Ethercat erobert die Breitbandanwendungen
?Interview mit Martin Rostan, Direktor der Ethercat Technology Group
Auf der SPS 2019 zeigte die Ethercat Technology Group die Gigabit-fähige Schnittstelle Ethercat G. inspect hat aus diesem Anlass mit ETG-Direktor Martin Rostan über neue Anwendungen und Optimierungspotenziale für Ethercat gesprochen. Demnach soll Ethercat G insbesondere Anwendungen der industriellen Bildverarbeitung erschließen, wofür zuvor die Bandbreite nicht ausreichte. Zudem rechnet der ETG-Chef noch für das laufende Jahr mit Ethercat-G-Kameras, die dann etablierten Standards wie GigE oder USB3 Vision Konkurrenz machen.
inspect: Wo ist Ethercat derzeit in der industriellen Bildverarbeitung zu finden?
Martin Rostan: In der Regel gibt es zwei Anwendungstypen: Zum einen den klassischen Use Case, bei dem ich ein Bild triggern, aufnehmen, dann auswerten und zuletzt das Ergebnis in meiner SPS verarbeiten muss. Wenn dabei Bewegung im Spiel ist, dann ist es entscheidend, den Triggerpunkt in der Kamera möglichst genau zu setzen, um die Aufnahme mit der Bewegung zu korrelieren. Hier liegt sicherlich eine der Stärken von Ethercat, weil wir über unser „Distributed-Clocks-Verfahren“, bei dem wir den zeitlichen Abgleich der Netzwerkteilnehmer über verteilte Uhren managen, mit Abstand die genaueste Synchronisierung hinbekommen.
Zum anderen finden wir Ethercat in Anwendungen, in welchen ein bereits durch eine Smartkamera verarbeitetes Bild bzw. daraus gewonnene Informationen wie etwa Koordinaten an die Steuerung weitergegeben werden müssen. Die zu transportierende Datenmenge ist in solchen Fällen gering, was dem Feldbus natürlich entgegenkommt.
inspect: Was ändert Ethercat G mit 1 oder 10 Gbit Bandbreite nun, das Sie auf der SPS 2019 gezeigt haben?
Rostan: Wir erweitern damit den Einsatzbereich von Ethercat auf Teilnehmer mit einer höheren Bandbreitenanforderung. Sprich einzelne Teilnehmer mit großen Datenmengen können jetzt noch besser eingebunden werden, beispielsweise um datenintensive Bilder von einer Kamera direkt über den Feldbus zu übertragen.
inspect: Welche Vorteile ergeben sich dadurch für den Anwender?
Rostan: Der große Vorteil ist die Vielseitigkeit, die sich aus der Kombination von Ethercat und Ethercat G ergibt, Stichwort „best of both worlds“. Wir haben nun die Möglichkeit, einerseits die Teilnehmer, die große Bandbreiten benötigen, mit Ethercat G anzuschließen und andererseits die Teilnehmer, welche mit klassischem 100-Mb/s-Ethercat funktionieren, nahtlos in den Gigabit-Backbone einzubinden.
inspect: Welche Anwendungspotenziale sehen Sie?
Rostan: Wir sehen, dass im Bereich der IBV ein weiterer Use Case dazukommt, nämlich das Übertragen von Film zur Beobachtung von Prozessen – die Anwender wollen sehen, was innerhalb der Maschinen passiert. Hierfür genügen vergleichsweise einfache und damit kostengünstige Kameras. Wenn diese über Ethercat angebunden sind, können die Bilder leicht mit den Daten anderer Netzwerkteilnehmer korreliert werden. Damit lassen sich künftig Maschinen auf eine Weise optimieren, wie das bislang so nicht möglich war.
inspect: Haben Sie konkrete Beispiele für solche Maschinenoptimierungen?
Rostan: Optimierungspotenzial gibt es etwa bei Anwendungen, die man durch genaueres Verstehen eines Bewegungsablaufs beschleunigen kann. Wenn man beispielsweise durch zeitgenaues Beobachten eines Vakuum-Greifers erkennen kann, ab wann ein Bauteil zuverlässig angehoben werden kann, lässt sich der entsprechende Vorgang optimieren. Hierfür ist es aber erforderlich, sich die Kamerabilder relativ zu den jeweiligen Steuerungsschritten anzusehen, die Bilder müssen also im Echtzeitablauf der Steuerung mit Zeitstempeln versehen werden. Das geht am Einfachsten, wenn die Kamera direkt in den Steuerungsbus eingebunden ist.
Ein anderes Beispiel wäre die Bewegung eines Zylinders, für deren Beobachtung Sie nun nicht mehr nur einen Sensor zur Verfügung haben, der das Erreichen der Endposition meldet, sondern auch eine Kamera, welche die vollständige Bewegung beobachtet. Bislang konnte die Steuerung die nächsten Schritte nur sequenziell einleiten, jetzt lässt sich der Prozess beschleunigen, da die nachfolgende Aktion früher starten kann. Auch hierfür ist eine klare Zuordnung von Kamerabild und Zeit notwendig. Das erfordert neben Genauigkeit auch hohe Bandbreite und ist mit Ethercat G nun möglich.
inspect: Welche Änderungen bringt Ethercat G noch mit sich?
Rostan: Mit Ethercat G werden wir in Zukunft Kameras haben, die direkt in das Ethercat-Netzwerk eingebunden sind. Das bedeutet, dass sie viel einfacher ins Steuerungssystem integrierbar sind: Ein separates Kamera-Netzwerk mit Switchen und entsprechender Konfiguration, das manuelle Adresshandling und auch die zusätzliche Schnittstelle zur Steuerungssoftware entfallen. Die Daten der Kamera stehen der Steuerung unmittelbar, in Echtzeit und ohne Synchronisationsaufwand zur Verfügung.
inspect: Wann können wir damit rechnen?
Rostan: Derzeit sind wir noch dabei, die Spezifikationen für Ethercat G zu finalisieren. Ich gehe davon aus, dass wir im Laufe des Jahres solche Kameras sehen werden.
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