Auf dem Weg zur Einheit
USB3 Vision: Neuer Wind in der Schnittstellendiskussion
Rupert Stelz, Gruppenleiter Bilderfassung bei Stemmer Imaging, zeigt in seinem Kommentar den aktuellen Entwicklungsstand des BV-Standards USB 3 Vision auf, erklärt, welche Standards USB3 Vision das Leben schwer machen könnten und warum ein vereinheitlichter Datenübertragungsstandard keine Utopie mehr ist.
Schon Ende 2011 auf der Branchenmesse Vision war die USB-Schnittstelle für die Bildverarbeitung ein viel diskutiertes Thema: Einige Hersteller präsentierten bereits damals erste Produkte mit USB3.0-Schnittstelle und schürten damit die Hoffnung auf eine schnelle Markteinführung. Die Begeisterung für das neue Interface hat einen Grund: Der Nachfolger von USB 2.0 verspricht mit seiner Brutto-Datenrate von 5 GBit/s auf dem Kabel Netto-Datenübertragungsraten von bis zu 400 MByte/s. Zudem benötigt man wie schon bei USB 2 in der Regel keine Bilderfassungskarte im System, da viele PC-Systeme und Laptops über integrierte USB3.0-Schnittstellen verfügen. Diese Vorteile in Verbindung mit einem relativ günstigen Preis machen den Einsatz der USB3.0-Technologie in Form des speziell für die Bildverarbeitung angepassten USB3-Vision-Standards für den Einsatz in Bildverarbeitungssystemen interessant.
Inzwischen hat USB3 einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft gemacht: Unter der Bezeichnung USB 3.1 wurde ein Standard veröffentlicht, der die Geschwindigkeit auf dem Kabel von 5 GBit/s bei USB 3.0 auf 10 GBit/s bei USB 3.1 erhöht. Damit verdoppelt sich die nutzbare Bandbreite und USB3 tritt in direkte Konkurrenz zu CameraLink und 10G-Ethernet. Die ersten Chips für den neuen Standard sollen 2014 auf den Markt kommen, mit ersten Consumer-Produkten wird ab 2015 gerechnet.
Mit Version 1.0 eine gemeinsame Basis geschaffen
Ende Januar 2013 vermeldete die zuständige internationale Arbeitsgruppe der AIA (Automated Imaging Association) die Veröffentlichung der Version 1.0 des USB3-Vision-Standards. Damit ist es gelungen, eine gemeinsame Basis für Machine-Vision-Kameras mit USB3-Schnittstelle zu entwickeln, die Superspeed USB, wie USB 3.0 auch genannt wird, nutzt. Aspekte wie Performance und Flexibilität standen bei dieser gemeinsamen Anstrengung im Vordergrund. Wie schon bei GigE Vision benötigt man keine herstellerspezifische Software zum Aufbau eines USB3-Vision-Systems. Die Firmware der Kamera wird also nicht zur Laufzeit vom Host nachgeladen, sondern muss bereits in der Kamera vorliegen. Somit ist auch der Weg für die Integration in Embedded Systeme, die nicht Windows- oder Linux-basiert sind, frei. Dabei setzt USB3 Vision auf eine komplette GenICam-Integration: Die Kameras bringen ihr XML-basiertes Device Description File mit. Das Protokoll zur Steuerung der Kamera ist das ebenfalls in GenICam enthaltene GenCP (Generic Control Protocol), das ursprünglich für CameraLink-Kameras entwickelt wurde.
Neben Vorteilen...
In der ersten Version von USB3 Vision wird der Datenstrom über einen Bulk-Transfer realisiert. Vorerst können also keine Bandbreiten reserviert werden, wovon aber Applikationen mit vielen Kameras profitieren. Abgesehen davon löst der USB-Bulk-Transfer jedoch das komplette Packet-Resend-Problem von GigE Vision, da die Datenübertragung gesichert ist. Dies vereinfacht die Integration auf beiden Seiten, das heißt sowohl beim Host als auch beim Device. Das Standardisierungskommitee behielt sich jedoch vor, in zukünftigen Versionen auch eine Alternative mit isochronem Transfer zu integrieren.
Ein weiterer Vorteil von USB3 im Vergleich zu GigE ist, dass die Schnittstelle einen sogenannten Zero-Copy-Transfer erlaubt. Damit müssen die Daten nicht wie bei GigE relativ aufwendig im Speicher zusammengesetzt werden, sondern der USB-Controller schreibt die Daten direkt per DMA in den Speicher. Folglich ist die CPU-Last ähnlich niedrig wie bei heutigen Framegrabber-basierten Applikationen. Von dieser Tatsache profitiert auch die USB3.0-Schnittstelle und somit Bildverarbeitungsanwender entsprechender Komponenten.
Zu den weiteren Vorteilen der USB 3.0-Schnittstelle zählt, dass damit ausgestattete Kameras mit bis zu 1,5 A bei 5 V mit Strom versorgt werden können. Die Technologie ist ohne größere Probleme auch auf Laptops einsetzbar, die diese Schnittstelle heute oft schon mitbringen. Wie schon bei GigE Vision sind jedoch deutliche Leistungsunterschiede bei den auf dem Markt erhältlichen Komponenten erkennbar. Ein weiteres Merkmal des USB3-Vision-Standards besteht darin, dass er auch einen Stecker-Standard mit der Möglichkeit der Arretierung durch Schrauben definiert und somit die Industrietauglichkeit der Technologie verbessert.
...auch Nachteile
Ist USB 3.0 damit also die eierlegende Wollmilchsau für die Bildverarbeitung? Nein, denn der neue Standard bringt nicht nur Vorteile mit sich. Als Nachteil ist unter anderem die beschränkte Kabellänge von nur wenigen Metern zu nennen, die je nach Anwendungsfall kritisch sein kann. Nach derzeitigem Stand kann man sicher mit drei Metern Kabellänge rechnen. Längere Kabel von bis zu sieben Metern werden bereits im industriellen Umfeld getestet, sind jedoch nach aktuellem Stand noch nicht freigegeben. Mit aktiven Komponenten scheinen hingegen Kabellängen von bis zu 15 Metern realisierbar zu sein. Zudem ist zu erwarten, dass wie auch bei CameraLink zeitnah sogenannte Extender verfügbar sind, mit denen sich auch größere Strecken überbrücken lassen. Sicher ist, dass die Qualität des Kabels und der Stecker eine entscheidende Rolle spielen. Realistischere Einschätzungen werden aber erst möglich sein, wenn eine breitere Produktpalette von verschiedenen Herstellern verfügbar ist.
Faserbasierte Lösungen für USB 3.0 werden hier schon bald neue Möglichkeiten bieten. Ob dieses Konzept dann auch im industriellen Umfeld praktikabel ist, muss sich jedoch erst noch zeigen. Generell existiert derzeit noch relativ wenig Praxiserfahrung mit USB 3.0 im industriellen Umfeld. Klar ist derzeit nur, dass erste Tests mit dieser Technologie vielversprechende Ergebnisse geliefert haben. Inwieweit sich das kostengünstige Interface USB3 Vision nach der nun erfolgten Festschreibung des Standards auch in der Realität und im Einsatz beim Anwender bewährt, wird sich zeigen, wenn in den kommenden Monaten die ersten Standard-konformen Produkte in Applikationen integriert sind und dort ihre Praxistauglichkeit bewiesen haben. Einige Hersteller haben inzwischen erste Produkte mit USB3 Vision vorgestellt. Es wird daher sicher sehr bald eine deutlich breitere Produktpalette verfügbar sein.
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen USB 3 Vision, CoaXPress und GigE Vision
Der Start von USB3 Vision wird auch von der Weiterentwicklung anderer Technologien begleitet, die das Feld nicht kampflos für den USB 2.0-Nachfolger räumen: Mit CoaXPress und 10G Base-T existieren mindestens zwei technologische Konkurrenten im Rennen um die meistgenutzte Bildverarbeitungsschnittstelle der Zukunft. CoaXPress startet mit etwas zeitlichem Vorsprung ins Rennen um die Gunst der Bildverarbeitungsanwender. So ist CoaXPress besser und anders skalierbar als USB3 Vision und erlaubt deutlich höhere Datenübertragungsraten. Auch bei den möglichen Kabellängen hat CoaXPress je nach Konfiguration mit bis zu 100 Metern die Nase vorne. Diese Vorteile erkauft sich der Anwender allerdings durch die Einschränkung, dass er bei CoaXPress immer einen Framegrabber benötigt.
Auch der inzwischen weit verbreitete GigE Vision-Standard entwickelt sich technisch weiter: Der schon lange überfällige Schritt hin zu 10G Base-T rückt mittlerweile in greifbare Nähe. Eines der Hauptprobleme von 10G Base-T bestand bisher in der Wärmeentwicklung. Neue, kürzlich auf den Markt gekommene Chips reduzieren die Stromaufnahme nun deutlich und ermöglichen so Kabellängen von rund 30 Metern. Damit bleibt GigE Vision selbst bei den im Vergleich zu USB 3.0 höheren Kosten attraktiv und für die Zukunft gerüstet.
Aus den genannten Gründen wird die Welt der Datenübertragungsstandards in der Bildverarbeitung wohl weiterhin sehr vielfältig bleiben. Auf der anderen Seite ist die Bildverarbeitungsbranche mit den existierenden Standards auf dem besten Wege, die einzelnen Technologien zu abstrahieren, um so einen technologieübergreifenden Standard wie GenICam zu realisieren. Wenn man zum Beispiel das GenApi-Modul aus GenICam betrachtet, so kommt dieses nicht nur bei GigE Vision zum Einsatz, für das es ursprünglich entwickelt wurde: Es arbeitet auch in Verbindung mit FireWire, CameraLink und in Zukunft auch bei USB3 Vision. Ein vereinheitlichter Datenübertragungsstandard ist aus diesen Gründen also keine Utopie mehr.