Controller für mehr Umweltschutz
Analyse-Verfahren reduziert Chemikalien-Bedarf bei der Klärschlamm-Entwässerung
In allen kommunalen und betrieblichen Abwasserreinigungsanlagen fallen erhebliche Mengen Klärschlamm an – 2018 waren es bundesweit etwa 1,7 Millionen Tonnen. Klärschlamm ist eine Mischung aus Wasser und Feststoffen, die nach der mechanisch-biologischen und chemischen Abwasserbehandlung übrigbleibt. Die Entsorgung des Schlamms erfolgt auf verschiedenen Wegen: Der größere Teil (2018: 1,4 Mio. t) wird in Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen oder in Kohlekraftwerken, Zementwerken und Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Ein kleinerer Teil wird als Dünger auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht. Damit der Schlamm möglichst platzsparend und damit kostengünstig transportiert werden kann, wird sein Volumen durch Entwässerung verringert. In Dekantern, Zentrifugen, Band- oder Kammerfilterpressen trennt man Wasser und Feststoffe durch Zugabe von Additiven voneinander. Diese Hilfsstoffe sorgen dafür, dass die Feststoffe ausflocken und eine Fest-/Flüssigtrennung besser funktioniert.
Kostenintensive Überdosierung der Chemikalien
Zur Ausfällung der Feststoffe im Klärschlamm verwendet man anorganische und organische Flockungsmittel. Da anorganische Flockungsmittel den nicht verbrennbaren Anteil im entwässerten Schlamm deutlich erhöhen, werden zur Schlammkonditionierung oft organische Stoffe wie z. B. organische Polymere eingesetzt. Die bedarfsgerechte Dosierung dieser Polymere ist allerdings schwierig, weil man dazu die genaue Kenntnis über die Polymer-Konzentration im Schlammwasser (Zentrat) haben muss. Das war bis vor kurzem nicht möglich, da nur sogenannte indirekte Verfahren zum Nachweis der Polymere existierten. „Das sind im Wesentlichen optische Methoden“, berichtet Michael Kocher von Anko Innovation + Beratung. „Man dosiert das Flockungsmittel anhand der Trübung des Schlammwassers, was im Grunde ein Trial-and-Error-Verfahren ist. Auf diese Weise lässt sich nicht genau quantifizieren, welche Polymer-Menge man braucht, um die gewünschte Massenreduktion durch Entwässerung zu erzielen.“ Die Folge: Bislang werden die Chemikalien in Abwasserreinigungsanlagen meist überdosiert, um auf Nummer sicher zu gehen. Das ist eine teure Praxis, da eine Kläranlage im Jahr je nach Größe organische Polymere im Wert von bis zu 500.000 Euro verbraucht.
Genaue Bestimmung der Polymer-Konzentration
Michael Kocher arbeitet seit über 20 Jahren als Umweltschutz- und Labortechniker im Bereich der Abwasseraufbereitung. Die Dosierungsproblematik beschäftigte ihn, und so entwickelte er in vierjähriger Arbeit einen Analysator (PolyLyzer), der die exakte Erfassung der Polymerkonzentration im Schlammwasser ermöglicht. Da er bei der Programmierung der Geräte-Steuerung unabhängig von externen IT-Profis sein wollte, suchte Kocher ein Tool, das er selbst bedienen konnte. Nach kurzer Internet-Recherche stieß er auf den Multifunktionscontroller (HE 5697 MFC) von Hesch, der speziell auf die Bedürfnisse der Prozesstechnik zugeschnitten ist. Der MFC erlaubt die Erstellung komplexer Ablaufsteuerungen ohne Programmierkenntnisse, sodass sich der Anwender die hohen Tagessätze für IT-Spezialisten spart und sein Know-how nicht mit betriebsfremden Personen teilen muss. Die mitgelieferte PC-Software EasyTool MFC arbeitet mit über 100 vorgefertigten Funktionsblöcken, die per Drag&Drop zum gewünschten Prozessablauf zusammengestellt werden können.
Mit dem MFC lassen sich Gefriergeräte ebenso steuern wie Schmelz- oder Warmhalteöfen. Er ist zudem auch als Prozessrechner oder Pumpensteuerung verwendbar. Der Multifunktionscontroller unterstützt nahezu alle Verfahren der Prozessindustrie und kann – anders als herkömmliche Regler – auch mehrere Prozesse gleichzeitig steuern. Damit schließt der Controller die Lücke zwischen einem Standardregler und einer häufig überdimensionierten SPS. Aufgrund des Bedienkonzepts und des leistungsfähigen Rechnerkerns sind Anwender bei der Gestaltung der Steuerungsabläufe sehr flexibel.
Kostenneutrale Anpassung der Steuerung bei Prozessänderungen
Das Herzstück des MFC ist eine sparsame, leistungsfähige CPU (ARM Cortex A8). Zudem verfügt der Controller über eine netzausfallgepufferte Echtzeituhr sowie über einen internen Speicher für Logdaten mit einer Kapazität von 2 GB. Der MFC kann über Profinet-, Profibus-, Modbus-, CAN-Bus- und HPR-Bus-Schnittstellen kommunizieren und wird bei Bedarf auch für den Betrieb mit weiteren Protokollen vorbereitet. Die Bedienung des MFC ist unkompliziert und erfolgt über ein resistives 3,5“-Display (320 x 240 QVGA), an dessen Frontseite sich vier frei programmierbare Funktionstasten und zwei LEDs für Zustandsanzeigen befinden. Für den sicheren Datentransfer steht ein galvanisch getrennter Mikro-USB-Port zur Verfügung.
Ergeben sich in einem Prozess Änderungen lässt sich die Steuerung kostenneutral anpassen und weiterentwickeln. Die I/O-Karten des MFC verfügen jeweils über zwei Universal- und Normsignaleingänge, Analogausgänge sowie sechs Digitalanschlüsse und sind leicht zu erweitern. Sie können mithilfe der HIMOD-Module von Hesch lokal oder dezentral um verschiedene Funktionen oder Sensoren ergänzt werden.
Analysator misst die Ladungsdichte im Schlammwasser
Nur eine Woche brauchten der Anko-Geschäftsführer und sein Team, um mithilfe des MFC die Ablaufsteuerung für den Analysator zu programmieren. „Ich habe das kostenlose Test-Kit bestellt und damit gleich einen rudimentären Prototyp erstellt“, erinnert sich Kocher. Als die erste Version der Steuerung fertig war, kaufte Kocher den MFC, um einen Vor-Prototypen seines Analysators zu entwickeln. Nach einem zweijährigen Test auf einer Abwasserreinigungsanlage war klar: Das Verfahren funktioniert.
Die Analysemethode von Anko macht sich die Tatsache zunutze, dass sämtliche Partikel in wässrigen Lösungen geladen sind. „Damit die darin enthaltenen Feststoffe ausflocken, müssen die Ladungen aller Partikel auf 0 ausgeglichen werden“, so Kocher. „Wir messen deshalb die Ladungsdichte im Schlammwasser, die ein Maß für die Konzentration der darin enthaltenen Chemikalien ist. Daneben messen wir auch die Ladung der Polymer-Partikel im Flockungshilfsmittel und wissen so, in welcher Menge es dem Klärschlamm zugegeben werden muss, um die optimale Ausflockung zu erzielen.“
Der Analysator fungiert dabei als vollautomatischer Labormitarbeiter: Er zieht selbstständig regelmäßig Proben des Schlammwassers, analysiert sie und übermittelt die Werte an die SPS in der Leitwarte der Kläranlage. Diese errechnet dann aus den Daten des Analysators und mithilfe eines von Anko mitgelieferten Algorithmus die exakte Dosierung des organischen Polymers. Nach jeder Probenentnahme spült sich der Analysator automatisch durch, einmal am Tag reinigt er sich zudem chemisch selbst. Gebaut wird das Gerät vom Kölner Industrieservice-Dienstleister Yncoris, die auch eng in die Entwicklung des Analysators involviert war. „Yncoris hat uns immer wieder Anregungen gegeben, die Patentschrift vorformuliert und den Prototyp gewartet und gereinigt“, so Kocher.
Optimierung des Flockungsmittels mit minimalem Personaleinsatz
Die Entwicklung des neuen Analyseverfahrens ermöglicht es Betreibern von Abwasserreinigungsanlagen, den Einsatz von Flockungsmitteln mit minimalem Personalaufwand zu optimieren. Durch die gezielte Dosierung der Hilfsstoffe können pro Kläranlage etwa 10 bis 20 Prozent der Additive eingespart werden – das entspricht Kosten von rund 50.000 bis 100.000 Euro im Jahr. Bei einem Test auf einer Anlage konnte der Chemikalienverbrauch um 30 Prozent reduziert werden.Nachdem ein verkaufsfertiger Prototyp noch einmal ein Jahr lang unter realen Bedingungen auf einer Kläranlage getestet wurde, geht der Analysator jetzt in den Verkauf und wird von dem Unternehmen KAM Analyse- und Messtechnik, ein Tochterunternehmen von Anko, vermarktet.
Autor
Werner Brandis, Geschäftsführung, Hesch Industrie-Elektronik GmbH
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