Automatisierung

Konzept für E-Motor integriert Umrichter, Motoren und Getriebe in Leichtbau-Gehäuse

29.08.2017 -

Elektromobilität ist die Zukunft. Jedoch sind die vorhandenen Antriebstechnik-Lösungen für einen flächendeckenden Einsatz oder eine Serienproduktion aktuell noch nicht ausgereift. Im Rahmen des Verbundprojekts ESKAM entwickelte Groschopp zusammen mit anderen Partnern den Prototypen eines Achsantriebsmoduls mit einem neuartigen Synchronmotor, der laut Hersteller sowohl für Klein- als auch Großserien geeignet ist.

Vom Wandel hin zu Elektromobilität sind vor allem die Automobilzulieferer betroffen. Verschiedene Zulieferteile werden komplett entfallen oder einem starken Wandel unterliegen, andere Komponenten wie zum Beispiel Elektromotoren für den Antrieb und entsprechende Leistungselektronik werden im Gegenzug neu hinzukommen. Bis es soweit ist, muss allerdings noch einiges passieren. Denn elektrische Antriebstechnik, die speziell auf die Belange der Automobilindustrie zugeschnitten ist, steht bisher nur bedingt zur Verfügung. Es gibt zwar technische Lösungen für einzelne Komponenten, und es werden auch komplette Autos als Prototypen hergestellt – wirtschaftliche Serientechnologien existieren jedoch nicht. Vor allem Antriebslösungen stellen nach wie vor eine Herausforderung dar: Die derzeit verwendeten Systeme sind zu groß, zu schwer, zu teuer und in größeren Stückzahlen nicht verfügbar.
Diese Problematik wollen die Mitglieder des Verbundprojekts ESKAM (Elektrische Skalierbare Achsantriebs-Module) unter der Leitung von Groschopp angehen. Sie haben speziell für elektrische Antriebe von Fahrzeugen ein  Antriebsmodul entwickelt, das in abgestuften Größen und Leistungsklassen in verschiedene Fahrzeugtypen verbaubar ist. Inzwischen gibt es einen Interessenten, der mit einem Fahrzeugumbau als Prototyp beginnen will, um anschließend eine erste Kleinserie mit dem Antriebsmodul auszustatten. Im Zuge dieses Projektes werden auch die Möglichkeiten analysiert und beurteilt, eine Serienfertigung zu implementieren.
An dem Projekt beteiligt waren sieben mittelständische Firmen, ein Fraunhofer-Institut, eine Hochschule und zwei Fachhochschulen. Bei den Unternehmen handelt es sich um mittelständische Zulieferer, die entweder über langjährige Erfahrungen bei der Herstellung von Komponenten, Baugruppen und Systemen in der Automobilproduktion verfügen oder einen fundierten Hintergrund in der elektrischen Antriebstechnik vorweisen können. Letzteres trifft vor allem auf Groschopp zu. Sie hat im Rahmen des Projekts einen neuartigen Motortyp entwickelt, welcher die Basis der gesamten Antriebslösung darstellt.

E-Antrieb + Achse = skalierbares Antriebsachsmodul

Die Aufgabenbereiche aller ESKAM-Mitglieder waren Teile eines Basis-Konzeptes: Ein Elektroantrieb sollte mit einer Achse verbunden werden, sodass ein flexibel skalierbares Achsantriebsmodul entsteht. „Diese Idee ist revolutionär, denn derzeit gibt es für Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb keine Antriebsachsen, die im Hinblick auf das Gesamtkonzept optimiert sind“, erklärt Wolfgang Pflug vom Groschopp-Vorstand. Bei bestehenden Lösungen sind Bauteile und Baugruppen von angetriebenen Vorder- und Hinterachsen auf die Rahmenbedingungen von Verbrennungsmotoren angepasst. Der Gedanke des Leichtbaus wird zwar verfolgt, kann jedoch bei einer reinen Substitution des Verbrennerantriebes durch den Elektroantrieb in bestehende Fahrzeugkonzepte nicht optimal umgesetzt werden. Beim Konzept von ESKAM wurden Umrichter, Motoren und Getriebe in ein Leichtbau-Gehäuse integriert, um schließlich mit der Achse ein integriertes  Achsantriebsmodul zu konstruieren. Dadurch lassen sich Energieeffizienz, Leistung und Wirkungsgrad erhöhen, aber auch Gewicht und Produktkosten senken. Der Einsatz von schnell drehenden Elektromotoren in Kombination mit geeigneten Übersetzungsgetrieben trägt zusätzlich zur Reduktion von Gewicht und Volumen des Systems bei. 
Um die Produktionskosten niedrig zu halten, müssen die eingesetzten Technologien gleichermaßen für Klein- und Großserien geeignet und vor allem skalierbar sein. Deshalb wurden im Rahmen des Verbundprojekts Umformtechnologien für die Herstellung von Getriebeteilen und Achskomponenten getestet und auch schon zum Einsatz gebracht. Bei der Konzipierung von Werkzeugen und Bearbeitungsstufen wurde berücksichtigt, dass die einzelnen Teile und somit die gesamte Antriebsachse skalierbar ist. Das Gehäuse für die Integration des gesamten Antriebes wurde in einer Leichtbau-Gußversion aus Magnesium ausgeführt, die die besonderen Anforderungen bezüglich der Kühlung beziehungsweise thermischen Belastung der Antriebskomponenten erfüllt.

Mögliche Lösung: EEEK-Synchronmotor in Serie für unter 3.000 Euro

Das gilt auch für den Kern des Antriebssystems, den Motor. „Fakt ist, dass die zurzeit am Markt erhältlichen Typen gemessen an der verfügbaren Leistung zu schwer, zu teuer und zu groß sind“, so Pflug. Bislang werden in der Elektromobilität fast immer teuere Synchronmotoren mit Permanentmagneten eingesetzt. Alternativ gibt es auch Lösungen mit größeren permanent erregten Asynchronmaschinen, die allerdings eine größere Bauform benötigen und deshalb auch mehr Gewicht auf die Waage bringen. Diese Motoren haben zahlreiche Nachteile, allen voran der Preis. Die in den Synchronmaschinen verbauten Hochleistungsmagnete bestehen aus Neodym, dessen Preis innerhalb von zwei Jahren um rund 300 Prozent gestiegen ist. Zudem kommt das Material zu 90 Prozent aus China – das Land hat auf die enorm gewachsene Nachfrage bereits mit Exportbeschränkungen reagiert. Entsprechend kostet ein Elektromotor mit 20 KW Leistung mehr als  5.000 Euro – und es gibt nur wenige Hersteller, die solche Motoren überhaupt liefern können. Entsprechend schwierig oder gar unmöglich wird die Beschaffung bei größeren Stückzahlen oder einer Serienproduktion.
Die Lösung liegt in schnelllaufenden, elektrisch erregten und elektronisch kommutierten Synchronmotoren (EEEK) mit Schenkelpolläufer. Im Rahmen von ESKAM verantwortete Groschopp die Entwicklung und Konstruktion eines solchen Systems. „In Bezug auf den Preis wirkt sich posititiv aus, dass dieser Motortyp keine Permanentmagnete benötigt“, so Pflug. Mit marktüblichen Bauteilen wird das Kostenbudget so kleingehalten, dass die Herstellungskosten für die komplette Achse bei einer Serienproduktion ab 10.000 Einheiten deutlich unter 3.000 Euro liegen werden. Dieser elektrische Antrieb ermöglicht es zudem, dass durch die Variation  des Erregerstromes das magnetische Feld in der Maschine stets auf einen optimalen Wirkungsgrad eingestellt werden kann. Durch diese zusätzliche Option in der Regelung wird es möglich, die Maschinen optimal an die jeweils benötigten Lastpunkte anzupassen. So lässt sich im realen Fahrbetrieb bezogen auf die Fahrzyklen stets ein besserer Wirkungsgrad erreichen als mit einem permanent erregten Motor.

Erster Prototyp im Frühjahr 2016

Im Zuge des ersten Projektabschnitts entwickelte Groschopp einen Prototypen. Nachdem das Validierungsmuster, das zum Abgleich der numerischen und analytischen Berechnungen diente, vorlag und das Ergebnis der notwendigen Messungen positiv war, konnten die mathematischen Modelle zur Entwicklung weiterer Prototypen verwendet werden. Dieser wurde in einen Demonstrator eingebaut, sodass Tests unter realen Einsatzbedingungen durchgeführt werden konnten. Nachdem die konstruktive Planung abgeschlossen war, werden nun im Rahmen eines Folgeprojektes Prozesse entwickelt, um die Motoren kostengünstig in Serie herzustellen.
Den  EEEK-Synchronmotor entwickelte Groschopp unter Berücksichtigung der vorab definierten Parameter eines hypotetischen Testfahrzeugs. Dieser Motor  erreicht gedrosselt durch die Elektronik  eine maximale Abgabeleistung von  35 kW bei einer Drehzahl von bis zu 20.000 U/min. Die hohe Drehzahl sorgte dabei für eine außerordentliche Leistungsdichte, das heißt es wurde eine minimale Baugröße und Masse pro Abgabeleistung erreicht. Der Motor wurde so auf die Elektronik abgestimmt, dass bei Testläufen der Artemis-Fahrzyklus auf dem Prüfstand der Hochschule Aalen erfolgreich abgefahren werden konnte.
Dieser Zyklus (CADC, Common Artemis Driving Cycle) wurde in einem EU-Projekt entwickelt, um Verbrauch und Schadstoffausstoß von Fahrzeugen realistischer bestimmen zu können. Er enthält eine Stadt-Strecke mit realistischen Beschleunigungen sowie einen Landstraßen- und Autobahnanteil. Beim Artemis-Fahrzyklus muss bei einer Drehzahl von 20.000 U/min noch ein Drehmoment von Mn = 10 Nm beziehungsweise Mmax = 55 Nm zur Verfügung stehen. Um dies zu erreichen, wurde der optimale Arbeitspunkt auf  6.700 U/min ausgegelegt. Für diesen Arbeitspunkt sind auch die Transistoren in der Elektronik optimiert besziehungsweise der max. Strom definiert worden, der durch die Elektronik dem Motor zugeführt wird. Der Erregerstrom kann ab diesem Arbeitspunkt langsam abgesenkt werden ohne dass sich die vorgegebene Leistung  reduziert, sodass die ausgewählten Bauteile in der Elektronik nicht überlastet werden und genügend Reserve vorhanden ist. Da die Maximalleistung für den Fahrzyklus im oberen Drehzahlbereich (> 17.000 U/min) nicht mehr voll benötigt wird, wurde bei dieser Auslegung der Elektronik hingenommen, dass die Maximalleistung von 35 kW auf 29 kW gesenkt werden kann. Mit veränderten Bauteilen in der Elektronik  lässt sich die Maximalleistung nicht nur  konstant halten, sondern noch weiter bis auf 54 kW steigern.
Elektrisch erregte Synchronmaschinen kommen in der Antriebstechnik, insbesondere in der Elektromobilität bislang nur selten zum Einsatz. „Deswegen war es so wichtig, dieses Antriebskonzept im Rahmen des Projekts auf seine Tauglichkeit für den Einsatz in Automobilen zu prüfen“, so Pflug. Geeignete Simulations- und Berechnungsmodelle sind in der Literatur nur für sehr große Einheiten wie zum Beispiel Kraftwerksgeneratoren beschrieben. Die Projektpartner von ESKAM haben diese für die Automobilbranche neu entwickelt und anhand der Demonstratoren validiert.
Bei der Entwicklungsarbeit stellten aber auch Aufgaben wie die Energiezuführung über Schleifringe  und eine Fluid-Kühlung des Motors die Projektpartner vor technische Herausforderungen. „Die Erreichung des Ziels erschien uns dennoch realistisch. Insbesondere die Diskussion und der Abgleich mit den anderen Netzwerkpartnern war sehr hilfreich“, so Pflug. Neben den regelmäßigen Netzwerktreffen erfolgte auch ein intensiver Austausch auf den Arbeitsebenen. So konnte im April 2016 nach einer langen Entwicklungsphase der Prototyp eines serienfähigen, innovativen Antriebsmoduls präsentieren werden.

Sowohl für Klein- als auch Großserien geeignet

Das komplette Antriebsmodul für die Vorder- und/oder Hinterachse besteht aus zwei ölgekühlten Elektromotoren mit Getriebe und Elektronik. Es stellt  bei einer Abgabeleistung von 2 x 35 kW  ein maximales Drehmoment von bis zu 2 x 55 Nm ab einer Drehzahl von 6.700 U/min zur Verfügung. Mit den Getrieben mit einer Untersetzung von i := 19 kommt man so mit über 1.000 Nm an jedes angetriebene Rad. „Wir freuen uns sehr, wenn auch etwas verspätet, das Projektziel erreicht zu haben“, erläutert  Pflug. „Bei der Entwicklung des Prototyps hat uns die Größe der Antriebe an die Grenzen des physikalisch Machbaren gebracht. Umso erfreulicher  ist es, nun ein serienfähiges  Produkt vorstellen zu können.“
Nicht nur bei den Motoren, sondern auch bei allen anderen Komponenten des Antriebsmoduls wurde auf Skalierbarkeit und Mehrfachnutzen einzelner Konstruktionselemente geachtet –  damit ist das Antriebsmodul gleichermaßen für Klein- und Großserien geeignet. Die Einsatzszenarien sind entsprechend vielfältig. So lassen sich mit dem Antriebsmodul bestehende Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf Elektrobetrieb umrüsten oder auch zu Hybridfahrzeugen umbauen. „Es ist aber auch denkbar, das Antriebsmodul in Kleinserien von Neufahrzeugen einzusetzen, zum Beispiel in Stadt-Automobilen oder wie geplant in mittelschweren Stadtlieferfahrzeugen, die bis zu 1,5t an Waren zur Auslieferung bringen können“, erklärt Pflug abschließend.

Kontakt

Groschopp AG

Greefsallee 49
41747 Viersen
Deutschland

+49 2162 374 0
+49 2162 374 108

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