Heiße Muster
Neue Erkenntnisse dank 16k-Zeilenkamera
Um die Qualität von Stahlblöcken zu beurteilen, mussten bisher per Hand entsprechende Poolprofile konstruiert werden. Mit Hilfe einer Zeilenkamera wurde dieser Prozess nun optimiert und automatisiert. Ein Ergebnis: Weitere interessante Strukturen werden zur Bildauswertung sichtbar.
Bei Stählen und Legierungen mit speziellen technologischen Eigenschaften, welche in hochbeanspruchten Anwendungen eingesetzt werden, müssen ein hoher Reinheitsgrad und eine gute Gefügehomogenität sichergestellt sein. Diese Forderungen sind nur durch ausgewählte Sonderschmelzverfahren, wie dem ESU-Verfahren zu gewährleisten.
Prozessparameter optimieren
Dabei werden konventionell oder mit Hilfe der Vakuummetallurgie hergestellte Blöcke (Elektroden) durch Aufschmelzen in einem flüssigen Schlackenbad und Wiedererstarren in einer wassergekühlten Kokille (Umschmelzen) zu neuen Blöcken mit verbesserten Eigenschaften umgewandelt. Das von der Elektrodenspitze abtropfende Metall lässt sich durch intensive Wechselwirkung mit der Schlacke von unerwünschten Begleitelementen reinigen.
Um die Prozessparameter solcher Anlagen zu optimieren, stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Bei der metallographischen Methode wird eine Scheibe durch Trennen des Blocks in der Längsachse mit nachfolgendem Schleifen und Ätzen gewonnen. Diese Scheibe zeigt die Ausbildung der erstarrenden Metallschmelze. Hierbei sind vor allem die Richtung der transkristallinen Körner (länglich gestreckt) und der globulitischen Zonen (kugelig) zu unterscheiden. Die Wachstumsrichtung ändert sich vom Rand zum Zentrum, von einer horizontalen Orientierung hin zu einer vertikalen. Im rechten Winkel zur Wachstumsrichtung steht das sog. Poolprofil, welches wichtige Kennwerte für den Ablauf des Erstarrungsprozesses liefert.
Bei bisherigen Auswertungen haben die Metallurgen die Blöcke photographisch aufgenommen und die Orientierungen in mühsamer, zeitaufwändiger und subjektiver Weise auf Folien gezeichnet, welche über die entwickelten photographischen Bilder gelegt wurden. Aus den lokalen Orientierungen konstruierten sie danach die orthogonal dazu stehenden Poolprofile, deren Form und Homogenität Aufschluss über zeitliche Vorgänge während des Erstarrungsprozesses geben. In einem Projekt, das gemeinsam von Böhler Edelstahl aus Kapfenberg, Österreich, und Joanneum Research aus Graz durchgeführt wurde, konnte dieser Aufnahme- und Auswerteprozess nun optimiert und automatisiert werden.
Bilder in hoher Qualität
Die Aufnahme übernimmt in diesem System eine monochrome Zeilenkamera vom Typ e2v AViiVA SM2 mit 4.096 Bildpunkten. Die Auflösung im Bild beträgt damit 50 µm/Pixel. Damit können übliche Plattenbreiten in einem einzigen Scanvorgang aufgenommen werden, wobei ein Förderband die Platten unterhalb der Kamera transportiert. Eine spezielle Beleuchtung ermöglicht es, alle relevanten Merkmale in den Bildern - für den Betrachter besser sichtbar als die Originalansicht - darstellen zu können. Diese Bilder hoher Qualität, aufgenommen unter standardisierten Bedingungen, bilden die Grundlage für die nachfolgende Bildauswertung.
Um das Poolprofil manuell zu bestimmen, wertet der Metallurge unterschiedliche visuelle Merkmale aus, die mit freiem Auge erkennbar sind. In der Literatur findet sich hauptsächlich die Bestimmung aus der Richtung der Dendriten. Solche sind jedoch nicht überall sichtbar oder als solche eindeutig identifizierbar, sodass in weiten Regionen mit diesem Ansatz kaum Strukturinformation ableitbar sind.
Daher wurden für die Bildauswertung mehrere Ansätze geprüft, um alle strukturbestimmenden Merkmale mit Richtungsinformation als nutzbare Information mit einzubeziehen. Daraus lässt sich ein sehr viel dichteres Netz von Punkten mit lokalen Orientierungsinformationen gewinnen. In einem mehrstufigen Prozess mit Qualitäts- und Plausibilitätsüberprüfungen können störende Strukturen über eine Maskierung vor der weiteren Verarbeitung ausgeblendet werden. Die verbleibenden Bereiche erlauben es dann, sehr genaue Poolprofillinien zu errechnen, welche gut mit jenen in den Bereichen übereinstimmen, in denen eine manuelle Auswertung möglich ist.
Automatisierte Bildauswertung punktet
Die bisher mit den entwickelten Methoden erzielten Ergebnisse zeigen sich sehr stabil und wiederholbar bei der Ermittlung der Poolprofile. Durch die automatisierte Auswertung mit Plausibilitätsprüfung werden auch Merkmale in Regionen gefunden, welche in einer manuellen Begutachtung wegen nicht eindeutig identifizierbarer Zuordnung keine Verwendung finden. Durch den geringen Aufwand für die Auswertung und die Sicherheit, da für unterschiedliche Proben immer dieselben Methoden angewandt werden, können sowohl eine höhere statistische Sicherheit durch die Bearbeitung einer größeren Anzahl von Proben als auch weniger Streuung durch Subjektivität erreicht werden. Gleichzeitig ist durch die hochauflösende, digitale Aufnahmetechnik eine sehr gute und dauerhafte Dokumentation der Versuchsobjekte sichergestellt. Die bisherigen Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass bei Aufnahmen mit einer Auflösung bis zu 5 µm/Pixel weitere interessante Strukturen sichtbar werden. Diese bisher in der manuellen Auswertung nicht berücksichtigten Muster sollen in Zukunft ebenfalls systematisch ausgewertet werden. Da sich hierbei eine sinnvolle Texturbestimmung nicht nur auf sehr lokale Bereiche beschränken darf, sollen die Aufnahmen mit einer e2v ELiiXA+ Zeilenkamera mit 16.384 Pixeln pro Zeile erfolgen. Damit können Streifen von 8 cm Breite und beliebiger Länge mit einer Auflösung von 5 µm maßstabsgerecht und perfekt ausgeleuchtet erfasst werden. Die hohe Dynamik von 12 Bit ermöglicht es, auch Muster mit schwachen Kontrasten innerhalb einer Aufnahme zu erkennen, in der durch die metallischen Reflexionseigenschaften in vielen Bereichen sehr hohe Kontraste vorherrschen.
Neue Erkenntnisse über die Stahlerstarrung
Die Anwendung der automatischen Auswertung auf sehr hochauflösenden Bildern gibt den Materialwissenschaftlern neue Erkenntnisse über wichtige Vorgänge im Erstarrungsprozess von Stahl. Damit lässt sich die Qualität von Produkten weiter steigern und es kann wesentliches Grundlagenwissen für die Entwicklung und Optimierung neuer Produkte gewonnen werden. Dieses Projekt wurde im Rahmen von Comet, Embedded Computer Vision - ECV vom BMVIT und BMWFJ gefördert.
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