Bildverarbeitung

"Alle Interfaces haben ihr Gutes"

Vier Experten zu USB 3.0 und anderen BV-Standards

18.06.2012 -

Mit USB 3.0 sucht sich ein neuer Standard seinen Platz in der Schnittstellen-Landschaft. Doch die bereits existenten überlassen ihm nicht kampflos das Feld. Mit welchen Vorteilen USB 3.0 gegen die Konkurrenz bestehen will und ob seine Schwachstellen ihn zu Fall bringen können, erklären Ihnen vier Branchenkenner.

Seit vergangenem Jahr macht eine neue Schnittstelle von sich reden: USB 3.0. Überzeugen soll sie durch Datenraten bis 400 MByte/s und einen günstigen Preis. Doch stellt USB 3.0 und der darauf aufbauende USB3-Vision-Standard wirklich alle bislang existenten Standards in den Schatten? „Auch wenn es ideal wäre, nur einen Datenübertragungs-Standard zu haben, der die vielfältigen Problemstellungen in jeder Hinsicht abdeckt: In der Praxis sieht es anders aus. Hier zeichnen sich unterschiedliche Standards durch einen sehr speziellen Leistungsmix aus, der den jeweiligen Standard für Kameranutzer attraktiv macht", erklärt Eva Tischendorf, Senior Communications Specialist bei Basler, die Daseins-Berechtigung der verschiedenen Standards. Letztendlich bestimmt immer die Applikation, welche Technologie eingesetzt wird. „Auch wenn in manchen Bereichen Überschneidungen zwischen den einzelnen Übertragungstechniken existieren, so gibt es doch immer den entscheidenden Unterschied", ergänzt Rupert Stelz, Gruppenleiter Bilderfassung bei Stemmer Imaging. „Aus diesem Grund gilt es, den Überblick zu behalten."

"Ein guter Rat"

Ein guter Rat, weiß auch Bettina R. Hörmann, zuständig für die Technologiekommunikation bei IDS. Sie sieht das Problem allerdings nicht in der Schnittstellenvielfalt, sondern in den dazugehörigen verschiedenen Standards. „Diese sind insgesamt abhängig von Hersteller und Software und demzufolge wird ein Mischbetrieb mit Kameras verschiedener Schnittstellen oder ein Kamerawechsel bei veränderten Anforderungen signifikant erschwert beziehungsweise ist nur mit zusätzlichem Aufwand möglich." In Zeiten von Plug&Play wird es zwar einfacher, verschiedene Geräte miteinander zu verbinden, doch ein Kinderspiel ist es noch lange nicht. Ingo Lewerendt, Director Product Strategy bei AVT, nimmt hier die Systemintegratoren in die Pflicht. „Auch wenn sich kein Systemintegrator mit dem Kabel zwischen Kamera und PC beschäftigen möchte, muss er es leider trotzdem tun - und zwar gründlich. Denn gerade weil jede Schnittstelle mit einzigartigen Stärken und Grenzen aufwartet, muss man diese für das perfekt laufende, leistungsstarke Inspektionssystem kennen."

Kann es nur einen geben?

Also heißt es, sich mit jeder einzelnen auseinandersetzen zu müssen. Für eine erstklassige Lösung mit charmanten Eigenschaften, wie geringen Kabelpreisen und einem hohen Industrialisierungsgrad, hält Ingo Lewerendt GigE Vision. „Im Mainstream-Bereich unserer Branche wird GigE Vision ein sicheres Zuhause finden. Doch leider reicht die Datenrate nur bis rund 125 MByte/s beziehungsweise 250 MByte/s bei Verwendung der LAG-Technologie - ein klares Aus, wenn man mehr braucht." GigE Vision ist dennoch der Standard, der aus Sicht von Rupert Stelz neben CameraLink und FireWire zukünftig eine wichtige Rolle in der Bildverarbeitung spielen wird. „Aber auch USB 3.0 und CoaxPress haben das Potenzial, sich dauerhaft zu etablieren." Bei GigE Vision und auch bei USB 3.0 ist man sich also einig, dass sie die Branche weiterhin begleiten werden. Bei FireWire hingegen gehen die Meinungen auseinander. „USB 3.0 ist ein heißer Kandidat für den Nachfolger von FireWire, das zunehmend Marktanteile verliert. CameraLink wird das beliebteste Interface bleiben, wenn es um hohen Datendurchsatz geht, denn es ist etabliert, sehr sicher und leistungsfähig", begründet Eva Tischendorf. Auch Bettina R. Hörmann bestätigt den Trend, dass USB 3.0 und GigE sich durchsetzen werden - die Zeit für FireWire allerdings ist gekommen. „FireWire wird wegen seiner eingeschränkten Verfügbarkeit zunehmend unbedeutender, während Schnittstellen wie CameraLink HS und CoaxPress aus Kostengründen und aufgrund der spezifischen Anwendungsgebiete Nischenprodukte bleiben."

"Alle Interfaces haben ihr Gutes!"

Die Antworten der Experten zeigen, dass sich schon heute abzeichnet, welche Standards unseren Weg in Zukunft noch kreuzen und welche in den Hintergrund gedrängt werden. Doch eines ist sicher: „Alle Interfaces haben ihr Gutes - und keines hat die Kraft, alle weiteren zu verdrängen", fasst Ingo Lewerendt zusammen. Zu bedenken gibt Rupert Stelz allerdings, dass die Bildverarbeitungs-Branche mit den existierenden Standards auf dem besten Weg ist, die einzelnen Technologien zu abstrahieren, um so einen technologieübergreifenden Standard wie GenICam zu realisieren. „Wenn man zum Beispiel das GenApi-Modul aus GenICam betrachtet, so kommt dieses nicht nur bei GigE Vision zum Einsatz, für das es ursprünglich entwickelt wurde, sondern auch bei FireWire oder jetzt auch bei CameraLink und in Zukunft auch bei USB3 Vision. Insofern sind wir auf dem Weg zu einem vereinheitlichten Datenübertragungs-Standard."

Durchsetzen wird sich keiner der Standards, doch USB 3.0 wird vorn mit dabei sein. Doch wo liegen nun die Vor- oder auch Nachteile der USB3.0-Schnittstelle, die seit vergangenem Jahr in den Startlöchern steht? Konsens unter den Experten besteht im Hinblick auf die Datenübertragungsrate, die - um es mit den Worten von Ingo Lewerendt auszudrücken - atemberaubend ist. Hinzu kommt, dass die meisten PC-Systeme und Laptops heute schon mit integrierten USB 3.0-Schnittstellen ausgestattet sind, was die einfache und kostengünstige Anbindung von Kameras per Plug&Play ermöglicht. Für spannend hält Eva Tischendorf auch die Echtzeitfähigkeit, die mit der von FireWire vergleichbar ist. USB 3.0 - ein moderner Standard, der harten Echtzeitanforderungen standhält und sich damit zu ernstzunehmender Konkurrenz für FireWire entwickelt. Zudem benötigt man bei USB 3.0 keinen Frame Grabber, was sich positiv auf die Kosten auswirkt.
In puncto Nachteil ist man sich ebenso einig wie bei den Vorteilen - fast zumindest. Denn die geringe Kabellänge scheint die ­Erfolgsstory von USB 3.0 zu durchkreuzen. Einen Ausweg zeigt Rupert Stelz auf: „In Zukunft wird es sicher faserbasierte Lösungen geben, inwieweit diese dann im industriellen Umfeld praktikabel sind, muss sich erst noch zeigen."
Dass die Kabellängen für USB 3.0 stark begrenzt sind und die Schnittstelle somit für indus­trielle Anwendungen nur eingeschränkt einsatzfähig ist, kann Bettina R. Hörmann nicht bestätigen. „Die Standardkabellängen betragen derzeit drei bis acht Meter, mittels aktiver Kabel sind bis zu 20 Meter möglich. Bei Umwandlung in optische Signale können aber auch hundert Meter und mehr erreicht werden. Hier kann USB 3.0 also durchaus mit Gigabit Ethernet mithalten."

Hält die Praxis, was die Theorie verspricht?

Soweit so gut. Doch ist in der Praxis praktikabel, was sich in der Theorie gut anhört? Geräte mit USB3.0-Schnittstelle existieren bereits seit etwa drei Jahren im Consumer-Bereich und langsam bahnen sie sich ihren Weg in die Industrie. „Problem hierbei ist, dass die ersten USB3.0-Industriekameras nicht dem USB3-Vision-Standard folgen, sondern jeder Anbieter bisher eine individuelle Lösung entwickelt hat", erklärt Eva Tischendorf. Auch Ingo Lewerendt sieht hier die größte Hürde, die es zu überwinden gilt. „Für USB 3.0 gibt es heute noch keinen Protokoll-Standard, in dem final geklärt wird, wie sich Kameras und PCs miteinander unterhalten und Bilddaten übertragen werden."
Bettina R. Hörmann bringt einen weiteren Aspekt ein und fragt, ob ein USB3-Vision-Standard überhaupt notwendig ist. „Momentan sehen wir keine Vorteile in einem USB3-Vision-Standard, da dieser noch in den Kinderschuhen steckt und mehr als fraglich ist, ob ein erster Draft zur kommenden Vision schon vorliegen wird. Im Gegenteil: USB 2.0 hat sich auch ohne Standard im Industriekamera-Markt durchgesetzt. Hier wird USB 3.0 folgen." Zudem hält sie es für sinnvoll, die Entwicklung des schnittstellenübergreifenden Protokolls GenICam voranzutreiben, da es sich hierbei um den bislang besten Ansatz handelt, um die vorherrschenden Limitierungen durch die Schnittstellen- und Standardvielfalt zu beseitigen.
Ob notwendig oder nicht - hier ist man geteilter Meinung. Doch USB3 Vision ist in Arbeit und wird zur Vision 2012 erwartet. Ob sich USB 3.0 und USB3 Vision in der Realität bewähren und USB 3.0 andere Schnittstellen verdrängen wird, lässt sich bislang nur erahnen. „Man kann derzeit nur sagen, dass erste Tests mit dieser Technologie sehr vielversprechend ausgefallen sind", so Rupert Stelz abschließend.

Kontakt

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Gutenbergstr. 9-13
82178 Puchheim
Deutschland

+49 89 80902 0
+49 89 80902 116

Basler AG

An der Strusbek 60-62
22926 Ahrensburg
Deutschland

+49 4102 463 500
+49 4102 463 109

IDS Imaging Development Systems GmbH

Dimbacher Str. 10
74182 Obersulm
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+49 7134 96196 0

Allied Vision Technologies GmbH

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