Bildverarbeitung

10 GigE Vision: ­Breitbandschnittstelle mit hohen Kabellängen

?Interface für Anwendungen der industriellen Bildverarbeitung

06.09.2020 -

Die zunehmende Komplexität automatisierter Produktprüfungen erfordert immer bessere, höher aufgelöste Bilder. Die Weiterleitung der daraus resultierenden großen Datenmengen erfordert daher Schnittstellen mit hoher Bandbreite. Aber auch die Kabellänge ist ein entscheidendes Kriterium. 10 GigE Vision erfüllt nun beide Anforderungen: eine hohe Bandbreite bei Kabellängen über 100 m – und die Kosten bleiben durch den Einsatz von Standardkomponenten im Rahmen.

Der Umsatztrend der Bildverarbeitungsindustrie kennt seit vielen Jahren, abgesehen von der aktuellen Corona-bedingten Abschwächung, nur eine Richtung: Es geht aufwärts, und zwar mit Wachstumsraten, die in der Regel über denen des gesamten Automatisierungsumfeldes liegen. Die rasante Weiterentwicklung findet nicht nur auf der Ebene der Bildsensoren statt, sondern auch in Bezug auf die Auswertung von Bildern (Stichworte Deep Learning und künstliche Intelligenz) sowie auf den Transport von Bilddaten über leistungsfähigere Interfaces. Zahlreiche Experten versprechen sich derzeit viel von einer neu an den Start gehenden Technologie: Die Schnittstelle 10 GigE Vision soll der Bildverarbeitung zusätzlichen Schub verleihen und verschiebt die Grenzen der mittels Bildverarbeitung lösbaren Anwendungen.

Mit den Sensorauflösungen wachsen die Bandbreiten

Die zunehmende Komplexität automatisierter Produktprüfungen erfordert immer bessere, höher aufgelöste Bilder. Somit kommen in vielen Bildverarbeitungsapplikationen immer häufiger Kameras mit Auflösungen von 12 und mehr Megapixeln zum Einsatz. Die dabei eingesetzten CMOS-Sensoren ermöglichen hohe Bandbreiten von aktuell bis zu 90 Gigabit/s und können auch bei hohen Auflösungen sehr hohe Bildfrequenzen wiedergeben. Die Weiterleitung der daraus resultierenden großen Datenmengen aus der Kamera heraus zum PC erfordert daher Schnittstellen mit hoher Bandbreite.
Die maximalen Geschwindigkeiten von Bildverarbeitungsschnittstellen haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Nach aktuellem Stand der Technik ermöglichen Systeme auf Basis von 1 GigE Vision eine Datenübertragung von etwa 120 MB/s, USB3-Vision erreicht maximal ca. 360 MB/s und Camera-Link-Systeme können pro Sekunde rund 850 MB an Daten weiterleiten. Bildverarbeitungssysteme, die mit einem modernen 4-Kanal CoaXPress-12-Interface ausgestattet sind, setzen mit Netto-Übertragungs­geschwindigkeiten bis etwa 5 GB/s die Messlatte aktuell am höchsten. Nach derzeitigem Stand der Dinge wird die neue Schnittstelle 10 GigE-Vision rund 1.250 MB/s ermöglichen, was die Frage aufwirft, warum Hersteller und Anwender von Industriekameras dieser Technologie mit so hohen Erwartungen entgegenfiebern, wo sie doch hinter den Werten von CoaXPress zurückbleibt. Der wesentliche Grund lautet: CoaXPress benötigt einen speziellen Framegrabber, und der ist zwar schnell – aber auch teuer. 10 GigE-Komponenten von der Schnittstelle bis hin zu den Kabeln sind hingegen bereits Standard und liegen schon jetzt deutlich unter dem Niveau anderer Optionen.

10 GigE Vision: Übertragungslänge von 100 m

Für Anwender ist neben der Datenübertragungsgeschwindigkeit auch die maximal mögliche Kabellänge ein entscheidendes Kriterium. Hier punktet 10 GigE Vision gegenüber anderen Schnittstellen mit einer maximalen Übertragungslänge von bis zu 100 m mit CAT 6a-Kabeln: Bei USB3-Vision liegt das Limit bei 2 m, mit Camera Link ist bei 10 m das Ende der Fahnenstange erreicht, und CoaXPress stößt bei 35 m an seine Grenzen. Hinzu kommt, dass sich bei 10 GigE mehrere Kameras oder Sensoren aufgrund des paketorientierten Protokolls und der möglichen Anbindung über Switche ein Kabel teilen können – ein Alleinstellungsmerkmal Ethernet-basierter Schnittstellen.
10 GigE Vision hat gegenüber anderen Verfahren eine Reihe von Vorzügen: Das Ethernet-Protokoll hat sich seit vielen Jahren in der Industrie bewährt. Sowohl in Bezug auf die Topologie als auch auf die Software lässt sich 10 GigE Vision von bestehenden 1 GigE Vision-Applikationen transparent skalieren und ist bereits in der Serverwelt weit verbreitet. Die erforderlichen Switche sind als preisgünstige Massenware erhältlich. 10 GigE ist in vielen IT-Bereichen bereits Alltag. Auch 10 GigE-Adapter für PCs bestechen durch ihren Preis von unter 100 US-Dollar und zählen auf besser ausgestatteten Mainboards schon längere Zeit zum Standard. Spezielle und teure Framegrabber für den Bildeinzug sind unnötig. Netzwerkeigenschaften, Vorteile und Nachteile der bisherigen 1 GigE-Schnittstelle gelten fast alle auch für 10 GigE. Und GigE ist ein gut akzeptierter Standard in der industriellen Bildverarbeitung.
Für den zukünftigen Erfolg des Schnittstellenneulings spricht auch die große Auswahl an standardisierten Komponenten für die Feldverkabelung. Industrielle Ethernet-Kabel mit M12x8-Verbindungen sind bereits seit Jahren 10 GigE-ready, und auf der I/O-Seite, sprich bei den erforderlichen Steuersignalen und auch beim Thema LED-Beleuchtungen, bietet sich der M12x12-Standard für Bildverarbeiter geradezu an, um robuste Verbindungen mit IP-Schutzklasse und Zertifizierung auf Basis von Industriestandards zu schaffen. Die Infrastruktur existiert also bereits und hat sich bewährt.

Eine wirtschaftliche Schnittstelle

Kameradatenströme haben technische Besonderheiten. Derzeit erfordert die Konfiguration eines PCs mit 10-GigE-Netzwerkkarte und -Kamera noch etwas Know-how, um die theoretisch maximale Geschwindigkeit einer 10-GigE-Kamera auszureizen. Aktuelle Kameras mit 10 GigE wie die hr342XGE von SVS-Vistek mit 31 MP oder die hr25XGE mit 25 MP liefern mehr als 1,1 GB/s an Netto-Bilddatenrate, was nahe am theoretischen Maximum der Schnittstelle liegt. Eine derartige Bandbreite erfordert auf der Verarbeitungsseite eine ausreichende CPU-Kapazität, eröffnet aber neue Möglichkeiten. Denn diese hohe Bandbreite steht von der Hardware günstig und skalierbar – das heißt nahezu ohne Änderung der Software im Vergleich zu 1 GigE Vision – von der Applikationsseite zur Verfügung. Aus diesem Grund entstehen bereits erste 10-GigE-Systeme.

Einsatzgebiete für 10 GigE Vision

Als wesentliches Einsatzgebiet für 10 GigE Vision sehen viele Experten den Factory Floor, also die Domäne des Maschinen- und Anlagenbaus in vielen Branchen, wie der Automobilindustrie oder der Lebensmittelproduktion, und überall dort, wo hohe Übertragungsgeschwindigkeiten oder weite Kabelstrecken erforderlich sind.
Direkte Vorteile einer schnelleren Bild­datenübertragung bestehen darin, dass mehr Zeit für die Auswertung der Bilddaten zur Verfügung steht und somit genauere Aussagen über die Qualität des Prüflings möglich sind oder einfach der Durchsatz pro Prüfeinheit steigt.
Es hängt im Wesentlichen von der Aufgabenstellung ab, ob es sich lohnt, bestehende Anlagen von 1 auf 10 GigE Vision aufzurüsten: Bei lange laufenden Systemen ohne Bedarf an mehr Leistung oder zusätzlichen Bildauswertungen wird ein Austausch der Schnittstelle keinen wirtschaftlichen Vorteil bringen. Wenn der schnellere Bildeinzug bei bestehenden Anlagen durch einen Wechsel auf 10 GigE hingegen mehr Durchsatz oder eine verbesserte Bildauswertung ermöglichen, profitiert der Anwender von einer höheren Inspektionsqualität oder einer höheren Produktion, wodurch ein System-Upgrade durch einen Austausch des PCs und der Aufnahmeeinheit möglicherweise Sinn ergibt.
Die Prognose von SVS-Vistek lautet: 10 GigE Vision wird sich innerhalb weniger Jahre zu einer der wesentlichen Schnittstellentechnologien in der Bildverarbeitung entwickeln. Beim Design neuer Anlagen wird der Anteil an 10 GigE Vision-Systemen künftig sicher deutlich zunehmen.

Kontakt

SVS-Vistek GmbH

Ferdinand-Porsche-Str. 3
82205 Gilching
Deutschland

+49 8105 39 87 60

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