Heiße Fracht
Automatische Zustandsüberwachung von Gießpfannen
Der Transport von flüssigem Stahl ist, trotz hoher Sicherheitsstandards, mit erheblichen Risiken verbunden. Selbst die speziell für diese Zwecke entwickelte Feuerfestauskleidung der Transportpfannen hält der hohen Beanspruchung durch die Stahlschmelze nicht dauerhaft stand. Ein vollautomatisches Sicherheitssystem auf Basis von Infrarot-Bildverarbeitung ist in der Lage, die Feuerfestauskleidung der Pfannen kontinuierlich zu überwachen. Eventuelle Schwachstellen werden lange vor einem Durchbruch zuverlässig erkannt. Das System trägt damit wesentlich zur Erhöhung der Sicherheit in Stahlwerken bei.
Ein Versagen der Feuerfestauskleidung würde zu einem unkontrollierten Ausbruch einer großen Menge 1.500 °C heißen Stahls führen. Dass ein solches Szenario erhebliche Schäden verursacht und ein extrem hohes Sicherheitsrisiko für die Belegschaft bedeutet, lässt sich auch für Außenstehende leicht nachvollziehen. In einem Stahlwerk bei Duisburg kam es 2006 zu solch einem Zwischenfall, als 280 t flüssiger Stahl routinemäßig vom Ofen zum Konverter befördert wurden. Eine Schwachstelle in der überlasteten Feuerfestauskleidung genügte, damit sich der Stahl innerhalb weniger Sekunden durch die Gießpfanne „hindurch fraß", über dem Boden ausbreitete und sämtliche Betriebsmittel in der Umgebung zerstörte. Allein die Reparaturkosten beliefen sich auf ca. 10 Mio. €. Hinzu kamen die Kosten durch die Ausfallzeit des Werks.
Um sicher zu gehen, dass ihnen nicht ein ähnlicher Unfall erspart bleibt, veranlassten die Anlagenbetreiber von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt die Installation eines Sicherheitssystems zur kontinuierlichen Zustandsüberwachung ihrer Pfannen. Temperaturmessende Infrarotkameras erfassen dabei die Temperaturverteilung auf der gesamten Oberfläche der Pfanne. Die Kameras sind über ein Gigabit-Ethernet-Netzwerk mit einem Rechner verbunden, auf welchem eine speziell entwickelte Software ausgeführt wird. Diese Software steuert das gesamte System und wertet die von den Kameras gelieferten Bilder aus. Kritische Materialzustände werden vollautomatisch erkannt, lange bevor aus Sicherheitsgründen ein Produktionsstop veranlasst werden muss.
Gute Gründe zur Überwachung
Damit die Gießpfannen den extremen Temperaturbelastungen gewachsen sind, werden sie mit feuerfestem Keramik-Material ausgekleidet. Mit jedem Kontakt erodiert der heiße Stahl jedoch einen Teil der Keramikoberfläche, weshalb die Wandstärke der Auskleidung von mal zu mal abnimmt. Außerdem reagieren die Keramikziegel schockempfindlich, auch wenn sie aus einem robusten Material bestehen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann es zu Schwachstellen in der Auskleidung kommt und ein unmittelbares Sicherheitsproblem entsteht.
„Vor allem ist unsere Lösung ein Sicherheitssystem, das Personal und Anlagenteile schützen soll", erklärt Michael Wandelt, einer der Geschäftsführer von Automation Technology. „Des Weiteren verfügt das System aber auch über eine Datenbank zur Langzeit-Speicherung und -Auswertung der gemessenen Temperaturdaten. Durch Analyse der Messwerte lässt sich die verbleibende Verwendungszeit der Gießpfannen viel präziser bestimmen und Wartungszeiten im Voraus planen. Bisher beruhte die Festlegung der Einsatzzyklen dagegen auf Erfahrungswerten. Aufgrund der hohen Sicherheitsrisiken waren die Einsatzzeiten dabei sehr konservativ bemessen. Dabei kostet die Erneuerung der Feuerfestauskleidung einer Pfanne bis zu 40.000 €. Mit dem thermografischen Überwachungssystem sind die Anlagenbetreiber nun in der Lage, die Gießpfannen länger in Betrieb zu behalten, ohne ein erhöhtes Sicherheitsrisiko einzugehen. Zusätzlich können Wartungsintervalle zuverlässig geplant werden.
Kameraeinsatz unter extremen Bedingungen
Vom Hochofen wird das Flüssigeisen zunächst auf dem Schienenweg in sog. Torpedowagen zum Stahlwerk transportiert. Das Innere der Torpedowagen ist ebenfalls mit Feuerfestmaterial ausgekleidet. Für die Zustandsüberwachung der Wagen wurden zwei Infrarotkameras beidseitig entlang des Schienenwegs montiert.
Im Stahlwerk erfolgen der Transport und die metallurgische Behandlung des Flüssigstahls in Pfannen. Für den Transport wird dabei ein Kran eingesetzt, welcher innerhalb des Stahlwerks vorgegebene Fahrstrecken abfährt.
Entlang der Fahrstrecke des Krans wurden vier wartungsfreie Infrarotkameras installiert, welche die gesamte Oberfläche der Pfanne erfassen. Während der Kran eine beladene Gießpfanne transportiert, fährt er durch jedes Sichtfeld der vier Kameras. Die Installation der Kameras erfolgte in einem Abstand von mehreren Metern zu den durchfahrenden Pfannen. Trotzdem herrscht auch an den Montageplätzen eine hohe Umgebungstemperatur. Die Infrarotkameras sind deshalb in speziellen Schutzgehäusen untergebracht. Das Innere der Gehäuse wird durch einen Luftstrom gekühlt, damit der Betrieb der Kameras nicht durch Überhitzung gefährdet wird. Die Schutzgehäuse selbst sind als Doppelkammer-Konstruktion ausgeführt. Sie verfügen über ein Fenster aus Germanium, welches im infraroten Spektralbereich transparent ist.
Jede Kamera ist für die Datenübertragung an ein Gigabit-Netzwerk angeschlossen und arbeitet unabhängig von den anderen drei Kameras. Der im Kontrollraum installierte Rechner ist mit 2 Intel Pro/1000 MF Dual-Port-Server-Adaptern ausgestattet, um die über Glasfaserkabel gesendeten Kameradaten aufzunehmen und abzuspeichern. Die speziell entwickelte Software IrMonitor von Automation Technology wertet die übertragenen Temperaturbilder vollautomatisch in Echtzeit aus und gibt bei kritischen Temperaturwerten einen Alarm an den Leitstand aus. Die Anbindung an das Prozessleitsystem erfolgt hochflexibel über verschiedene Schnittstellen, u. a. OPC-Server, Steuerung und Alarmausgabe über digitale Ein-/Ausgänge, Datenbank-Anbindung über ODBC, COM/DCOM-Automation-Interface und RS232. Durch die konsequente Auslegung des Systems für den Einsatz unter rauhen Umgebungsverhältnissen lässt sich auch unter den Bedingungen in einem Stahlwerk eine optimale, störungsfreie Funktion gewährleisten.
Intelligente Auswertung zur Vermeidung von Fehlalarmen
Die auf dem Rechner laufende Software analysiert während des Betriebes jedes einzelne von den Kameras übermittelte Bild. Anhand voreingestellter Objektmasken wird eine Pfanne automatisch erkannt, wenn sie am Kran in den Sichtbereich der Kamera fährt. Findet die Software eine Pfanne, so platziert sie einen Auswertungsbereich exakt über die Außenkontur. Der Auswertungsbereich wird dann während des Messvorgangs mit der Pfanne im Bild mitbewegt. Die Software analysiert pixelgenau die Temperaturwerte innerhalb des Auswertungsbereichs und vergleicht diese mit vorgegebenen Alarmschwellen. Alle Messwerte von Pixeln außerhalb des Auswertungsbereichs werden nicht berücksichtigt. Hohe Temperaturwerte, beispielsweise von im Bild erfassten Brennern oder Öfen, werden so vollständig ausgeblendet. Gerade in Stahlwerken, die eine Vielzahl von Objekten mit hoher Temperatur aufweisen, minimiert die beschriebene Art der Auswertung die Gefahr von Fehlalarmen. Gleichzeitig braucht der Kranführer den Kran für die Durchführung der Messung weder zu stoppen, noch ist er gezwungen, einen exakten Fahrweg einzuhalten.
Den Überwachungsvorgang konkretisiert Herr Wandelt wie folgt: „Nach den Erfahrungen des Stahlwerks kann die Anlagensicherheit garantiert werden, solange die Außentemperatur der Gießpfanne einen Wert von 400 °C nicht überschreitet. Sobald bei einer Messung eine Temperatur oberhalb des Schwellwerts festgestellt wird, generiert das System einen Alarm und sendet diesen an den Leitstand. Gleichzeitig wird das Bild mit dem kritischen Bereich der Pfanne im Leitstand angezeigt und die Identifikationsnummer der Gießpfanne ausgegeben. Anhand der Identifikationsnummer kann eine Grafik mit den bisherigen Messwerten der Gießpfanne dargestellt werden. Diese Information ermöglicht ggf. eine schnellere Beurteilung und vereinfacht die Entscheidung des weiteren Vorgehens."
Zusätzlich führt das System eine automatische Trendanalyse über die bisherigen Messungen an der jeweiligen Pfanne durch. Hierdurch werden plötzliche Temperaturanstiege zuverlässig erkannt, welche auf eine Schwächung der Feuerfestauskleidung, z. B. durch Abplatzen von Material, hindeuten.
Um die fehlerfreie Funktion und die Zuverlässigkeit der Messungen jederzeit zu gewährleisten, verfügt das System über vielfältige Selbstüberwachungsfunktionen. Beispielsweise ist im Sichtfeld jeder IR-Kamera ein Wärmestrahler positioniert dessen Temperatur hochgenau auf 70 °C konstant gehalten wird. Dieser Wärmestrahler liefert bei jeder Messung eine Temperaturreferenz. Fehler bei der Temperaturmessung können so vom System sofort erkannt werden. Weicht der Messwert an der Position des Wärmestrahlers zu stark von 70 °C ab, wird eine Störungsmeldung an den Leitstand gesendet.
Fazit
Die Zustandsüberwachung von Transportpfannen mit einen Infrarot-Bildverarbeitungssystem eröffnet für Stahlwerke eine neue Möglichkeit, um den Sicherheitsstandard deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig ermöglicht ein solches System die Vorhersage der Restlebensdauer der Feuerfestauskleidung. Die Pfannen können so ohne Risiko länger in Betrieb gehalten und Wartungsarbeiten zuverlässig geplant werden. Das System ist weitestgehend wartungsfrei und verfügt über vielfältige Schnittstellen und Selbstdiagnosefunktionen.
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