsystem angebunden werden kann. Auch die Antriebe selbst ließen sich mit ihrem Schnellverschlussadapter gut integrieren. Nach dem Einschrauben des Adapters in den Revolver wird der Antrieb darin in der gewünschten Ausrichtung befestigt. Da der Objektivpositionierer selbst nicht gedreht werden muss, ist die Kabelführung unproblematisch. Für Anwendungen, in denen ein besonders großer freier optischer Durchgang erforderlich ist, gibt es eine Variante mit 29 mm freier Apertur im Gewindeeinsatz. Der Mikroskopie unter industriellen Bedingungen erschließen sich damit völlig neue Möglichkeiten; Piezoantriebe haben dazu beigetragen.
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Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
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