Automatische 3D-Inspektion von Kurbelwellen
Schnelle produktionsbegleitende Messung von Schmiedeteilen
Die französische Schmiederei Forges de Courcelles mit Sitz im Departement Haute-Marne stellt Kurbelwellen für namhafte Automobilhersteller her. Mithilfe einer automatisierten optischen 3D-Messzelle ist es dem Unternehmen gelungen, seine Produktionsprozesse signifikant zu verbessern. So verkürzt das neue Messsystem nicht nur die Inspektionszeit, es erzeugt auch mehr Messdaten als das früher eingesetzte Messmittel.
Forges de Courcelles ist der zweitgrößte europäische Hersteller von Kurbelwellen für Automobilmarken, wie Renault, Peugeot sowie BMW und Volkswagen, und eine der führenden Schmiedereien in Frankreich. Das Unternehmen produziert Stahlteile für Fahrwerke und Lenkungen, Motoren und Getriebe mittels Pressen und Schmiedehämmern über Halbwarm- und Warmschmiedeprozesse.
Bei Forges de Courcelles war man sich schon immer im Klaren darüber, dass sich der technologische Wandel in den Produktionsmitteln widerspiegeln muss. Darum setzt der Stahlverarbeiter seit jeher auf Innovation und unternehmerische Weiterentwicklung.
Doch Innovation bedeutet für Forges de Courcelles mehr als die bloße Anschaffung einzelner neuer Fertigungsmaschinen. Das Unternehmen produziert auch neuartige Bauteile, investiert in Robotertechnik sowie in die Automatisierung ganzer Fertigungslinien. Durch den Einsatz von Robotern ist es der Schmiederei beispielsweise gelungen, die Fertigung auf schwerere Bauteile auszuweiten – bei gleichzeitiger Verkürzung von Produktionsanlaufzeiten. Im Zuge des fortlaufenden Strebens nach Verbesserung und Innovation wuchs im Unternehmen auch das Interesse an optischer 3D-Messtechnik und den von GOM angebotenen Lösungen.
Wachsendes Interesse an optischer 3D-Messung
Vor etwa zehn Jahren begann sich das Unternehmen für optische 3D-Messsysteme zu interessieren. Im Bereich Forschung & Entiwicklung wurden erste Benchmarks durchgeführt – und so kam es auch zu einem ersten Austausch mit GOM. Zu diesem Zeitpunkt verfügte Forges de Courcelles über keinerlei Vorkenntnisse auf dem Gebiet des 3D-Scannens, da bis dato ausschließlich konventionelle Koordinatenmessgeräte (KMG) mit Messtastern im Einsatz waren.
„2016 besuchten wir einen von GOM organisierten Workshop zu Schmiede- und Gießereianwendungen in Metz. Wir nahmen eine unserer komplexen Kurbelwellen als Demoteil mit, um es dort vor Ort vermessen zu lassen. Mit dem handgeführten 3D-Scanner Atos Triple Scan dauerte die komplette Messung nur ein paar Minuten. Ab diesem Moment haben wir ernsthaft darüber nachgedacht, ein solches Gerät für die Produktionskontrolle anzuschaffen“, berichtet Cyril Schäfer, der die Bereiche Methodik und F&E verantwortet.
Von der Vorführung des GOM-Systems überzeugt, initiierten Schäfer und seine Kollegen eine Demonstration sowie die technische Validierung der Atos Scanbox als automatisierte Lösung. Im Juni 2018 wurde schließlich eine Atos Scanbox 5120 in den Produktionshallen von Forges de Courcelles installiert, die mit einem Atos II Triple Scan und dem Zusatzmodul Plus 12M ausgestattet ist.
Automatisierte und beschleunigte Inspektion
Bei der Auswahl der messtechnischen Lösung spielte die Schnelligkeit der Messung eine entscheidende Rolle, denn die tastende Messung mit dem KMG nahm viel wertvolle Zeit in Anspruch – pro Kurbelwelle zwischen zehn und 20 Minuten.
„Zunächst ging es uns nur darum, die Inspektionszeiten zu verkürzen. Aber das vollflächige 3D-Scannen bietet einen weiteren Vorteil: Die Inspektion am KMG liefert nur eine begrenzte Menge an Daten. Diese punktuellen Daten reichen zwar für die Produktionskontrolle aus, allerdings liegen keine vollständigen Informationen zur Bauteilgeometrie vor. Das ist vor allem während der Anlaufphase von Nachteil“, erklärt Vincent Bouet, der seit fünf Jahren die Abteilung Qualitätssicherung leitet.
Die mit der Atos-Technologie erzeugten vollflächigen Scans nutzte der Automobilzulieferer nun zur statistischen Prozesskontrolle in der Produktion. Die dortigen Mitarbeiter erhalten zudem eine farbige 3D-Ansicht ihrer gescannten Werkstücke und können so Abweichungen und Materialfehler erkennen, die früher – mit der punktuellen KMG-Vermessung – unentdeckt geblieben wären. „So beschleunigen wir den Messprozess und gestalten ihn für die Arbeiter verständlicher“, bekräftigt Bouet.
Zeitgleiche Inspektion mehrerer Bauteile
Die Atos Scanbox kommt bei Forges de Courcelles an drei Stationen in der Kurbelwellenschmiede zum Einsatz, wobei rund 15 Produktionsarbeiter ihre Werkstücke regelmäßig zur Messzelle bringen. Das Kiosk Interface – eine spezielle Benutzeroberfläche zur vereinfachten Bedienung der Messmaschine – erleichtert ihnen mit vier Betriebsarten den Einstieg in die zeitgleiche Inspektion mehrerer Bauteile mit 30 oder mehr zu prüfenden Referenzpunkten.
„Um die Maßhaltigkeit der gefertigten Bauteile sicherzustellen, nehmen wir im Fertigungsprozess in regelmäßigen Abständen an drei Teilen eine dimensionelle Prüfung vor. Die vollständige Automatisierung unserer Kurbelwellen-Fertigungslinien – inklusive automatisierter Vermessung – hat unsere Produktionsleistung deutlich erhöht. Früher, als wir noch auf das KMG angewiesen waren, war der Messprozess sehr aufwendig: Wir mussten eine Kurbelwelle im KMG positionieren, sie vermessen, sie wieder herausnehmen und dann die ganze Prozedur noch zweimal für die anderen beiden Teile wiederholen.
Mit der automatisiert und schnell messenden Atos Scanbox, die drei Kurbelwellen gleichzeitig scannt und überprüft, konnten wir unsere Reaktionszeit bei Bauteilproblemen oder Abweichungen von Standardparametern deutlich verringern. Mit dem GOM Messsystem benötigen wir nur 15 Minuten, um alle drei Werkstücke zu prüfen“, erläutert Schäfer.
Bouet ergänzt: „Von Anfang an haben wir das Ziel verfolgt, unsere Prüfzeiten zu verkürzen. Doch auch die Zuverlässigkeit der Messergebnisse ist bei der Qualitätssicherung von elementarer Bedeutung. Darum haben wir im Vorfeld die Messergebnisse von GOM mit den Ergebnissen unserer konventionellen Messmittel verglichen. Im Rahmen dieser Validierung hat sich die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Messungen von GOM bestätigt. Die Qualität der Messdaten und die Geschwindigkeit der Datenerfassung hat uns auch verglichen mit anderen bekannten Technologien, wie dem 3D-Laserscannen, überzeugt.“
35 kg schwere Werkstücke lassen sich vermessen
Um drei Bauteile gleichzeitig vermessen zu können, kooperierten GOM und Forges de Courcelles bei der Entwicklung einer Bauteilaufnahme, die an die Umgebungsbedingungen der Schmiederei angepasst ist. Diese ermöglicht einerseits eine optimale Messdatenerfassung und berücksichtigt andererseits ergonomische Gesichtspunkte zum Schutz der Mitarbeiter.
Die Messzelle wurde so angepasst, dass auch Werkstücke von bis zu 35 kg mithilfe eines Schwenkkrans hineingeladen werden können. Zudem wurden im Vorfeld alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um den einwandfreien Betrieb des Messsystems zu gewährleisten. Während des gesamten Prozesses arbeiteten die Teams des deutschen Messtechnikherstellers und des französischen Stahlverarbeiters effizient zusammen – vom Aufbau der Anlage über Schulungen und Einweisungen bis hin zur Betreuung nach der Installation.
Volle Kontrolle über die Mess-Software
Die beiden Messtechniker Hervé Maupied und Franck Dorlet sind Anwendungsexperten für GOM Systeme und Software bei Forges de Courcelles. Sie nutzen die Software GOM Inspect Professional VMR zur Offline-Programmierung und Auswertung der Messdaten. Die Software Atos XL Professional VMR ist ein wesentlicher Bestandteil des installierten Systems. Sie verarbeitet die aufgenommenen Bilder und wandelt sie für die Analyse in ein virtuelles Abbild der Objekte um. Die Mitarbeiter der Schmiederei, die die Messungen durchführen, müssen hingegen keine Software-Experten sein. Sie arbeiten über das selbsterklärende Kiosk Interface.
„GOM hat uns bei der Anpassung dieser Software-Module unterstützt. Jetzt haben wir die volle Kontrolle und können ohne externe Unterstützung mit den Modulen arbeiten“, erklären die beiden Messtechniker.
Neue Perspektiven für das Unternehmen
Forges de Courcelles generiert den größten Teil seiner Umsätze in der Automobilindustrie, einem hart umkämpften Markt. Der Preisdruck in diesem Sektor ist seit vielen Jahren immens, gleichzeitig wird eine gleichbleibend hohe Qualität gefordert. Diese Fakten hat man in Nogent begriffen und die notwendigen Maßnahmen getroffen, um eine positive Weiterentwicklung des Unternehmens zu gewährleisten: „Mit dem 3D-Scanner ist unser Unternehmen nun in der Lage, die Oberflächen der produzierten Bauteile vollständig zu vermessen. Dies eröffnet neue Perspektiven zur Optimierung der Produkte und Prozesse. Die Messdaten fließen in neue vertrauliche F&E-Projekte ein“, so Schäfer.
„Dass wir dieses ehrgeizige Projektziel erreicht haben, ist nicht nur auf die Unterstützung der GOM-Mitarbeiter und die Weiterbildung der Experten von Forges de Courcelles zurückzuführen. Vor allem ist es dem Engagement der Mitarbeiter des Zulieferers zu verdanken, dass aus der Standardmessmaschine ein Multifunktionsgerät wurde“, fügt Schäfer hinzu.