„Die Bildqualität bleibt auch bei großen Temperaturunterschieden stabil“
01.03.2023 - Interview mit Dr. Boris Lange, Manager Imaging Europe bei Edmund Optics
Mit den athermischen Bildverarbeitungsobjektiven gewann Edmund Optics den ersten Preis beim inspect award 2022. Die Objektive liefern scharfe Bilder auch bei großen Temperaturunterschieden, wie sie in der Luftfahrt beispielsweise vorkommen. Dr. Boris Lange, Manager Imaging Europe bei Edmund Optics, erläutert weitere Details im Interview.
inspect: Was ist das Besondere an den Athermischen Bildverarbeitungsobjektiven?
Dr. Boris Lange: Der Name nimmt es ja vorweg: Sie sind athermisch, passiv athermisch, um etwas genauer zu sein. Passiv heißt an der Stelle, man muss nicht aktiv die Temperatur managen, man braucht also keine Kühlung und auch keine Heizung. Dadurch wird die Bildqualität dieser Objektive, also die MTF, im gesamten Temperaturbereich von -10 bis plus 50 Grad gehalten und das sogar in sehr hoher Auflösung. Diese geht bis 200 Linienpaare pro Millimeter, auch bei einem sehr großen Sensor.
inspect: In welchen Anwendungen ist das relevant?
Lange: Bei Drohnen, zum Beispiel. Da fliegt man damit los, steigt auf und erreicht größere Höhen, wo es kühler ist. Bei normalen Objektiven wird das Bild bei, sagen wir 10 Grad Temperaturunterschied unscharf. Dieser Effekt lässt sich mit unseren athermischen Objektiven vermeiden.
inspect: Was sind die wesentlichen Maßnahmen, damit das funktioniert?
Lange: Das ist im Design einfach mehr Aufwand: Man muss die Gläser ganz genau anschauen, wie sie interagieren: Wie sind die einzelnen Linsen innerhalb des Objektivs gefasst? Wie und wohin bewegen sie sich hin bei einem Temperaturdrift? Auch bei einem Achromat beispielsweise, einem Linsensystem, das aus zwei zusammengeklebten Linsen besteht, muss man aufpassen, wie sie sich jeweils thermisch verhalten. So könnte sich die eine Linse mit der Temperaturveränderung doppelt so schnell ausdehnen wie die andere. Da kann man sich vorstellen, dass das Druck und Spannung erzeugt. Und irgendwann könnte sich die Verbindung lösen. Das alles zu beachten, erzeugt viele Einschränkungen für das Design.
Das braucht dann eben seine Zeit, weil man sehr detaillierte Analysen machen und iterativ vorgehen muss.
inspect: Wie lang war die Entwicklungszeit für die beiden Objektive?
Lange: Ich würde sagen, so eineinhalb Jahre vom Designkonzept bis zum fertigen Objektiv. Dabei haben wir auch mit Ruda Cardinal zusammengearbeitet, einem unserer Partner, der sich auf das Design von Linsensystemen spezialisiert hat. Die haben uns tatkräftig unterstützt, weil das für uns auch Neuland war.
Allerdings hatten wir dann erstmal das Objektivdesign. Damit werden zahlreiche Analysen gefahren und dann erst wird die Hardware bestellt. Allein das nimmt schon einen großen Teil der Zeit in Anspruch. Dann wird die Hardware zusammengeschraubt und muss noch getestet werden. Dafür muss man allerdings die entsprechende Metrologie erstmal haben. Das ist nämlich auch nicht unbedingt etwas, das es von der Stange gibt. Also war das schon ein sehr großes Projekt.
inspect: Was hat Edmund Optics an Neuheiten für das Jahr 2023 in der Pipeline?
Lange: Wir haben eine neue große Produktserie für nächstes Jahr geplant. Und zwar für ein Sensorformat, das wir heute noch gar nicht bedienen. Auch im Mikroskopiebereich wird sich was tun. Außerdem kommt auch hier eine komplett neue Produktserie.
Zusätzlich bauen wir wie jedes Jahr die vorhandenen Produktserien aus: Dazu gehören bei den telezentrischen Objektiven zwei neue Vergrößerungen für 1,1-Zoll-Sensoren, die auch dieses Jahr eine neue Serie erhalten haben. Mehr kann ich noch nicht sagen, es wird auf jeden Fall einiges sein.
inspect: Und was gibt es Neues zum Unternehmen selbst?
Lange: Wir haben in Tucson, Arizona, einen neuen Standort aufgebaut, wo wir kundenspezifische optische Systeme montieren. Darüber freuen wir uns sehr, weil das erstens eine Ergänzung zu unseren Komponenten aus dem Katalog ist und weil das zweitens ein sehr spannendes Geschäft ist.
Autor
David Löh, Chefredakteur der inspect