Bildverarbeitungssystem prüft richtige Montage von Bremsen bei Nutzfahrzeugen
BV-System mit GigE-Vision-Kameras prüft bei Scheibenbremsen die korrekte Montage
Unscheinbar wirkt die blau-graue Kabine am Ende der Kleinserienmontagelinie für Scheibenbremsen bei Knorr-Bremse im niederbayerischen Aldersbach. Dennoch hat sie eine qualitätssichernde Funktion: Denn jedes der auf den Werkstückträgern montierten Schwergewichte aus der Scheibenbremsen-Produktion wird im Arbeitsraum der Prüfkabine untersucht. Die Beleuchtung, drei Kameras und zwei Linienlaser, sind auf die Bremse gerichtet. Innerhalb von Millisekunden errechnet die zugehörige Software, ob die Scheibenbremse entsprechend der vorgegebenen Stückliste und Montagevorgaben richtig montiert ist und somit später im Fahrzeug funktioniert. Zudem ist in der Datenbank hinterlegt, ob ein eventueller Fehler durch ein Nacharbeiten noch behoben werden kann. „Eine Bremse ist das wichtigste Sicherheitsbauteil im Fahrzeug, da muss alles zu 100 Prozent stimmen, sie darf im Fahrzeug nicht ausfallen", erläutert Thomas Bauer, Projekt-Ingenieur für den Bereich Industrial Engineering Scheibenbremse bei Knorr-Bremse.
Bevor sich die Verantwortlichen bei Knorr-Bremse für das Bildverarbeitungssystem von Neupro-Solutions in Zusammenarbeit mit Allied Vision Technologies‘ Vertriebspartner Stemmer Imaging entschieden, mussten Produktionsmitarbeiter per Sichtkontrolle die Qualität der Bremsen prüfen. „Da eine Sichtprüfung immer unter dem menschlichen Einfluss steht, entschieden wir uns für eine prozessstabile und automatisierte Lösung", erinnert sich Thomas Bauer. Auf dieser Kleinserien-Linie stellt Knorr-Bremse das komplette Produktspektrum der Scheibenbremsen für Nutzfahrzeuge her, vom Sechs- bis zum 44-Tonner, vom Omnibus über die Zugmaschine bis hin zum Trailer-Bereich. „Aktuell gibt es um die 1.200 Varianten und die Anzahl steigt weiter", so Thomas Bauer.
In dieser Vielfalt lag auch die Herausforderung des Projekts. Zudem war die Zeitschiene mit nur vier Wochen, in denen das Projekt umgesetzt werden sollte, sehr eng gesteckt. Knorr-Bremse nutzte bereits seit 2004 in einem anderen Bereich in Aldersbach Bildverarbeitungssysteme. Nun suchte Thomas Bauer nach einem neuen, ganzheitlichen BV-System, das Hardware-unabhängig und nach oben hin offen skalierbar ist. Weiterhin sollte die Möglichkeit bestehen, eigene Applikationen beziehungsweise Software-Algorithmen zu implementieren.
Um diese Vorgaben zu erfüllen, überprüfte Thomas Bauer neue Applikationstechniken auch in Bezug auf deren Einsatzmöglichkeiten. Daraufhin kontaktierte er Jörg Schmitz, Vertriebsspezialist für Bildverarbeitungslösungen bei Stemmer Imaging. Im Beleuchtungslabor hatten Ingenieure von Stemmer Imaging in den vergangenen Jahren bereits diverse Applikationen rund um die Scheibenbremse getestet und auf Machbarkeit untersucht. Das Produktspektrum war also bekannt, sodass Jörg Schmitz basierend auf den Laborergebnissen die Komponenten auslegen konnte.
Variierende Stückzahlen und hohe Varianz
Um das Projekt im geplanten Zeitraum umzusetzen, kam es zu einer partnerschaftlichen Allianz zwischen drei Unternehmen. Stemmer Imaging lieferte die BV-Komponenten, damit Neupro Solutions als Gesamtverantwortlicher diese in ihr System integrieren konnte. Streicher Maschinenbau übernahm den Schaltschrankbau inklusive E-Plan, den mechanischen Bau der Prüfkabine und die Herstellererklärung.
„Aufgrund der niedrigen und nach Kundenwunsch variierenden Stückzahlen und der hohen Varianz in der Scheibenbremsen-Produktion haben wir eine Datenbank ins Spiel gebracht", erklärt Dieter Progl, Geschäftsführer bei Neupro. Da Neupro offizieller Partner des Datenbankherstellers Oracle ist, konnte er in kurzer Zeit eine passende Lösung für die Kombinatorik, bestehend aus Sachnummer und Prüfnummer, bereitstellen. Es handelt sich bei den Bremsen um dokumentationspflichtige, sicherheitsgerichtete Bauteile. Deshalb werden in der eingesetzten Datenbank sowohl die Bilddaten als auch die Prüfdaten archiviert und dann an die übergeordnete Steuerung weitergegeben. Die Schnittstelle zur SPS lieferte ebenfalls Neupro. Von dort holt Knorr-Bremse die Daten ab, um sie am Leitrechner weiter zu verarbeiten.
Rückverfolgbar bis zur einzelnen Schraube
Doch zunächst müssen die entsprechenden Daten der produzierten Scheibenbremsen in der Prüfkabine gesammelt werden. Dafür sorgen drei GigE-Vision-Kameras von Allied Vision Technologies mit Schneider-Optiken sowie zwei Linienlaser von Z-Laser in Kombination mit der Bildverarbeitungs-Software Sherlock von Teledyne Dalsa. Bei den Kameras handelt es sich um zwei Manta G-504C und eine Manta G-146C mit PoE. Ein Neupro-Sherlock-Plugin für Oracle überträgt die Daten schließlich an die Datenbank. „Die einzelnen Prüfalgorithmen sind global gehalten und werden über die Datenbank Sachnummern-bezogen aufgerufen. Zusätzlich ist die Möglichkeit gegeben, über die in der Datenbank gespeicherten Messdaten diese statistisch zu bewerten und entsprechend in den vorgegebenen Schwellwerten eine statistische Annäherung durchzuführen", so Dieter Progl.
Das Bildverarbeitungssystem ist zwar auf das Prüfdetail fixiert, das zu prüfende Teil kann aber variieren, sodass die hohe Varianz der zu prüfenden Teile kein Problem darstellt. „Die BV-Software lernt sich in gewisse Schwellenwerte, die vorgegeben sind, selbst ein. Als zusätzlicher Vorteil kann die Skalierbarkeit nach oben gezählt werden, sei es von der Anzahl der Prüfungen über die Anzahl der Kameras bis hin zu der Anzahl der Stationen", erklärt Thomas Bauer. „Zudem löst das Bildverarbeitungssystem verschiedene Aufgaben in einem", ergänzt Jörg Schmitz. Hierzu zählen die Laser-Triangulation, die Mustererkennung, die Farberkennung sowie die Vermessung der Bauteile.
Damit die Bilddaten nicht zu groß sind, fasst das System jeweils drei Original-Bilder zusammen, komprimiert sie auf jpg-Format und speichert sie zusammen mit der Seriennummer ab. „Falls es nötig ist, haben wir so in Sekundenschnelle alle Dokumente zu der gesuchten Bremse parat. Und dann wissen wir genau, welche Teile verbaut sind. Die Rückverfolgbarkeit ist also bis auf jede einzelne Schraube hinunter möglich", erläutert Thomas Bauer den Vorteil.
Automatische Prüfung nach jedem Chargenwechsel
Eingebaut wurde das Bildverarbeitungssystem bei laufender Produktion. Schaltschrank und mechanischer Aufbau sind so konstruiert, dass das Bildverarbeitungssystem ohne Anlagenstillstand in Betrieb gehen konnte. „Sogar die SPS haben wir bei laufendem Betrieb eingespielt", erinnert sich Thomas Bauer.
Heute überprüft die Bildverarbeitungsapplikation die Anlage nach jedem Chargenwechsel automatisch, indem mittels vordefinierter Messflächen und Referenzmarken und einer reduzierten Belichtungszeit die Belichtung/Position eingemessen beziehungsweise überprüft wird. Sobald hier eine Abweichung von den vorgegebenen Schwellwerten vorhanden ist, wird automatisch eine Meldung an den übergeordneten Leitrechner ausgegeben. Es handelt sich erstmalig um ein vollständig wartungsfreies System, auch der verbaute Beckhoff-Industrie-PC arbeitet lüfterlos, wodurch Wartungen entfallen.
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