Auf der Jagd nach Ingenieuren
Interview mit Dr. Dietmar Ley und Sabine Knüppel von Basler
Inspect sprach mit Dr. Dietmar Ley, Vorstandsvorsitzender der Basler AG, und Sabine Knüppel, Personalchefin bei Basler, u.a. über das Thema Karriere in der Vision-Branche.
Die Unterrubriken der Karriere-Seite auf der Basler Website zeigen beispielhaft, wie in der Vision-Branche die Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern formuliert wird. Eine Momentaufnahme des Angebots offener Stellen aus dem April dieses Jahres verdeutlicht, wo überall Ingenieurkompetenz gefragt ist. Es gibt ein Angebot für eine Masterarbeit, Stellenangebote für einen Systementwickler und einen Produktionstechnologen sowie für einen Vertriebsingenieur.
inspect: Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb benötigen für ihre jeweiligen Belange qualifizierte Experten. Welchen Aufwand muss ein Unternehmen wie die Basler AG treiben, um den eigenen Bedarf an Experten zu decken?
Dr. Ley: Die Demographie ist bekannt. Von daher ist klar, dass das Angebot an qualifizierten Absolventen perspektivisch abnehmen wird. Der Markt wird umkämpfter werden. Und insofern setzen wir sehr stark auf Ausbildung, um die Menschen quasi direkt von der Schule abzuholen und zu integrieren.
Für unsere derzeitigen Mitarbeiter ist natürlich die kontinuierliche Weiterbildung besonders wichtig. Deren Wissen wollen wir auf aktuellem Stand halten, es aber auch an neue Stellenanforderungen anpassen.
S. Knüppel: Basler verfolgt mehrere Ansätze. Zum einen ist das die erwähnte Ausbildung. Wir pflegen engen Kontakt zu Fachhochschulen und Hochschulen, um Studenten zu gewinnen, die bei Basler ihre Praktika absolvieren. Wir bilden auch selber Studenten im dualen Studium aus und begleiten deren Bachelor- und Master-Arbeiten. Die meisten Absolventen bleiben dann auch bei uns. Und auch unsere Auszubildenden bleiben in der Regel nach ihrer Ausbildung in unserem Unternehmen.
Zum anderen entwickeln wir Konzepte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bieten Unterstützungsleistungen an. Wir haben darüber hinaus ein betriebliches Gesundheitsmanagement entwickelt, das sich gerade im Aufbau befindet. Das tun wir, um einerseits die Mitarbeiter, die wir haben, halten zu können, aber auch, um im Wettbewerb mit anderen Unternehmen einen Vorteil zu haben.
Wir unterstützen unsere Mitarbeiter auch sehr stark bei der persönlichen Weiterentwicklung und wollen ihnen Perspektiven bieten. Dabei streben wir eine hohe Transparenz an, um sie so in die Geschicke des Unternehmens einzubeziehen.
Aktuell entwickeln wir ein weiteres Konzept, um die Mitarbeiter, die jetzt die Altersgruppe 55+ erreichen, zu motivieren, mindestens bis zum gesetzlichen Rentenalter bei uns tätig zu bleiben. Und, wenn sie Lust dazu haben, auch noch darüber hinaus.
Dr. Ley: Erwähnenswert ist auch, dass wir zusätzlich ein intensives Arbeitgebermarketing betreiben. Zum Beispiel auf Rekrutierungsmessen oder mit einer eigenen Facebook-Seite im Internet. Wir halten auch unsere Mitarbeiter aktiv dazu an, relevante Portale zu besuchen und dort Statements über die Arbeit bei Basler zu hinterlassen. Interessierte Bewerber können sich so ein besseres Bild von den Arbeitsbedingungen bei uns machen.
Wir sind auch im VDMA gut vernetzt und in die Diskussionen eingebunden, die dort geführt werden. Ich denke, dass für uns im Grunde genommen das Gleiche gilt, wie für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau. Wir brechen dann die Lösungsansätze entsprechend auf unsere Belange herunter.
inspect: Können Sie noch einmal kurz erläutern, was es mit dem Konzept für die Mitarbeitergruppe 55+ auf sich hat?
Dr. Ley: Die intensive Diskussion über die Rente mit 67 ist ja noch in vollem Gange. Da spielt die Frage nach der Unterstützung durch die Wirtschaft eine große Rolle. Hat die Rente mit 67 eine Chance, wenn die Wirtschaft nicht die geeigneten Arbeitsplätze für diese älteren Mitarbeiter bereitstellt? Aktuelle Zahlen belegen, dass die Anzahl der Arbeitnehmer in diesem Lebensalter in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen hat. Und das zeigt, dass die Wirtschaft sich dieses Problems bewusst ist und sich auch auf den Weg macht, ältere Mitarbeiter länger im Job zu halten.
S. Knüppel: Es gibt zahlreiche Unternehmen, die sich mit diesem Thema schon sehr intensiv beschäftigen. Das hat natürlich unterschiedliche Dimensionen, je nachdem welche Tätigkeit ausgeübt wird. Geht es z.B. um schwere körperliche Arbeit, spielen andere Themen eine Rolle als das bei uns der Fall ist. Wir haben eher Kopfarbeiter im Unternehmen und in unserer Produktion wird auch keine schwere körperliche Arbeit verrichtet.
Dr. Ley: Wir haben auch generell Interesse an sehr langfristigen Arbeitsverhältnissen, also an einer langen Zusammenarbeit. Zum einen rechnen sich dann natürlich die Investitionen in die Mitarbeiterqualifikation betriebswirtschaftlich am besten. Außerdem ist Erfahrung ein großes Kapital. Zum anderen ist uns die menschliche Seite dabei sehr wichtig. Denn wir denken, dass es einfach schön ist, wenn man lange zusammen arbeiten kann. Möglicherweise sind wir auch ein bisschen untypisch, wenn wir in der Zusammenarbeit über die üblichen Altersgrenzen hinauszugehen wollen, sofern es denn passt. Passen würde es, wenn zunächst der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin Interesse daran hat, länger für uns zu arbeiten und die Tätigkeit auch weiter ausüben kann. Und wenn wir als Unternehmen der Meinung sind, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ausreichend qualifiziert ist oder in der Lage ist, die erforderlich Qualifikation noch aufzubauen. Und solange die Menschen bereit sind, sich dauerhaft weiterzuentwickeln und sich an aktuellen Verhältnisse anzupassen, ist das ein guter Weg für beide Seiten.
inspect: Inwieweit sind die Erfahrungen bei Basler übertragbar auf die Vision-Branche?
Dr. Ley: Im Bereich der industriellen Bildverarbeitung, sofern der vom VDMA abgedeckt wird, ist Basler heute eins der größten Unternehmen. Auf dem gesamten Arbeitgebermarkt hingegen sind wir eher eines der kleineren Unternehmen. Wir und noch viel stärker die Mehrzahl der noch kleineren Firmen der Branche, stehen vor der Herausforderung, eine ausreichend große Sichtbarkeit am Arbeitgebermarkt zu bekommen. Gleichzeitig müssen wir besonders darüber nachdenken, wie wir attraktiver werden für gut qualifizierte Arbeitskräfte.
Wir sind eine Wachstumsbranche und damit ist auch personelles Wachstum verbunden. Gerade die kleinen Unternehmen müssen Strategien entwickeln, um die Versorgung mit neuen Mitarbeitern sicherzustellen. Zur Bewältigung dieser strategischen Aufgaben, brauchen die Unternehmen aber zusätzlich qualifizierte Mitarbeiter. Das ist für Kleinstunternehmen natürlich schwieriger, weil deren Tagesgeschäft in der Regel den größten Teil der Ressourcen beansprucht. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die strategische Bedeutung der Mitarbeiterbeschaffung für unsere gesamte Branche mittel bis langfristig deutlich zunehmen wird.
inspect: Gibt es auch Unterstützung für die Branche durch den VDMA?
Dr. Ley: Ja, der VDMA unterstützt sehr viele Initiativen, um der Ingenieurausbildung mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Im Bereich der Schule setzt der VDMA sich dafür ein, dass die Naturwissenschaften in der schulischen Ausbildung nicht zu kurz kommen. Das Interesse an Technologieberufen, das eben nicht überall vorhanden ist, wird bei der Lehrerschaft und den Schülern aktiv geweckt. Viele Lehrer hatten selber nie Berührung mit Technologie- oder Ingenieurberufen und können nicht vermitteln, wie es ist, dort zu arbeiten oder sich in diese Richtung ausbilden zu lassen. Insofern hat der Verband als Vertretung der Branche ein großes Interesse, hier anzusetzen.
Als Interessenvertretung der Unternehmen kann der Verband auch Ressourcen mobilisieren, die gerade die kleineren Unternehmen in dieser Form nicht zur Verfügung haben. Darüber hinaus gibt es innerhalb des VDMA auch entsprechende Expertengruppen, in denen die Personalverantwortlichen der Unternehmen ihre Erfahrungen austauschen können und sich intensiv mit diesem Themen beschäftigen.
inspect: Technologie entsteht zu allererst in den Köpfen kreativer und gut ausgebildeter Ingenieure und Ingenieurinnen. - Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt genug davon auf dem Personalmarkt, um mittel- bis langfristig die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen in der Vision Branche zu sichern.
S. Knüppel: Wir können auf jeden Fall feststellen, dass der Personalmarkt sehr umkämpft ist und wir eine Menge tun müssen, um Mitarbeiter zu gewinnen. Das spricht dafür, dass die Ressourcen sehr knapp sind. Wie das zukünftig sein wird, hängt in hohem Maße davon ab, ob alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen genug dafür tun, um junge Menschen für die MINT-Berufe (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) zu begeistern und sie dann auch entsprechend auszubilden. Es gibt derzeit viele interessante Initiativen und wenn die alle eine positive Wirkung zeigen, dürften den Unternehmen der Technologiebranchen, am Ende ausreichend viele Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stehen.
Wir tun aber auch selbst viel dafür. Wir haben Partnerschaften mit Schulen, die unter anderem darauf abzielen, Schüler an Ingenieuraufgaben heranzuführen und eigene Lösungen zu entwickeln. Wir wollen im Zuge dieser Aktivitäten die Schüler dafür gewinnen, bei uns ihre Praktika zu absolvieren, oder später sogar ein duales Studium bei uns aufzunehmen. Und selbst wenn sie das nicht bei uns tun, möchten wir sie dennoch für die Wahl eines technischen Studiengangs oder eines technischen Berufs motivieren.
Als Teil der Wissensfabrik fangen wir sogar schon in den Kindergärten und Grundschulen mit der Förderung an. Es gibt Technikkoffer, die für Schulklassen der Grundschulen entwickelt wurden und die Schüler können dort einen sogenannten Werkzeugführerschein machen. Viele Unternehmen engagieren sich auf ähnlich Weise. Und mit all diesen Aktivitäten, die etwa in den letzten fünf Jahren entstanden sind, schaffen wir es bereits, junge Menschen zunehmend für die Technologieberufe zu interessieren. Wenn wir das erfolgreich fortsetzen wird der Mitarbeitermangel, wie wir ihn heute noch befürchten, am Ende nicht so groß sein.
inspect: In der vorherigen Frage wurden bewusst auch die Ingenieurinnen erwähnt. Es gibt gute Ingenieurinnen, die aber wohl nur einen geringen Anteil der Experten stellen. Worauf führen Sie das zurück und verbirgt sich hier noch Zukunftspotential für die Vision-Branche?
S. Knüppel: Ohne aktuelle Zahlen zu kennen glaube ich, dass nach wie vor mehr junge Männer als junge Frauen Studiengänge in den MINT-Berufen aufnehmen. Aber das verändert sich langsam. Wir suchen z.B. ganz bewusst nach jungen Frauen für unsere technischen Ausbildungsgänge und dualen Studiengänge.
Das bedeutet auch, dass wir in den Schulen die Mädchen mit Workshops gezielt an die Technik heranführen. Das heißt, wenn wir frühzeitig Kontakt zu den Schulen aufbauen und dort viel Arbeit investieren, indem wir die Schülerinnen z.B. bei Praktika gut begleiten, dann schaffen wir es in der Ausbildung, eine Gleichgewichtung zu erreichen. Dennoch gibt es bei den Studienpraktikanten, die sich bei uns bewerben, noch ein Übergewicht männlicher Bewerber. Obwohl wir durch unsere Konzepte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und durch unsere große Offenheit in Bezug auf Teilzeittätigkeiten, mehr weibliche Bewerber erreichen als andere.
Ich glaube, dass viele andere Unternehmen auch gerne einen höheren Anteil weiblicher Entwicklern und Ingenieure hätten. Ein Geheimnis liegt wohl auch darin, bewusst nach Bewerberinnen zu suchen und auch die Ausbildung dahingehend aufzubauen. Es gibt viele Frauen in den MINT-Berufen, die z.B. gerne Teilzeit arbeiten möchten, sobald sie das erste Kind bekommen. Wenn sie dann von ihren Arbeitgebern kategorisch hören, das gehe nicht, führt das dazu, dass wir viele gut ausgebildete Ingenieurinnen für eine lange Zeit wieder verlieren. Das ist auch volkswirtschaftlich ein großer Verlust.
Dr. Ley: Wir stellen auch fest, dass die weiblichen Mitarbeiter in der Regel viel kommunikationsstärker sind als die männlichen. Und gerade das ist in den technischen Berufen enorm wichtig. Wir haben uns deshalb für die freien Stellen, die wir in den letzten Quartalen ausgeschrieben haben, gewünscht, weibliche Bewerber einstellen zu können, weil die sich bei fast allem, was überfachlich ist, komplementärer darstellen als männliche Bewerber. Im Bereich der Projektleitung beispielsweise bringen Kolleginnen positive Elemente ein. Und das sowohl innerhalb der Gruppe der Projektleiter, als auch in den Projektteams. Wir haben kürzlich eine Systemingenieurin mit dem Ziel eingestellt, innerhalb eines Teams die Teamdynamik und die Kommunikation zu verbessern, also letztlich Missverständnisse zu verringern und die Arbeit insgesamt besser zu gestalten. Wir wissen, dass Entwickler innerhalb der Teams eher die introvertierten Persönlichkeiten sind. Und deshalb begrüßen wir es sehr, wenn die Kolleginnen neben ihrer fachlichen Kompetenz hier auch ihre kommunikativen Stärken ergänzend einbringen.
inspect: Wie schon erwähnt, bietet Basler duale Studiengänge in Zusammenarbeit mit der HAW Hamburg und der WAK Kiel an und darüber hinaus auch Abschlussarbeiten für Bachelor- und Masterabschlüsse. Warum?
Dr. Ley: Das ist ganz einfach ein guter Rekrutierungsweg. Man kann junge Menschen auf diesem Wege frühzeitiger ans Unternehmen binden oder ins Unternehmen integrieren und lernt sie nicht erst dann kennen, wenn ihre Ausbildung abgeschlossen ist. Wir haben damit ausgezeichnete Erfahrungen gemacht, weil junge Leute, die so einen Ausbildungsgang durchlaufen haben, uns nur selten wieder verloren gehen. Man lernt sich früh kennen und hat dann die Möglichkeit, in diesen Praxiszeiten wirklich intensiv miteinander zu arbeiten. So entsteht auch eine emotionale Bindung. Und das ist ein ganz anderes Verhältnis als das, was man zu einem Absolventen hat, der bis dahin nur an der Universität war.
S. Knüppel: Ein anderer Aspekt ist die Sozialisation. Dadurch, dass man schon während des Studiums miteinander arbeitet, wächst auch die soziale Bindung. Stellt man hingegen einen Absolventen ein, der nicht bei uns studiert hat, müssen beide Seiten da noch viel investieren.
inspect: In Deutschland sind die Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an Hochschulen und anderen Einrichtungen mittlerweile sehr vielschichtig und offen. Wie stark profitieren Unternehmen ihrer Branche von diesem Angebot?
S. Knüppel: Ich kann das nur für Basler beantworten. Wir profitieren sehr von den berufsbegleitenden Masterstudiengängen. Wir profitieren auch davon, dass es die Technikerausbildung gibt, dass es die Fachwirtausbildung gibt, dass es die Fachkaufmann-Projektmanagement-Ausbildung gibt und von zahlreichen weiteren Ausbildungsgängen. Wir profitieren davon, weil viele unserer Mitarbeiter nach einer Berufsausbildung oder einem Bachelorstudium direkt in den Beruf gehen und erst dann, vielleicht mit etwas Zeitverzögerung, die weitere Qualifikation berufsbegleitend machen.
Dr. Ley: Das System ist vor allem flexibler. Sie können letztlich sowohl aus Unternehmensperspektive als auch aus Mitarbeiterperspektive in kleineren Schritten entscheiden, welchen Weg sie einschlagen. Sie müssen sich nicht exklusives für ein Hochschulstudium oder exklusive für eine Tätigkeit im Unternehmen entscheiden, sondern sie können beides kombinieren. Sie können sich auch überlegen, ob sie zusätzliche Qualifikationen später nachholen. Weil sie vielleicht erst einmal bestimmte materielle Anforderungen bedienen müssen. Ich glaube, dass diese Flexibilität für ein Land wie dem unseren, in dem die jungen Leute eher weniger werden, vorteilhaft ist.
inspect: Wie sehen unter diesem besonderen Aspekt die Kontakte zu den Hochschulen aus?
S. Knüppel: Es ist so, dass jede Hochschule, jede Fachhochschule ihre eigene kleine online-Stellenbörse hat. Dort platzieren wir unsere Angebote und bekommen dann die Bewerbungen. Natürlich haben wir dadurch, dass wir selber dual ausbilden, auch engen Kontakt zu den Professoren, die die dualen Studiengänge inhaltlich gestalten. Und auch über diese Kontakte kommen Bewerbungen zustande.
Dr. Ley: Letztlich profitieren wir von unseren langjährigen Partnerschaften mit verschiedenen Universitäten. Wir sind dort bekannt und die Verantwortlichen wissen, wie es ist, mit uns zusammenzuarbeiten. Und ebenso haben wir Interesse, mit den Hochschulinstituten, die sich als passend herausgestellt haben, länger und dauerhaft zu kooperieren. Es soll im Grunde genommen immer auch an Basler gedacht werden, wenn Praktika zu absolvieren sind oder Bachelor- oder Masterarbeiten vergeben werden.
inspect: Wie fällt aus Ihrer subjektiven Unternehmensperspektive eine knappe und spontane Stärken- und Schwächen-Betrachtung des Bildungssystems aus?
S. Knüppel: Bei der Beantwortung dieser Frage würde ich die Hochschulen einmal ausklammern. Das, was mir am meisten Sorgen macht, ist die Bildung der Kinder und Jugendlichen. Schauen wir zunächst auf die Kindergärten. Würden da nicht die Unternehmen die Kinder aktiv an die MINT-Themen heranführen, würde das sonst in den meisten Fällen niemand tun.
An den Schulen gibt es wiederum zu wenige Mathematik- und Physiklehrer. Und selbst wenn es genug gäbe, bedeutete das noch nicht, dass sie bei den Schülern das Interesse für Technik wecken könnten. Tatsächlich fällt viel zu viel Unterricht aus. Das ist natürlich auch ein Grund dafür, dass sich für Unternehmen in den Schulen engagieren und den Schülern den Zugang zu technischen Themen ermöglichen. Ganz vielen Schulen fehlt auch die Balance zwischen Theorie und Praxis. Entweder sind sie sehr verkopft, wie etwa die Gymnasien, oder eher praktisch ausgerichtet. Es gelingt nur ganz wenigen, Theorie und Praxis wirklich gut in die Balance zu bringen.
Dr. Ley: Ich glaube, dass es in den letzten Jahren vor allem im Hochschulsystem nützliche Umbrüche und Weiterentwicklungen gab und nicht an den Schulen. Dort wird letztlich nicht das gemacht, was die Politik gern propagiert, nämlich in Bildung zu investieren. Man merkt, dass die Schulen materielle Schwierigkeiten haben, beginnend mit dem Stellenplan aber auch ganz konkret mit der Infrastruktur, mit der Ausrüstung oder mit Experimentiermaterial und entsprechenden Physiksälen. Verglichen mit dem, was man in manchen asiatischen Ländern sieht, ist das beunruhigend. Da tut letztlich die Politik nicht das, was nötig wäre.
Viele Lehrerkollegien sind zudem auf der Technikseite dünn besetzt. Es gibt nur wenige Physiklehrer und viele von diesen sind dann noch quasi über den zweiten Bildungsweg in der Physik angekommen. Sie sind nicht wirklich Physiker oder Naturwissenschaftler und können diese Fächer nicht mit Leidenschaft vermitteln. Das ist ein großer Engpass, der verhindert, dass in der Schule die Begeisterung und Leidenschaft für Technik so gefördert werden kann, wie es für ein großes Industrieland erforderlich wäre.
Ich glaube auch, dass gerade dort, wo die Wahrnehmung in der Gesellschaft geprägt wird, also in der Politik und auch in den Medien, nicht angemessen dargestellt wird, worauf der Wohlstand unseres Landes eigentlich beruht. Nämlich nicht auf Dienstleistungen, sondern auf industriellen Kompetenzen. Und wir sehen gerade jetzt, was es für ein Vorteil ist, diese industriellen Kompetenzen zu haben. Länder wie England oder die USA schauen im Moment bewundernd nach Deutschland und registrieren, dass im Unterschied zum eigenen Land in Deutschland die industrielle Basis noch vorhanden ist. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit, sondern muss aktiv herbeigeführt werden. Indem wir bei unseren Kindern schon frühzeitig Begeisterung und Interesse für Technik und Naturwissenschaften wecken.
S. Knüppel: Es gibt einzelne Schulen, die hier schon viel leisten, so auch unsere Partnerschulen. Aber das ist im Grunde genommen dem Engagement der Lehrer dieser Schulen und Partnerschaften mit Unternehmen, wie auch mit Basler geschuldet. Die Kollegien müssen sehr viel Aufwand betreiben und sehr viel Kraft hineinstecken, um das zusätzlich zu den normalen Erwartungen des Bildungssystems leisten zu können. Das System an sich ist nicht darauf ausgerichtet. Genau das empfinde ich bei den Hochschulen anders. Es gibt eine zunehmende Vielfalt an differenzierten Ingenieurausbildungen, gute Studiengänge und viele Fachhochschule in unserer Region, die gut aufgestellt sind.
inspect: Ihr Unternehmen ist Gründungsmitglied einer regionalen Stiftung zur Förderung von Beruf und Familie? Was tut diese Stiftung und aus welchem Grunde engagiert sich Basler dort?
S. Knüppel: Die Stiftung bietet Dienstleistungen rund um das Thema Beruf und Familie an. Das beginnt bei der Notfallbetreuung durch eine Tagesmutter, wenn die Regelbetreuung für ein Kind unerwartet ausfällt. Es gibt eine sogenannte Randzeitenbetreuung für den Fall, dass ein Elternteil, welches Teilzeit arbeitet, z.B. nachmittags an einem Meeting teilnehmen muss. Dann wird über Tagesmütter die Kinderbetreuung auch für die Zeiten organisiert, die nicht durch die Regelbetreuung abgedeckt sind. Es gibt Beratungsangebote wie beispielsweise Elternsprechstunden. Und wir organisieren über diese Stiftung auch Ferienangebote für Kinder. Zur Zeit entwickelt die Stiftung ein weiteres Angebot von Dienstleistungen für pflegebedürftige Angehörige.
Die Stiftungsmittel kommen von den Gründungsmitgliedern beziehungsweise von Spendern. Aber es ist auch so, dass die Unternehmen, die die Dienstleistungen abnehmen, einen Beitrag pro Mitarbeiter einzahlen, um diese Dienstleistung nutzen zu können.
Dr. Ley: Letztendlich steht auch ein ökonomisches Interesse dahinter. Zufriedene Mitarbeiter, die sich auf ihre Berufstätigkeit konzentrieren können, leisten effiziente und gute Arbeit. Und wir spüren, dass die Mitarbeiter erleichtert sind, wenn sie wissen, dass es eine Struktur im Hintergrund gibt, auf die sie zurückgreifen könne, falls etwas Unerwartetes passiert.
Diejenigen von uns, die Richtung 50 gehen, spüren bereits, dass die Betreuung hilfs- oder pflegebedürftiger Eltern an Bedeutung gewinnt. Wir wissen, dass hier ganz plötzlich und nicht planbar eine Betreuung nötig werden kann, die dann für eine ganze Weile viel Zeit und Energie beansprucht. Eine Struktur im Hintergrund, die das teilweise auffangen kann, vermittelt eine große Sicherheit und Erleichterung.
inspect: Wenn Sie heute von einer Abiturientin gefragt würden, welchen Weg sie einschlagen sollte, um in ein paar Jahren z.B. bei Basler als Ingenieurin Karriere zu machen, was würden Sie ihr raten?
Dr. Ley: Zunächst einmal würde ich sie darin bestärken, diesen Plan zu verfolgen, weil es für Ingenieure ganz allgemein hervorragende Berufsaussichten gibt, aber eben auch besonders für Frauen in den Ingenieurberufen. Eben aufgrund der schon genannten zusätzlichen sozialen und kommunikativen Kompetenzen, die viele Frauen mitbringen. Ich würde sie auch ermutigen, sich verschiedene Universitäten und dann auch Unternehmen anzuschauen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wo die Bedingungen den eigenen Vorstellungen und Wünschen am besten entsprechen.
Ich würde heute auch meinen Kindern empfehlen, ein duales Studium in Erwägung zu ziehen, um die Möglichkeit zu haben, früh Kontakt mit der Praxis zu bekommen. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Praxis im Ingenieurstudium am Anfang noch ein rares Gut ist. Wenn man dann die Möglichkeit hat, sich über die Praxis in einem Unternehmen regelmäßig zu erden, hilft das enorm, die Zusammenhänge zu verstehen, motiviert zu bleiben und dann auch gut das Studium zu durchlaufen.