„Modularisierung und Dezentralisierung sind wichtige Erfolgsfaktoren“
13.04.2017 -
Knackpunkt bei Industrie 4.0 ist und bleibt die Sicherheit. Daher fragten wir bei Klaus Stark, Senior Manager im Bereich Innovationsmanagement bei Pilz, nach, welche Voraussetzungen für eine sichere Vernetzung geschaffen werden müssen und welche Rolle das Unternehmen im Kontext von Industrie 4.0 übernimmt.
Im Zusammenhang mit Industrie 4.0 spricht man häufig von industrieller Zukunft. Wie schaut es denn mit der Gegenwart aus?
Klaus Stark:
Gegenwärtig wird an mehreren Projekten gearbeitet, die einen Modellcharakter haben. Aber genau das ist wichtig, um vorhandene Technologien im Umfeld der intelligenten Fabrik von morgen erproben zu können. Die Anforderungen des Marktes sind klar. Digitalisierung von Prozessen und die sichere Mensch-Maschine-Interaktion sind seit jeher wichtig und werden auch in Zukunft die Welt der Automatisierung prägen.
Welche Voraussetzungen müssen Ihrer Meinung nach geschaffen werden, um eine ganzheitliche und vor allem sichere Vernetzung im Sinne von Industrie 4.0 umzusetzen?
Klaus Stark:
Die Vernetzung der Zukunft ist integral. Das heißt, neben den Anforderungen der Automation müssen Safety- und Security-Aspekte gleichermaßen erfüllt sein. Dies wirkt auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit, dennoch gibt es spezifische Anforderungen, die noch zu lösen sind. Aus Safety-Sicht sind das vor allem die Echtzeitfähigkeit und Determinierbarkeit, hängen doch etliche Sicherheitslösungen direkt vom Zeitverhalten ab.
Kann jedes Unternehmen an Industrie 4.0 partizipieren? Ist es nicht gerade für kleine und mittelständische Unternehmen schwierig, die Sicherheitshürde zu nehmen?
Klaus Stark:
Unter Industrie 4.0 ist eine Vielzahl von Technologien, Methoden und Vorgehensweisen subsummiert. Die Herausforderung ist, für jede Unternehmung den Nutzen für das jeweilige Geschäftsmodell zu bestimmen und einen individuellen Weg zu finden. Dies hängt nicht von der Unternehmensgröße ab. Es gilt für alle gleichermaßen, sich den Themen zu stellen und damit umzugehen.
Wie unterscheidet sich denn eine Industrie4.0-Fertigung von einer konventionellen?
Klaus Stark:
Man könnte vereinfacht Industrie 3.0 als das Zeitalter der Automatisierung benennen und Industrie 4.0 als das Zeitalter der Autonomisierung. Dies unterstützt die Herausforderungen der zukünftigen Produktion wie zum Beispiel die Vielzahl an Varianten und Versionen in Europa zeit- und vor allem kostengerecht produzieren zu können. Die Maschinen und Anlagen werden deutlich modularer, flexibler und mit Funktionen ausgestattet sein, die weit über das seitherige Verständnis einer Maschine hinausgehen. Als Beispiel sei hier das integrierte Ersatzteil- und Wartungsmanagement angeführt.
Pilz gestaltet Industrie 4.0 aktiv mit, in dem das Unternehmen in zahlreichen Gremien und Initiativen mitwirkt. Können Sie einen kurzen Einblick/Querschnitt geben, welche Themen aktuell diskutiert werden?
Klaus Stark:
Unsere Welt der Automatisierung funktioniert heute aufgrund einer Vielzahl an Standards, über eine breites Spektrum an Firmen und eine große technologische Bandbreite hinweg. Diese Standards haben sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. Für die sichere Automation kommen noch die Normen und Richtlinien hinzu. In der Plattform Industrie 4.0 wird gerade dies für unterschiedliche Use Cases erarbeitet. Vor allem gilt es, neben einem Green-Field-Ansatz den Übergang von Industrie 3.0 auf 4.0 zu bedenken und das Zusammenspiel von „alt und neu“ zu organisieren.
Welche Rolle übernehmen Pilz-Produkte im Kontext von Industrie 4.0?
Klaus Stark:
Auf dem Weg in die Zukunft der Automatisierung sind Modularisierung und Dezentralisierung wichtige Erfolgsfaktoren. Dies stellt alle Maschinenbauer vor große Herausforderungen. Die Kunst besteht im einfachen Handling und zwar vom Engineering über die Inbetriebnahme bis hin zum laufenden Betrieb. Mit dem Automatisierungssystem PSS 4000 können alle funktionellen und sicherheitsgerichteten Aufgaben in einem System abgebildet werden. Das Tool ermöglicht, alles aus einem Guss zu erstellen und dann entsprechend den Anforderungen und Ressourcen eine Verteilung vorzunehmen. Dies vereinfacht den kompletten Prozessen enorm. Ein weiterer Vorteil im System PSS 4000 ist die Multi-Master-Fähigkeit, die zukünftig im Kontext von Industrie 4.0 von essentieller Bedeutung ist.
Welche Themen beschäftigen Pilz neben Industrie 4.0 noch?
Klaus Stark:
Als Lösungsanbieter für die sichere Automation sind die Themen Digitalisierung und die sichere Mensch-Maschine-Interaktion schon immer prägend und bestimmen somit die gesamte Produktpalette. Pilz geht konsequent den eingeschlagenen Weg weiter und entwickelt gemeinsam mit seinen Kunden Lösungen für die smarte Produktion von morgen. Dazu ein konkretes Beispiel: Die Entwicklungen im Bereich Roboterapplikationen sind momentan geprägt von dem Wunsch, dass Mensch und Maschine möglichst eng miteinander agieren. Statt Roboter hinter Gitter zu sperren, sollen sich Mensch und Maschinen den Arbeitsraum teilen. Mit Produkten und unserem Know-how helfen wir, Mensch-Roboter-Kollaborationen sicher umzusetzen.
Renate Pilz wird die Unternehmensverantwortung zeitnah an ihre Kinder Susanne Kunschert und Thomas Pilz abgeben. Welche Veränderungen sind damit bei Pilz verbunden?
Klaus Stark:
Renate Pilz wird sich Ende 2017 aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Susanne Kunschert wird die Aufgabengebiete von Renate Pilz übernehmen. Da Renate Pilz bereits seit Jahren die Visionen und Strategien für die Bereiche Markt und Technik gemeinsam partnerschaftlich mit Susanne Kunschert und Thomas Pilz erarbeitet hat, wird sich durch das Ausscheiden von Renate Pilz aus der Geschäftsleitung nichts ändern.
Und wie sieht die Strategie für die Zukunft aus?
Klaus Stark: Die Robotik ist, wie bereits erwähnt, neben Industrie 4.0 das große Zukunftsthema der industriellen Automatisierungstechnik. Wir wollen mit weiteren Innovationen unsere Rolle als Pionier der sicheren Automatisierungstechnik unterstreichen. Technisch betrachtet stellen Digitalisierung und Vernetzung im industriellen Umfeld nicht die Schwierigkeit dar. Doch gelten besondere Herausforderungen zur Beherrschung der Komplexität von vernetzen Anlagen. Wo Dinge komplexer werden, steigt die Gefahr, Fehler zu machen. Zu den wichtigen Aufgaben von modernen Automatisierungslösungen wird es künftig also gehören, die steigende Komplexität von verteilten, vernetzten Maschinen und Anlagen für den Anwender möglichst anwenderfreundlich zu übersetzen.