Frequenzumrichter für motorische und generatorische Hochgeschwindigkeits-Anwendungen
15.12.2015 -
Je höher die Drehzahl, desto effizienter arbeiten Strömungsmaschinen, wie Turboverdichter oder Kompressoren. Eingesetzt werden sie beispielsweise in Abwasseraufbereitungsanlagen. Für solche Anwendungen hat ein Hersteller nun Frequenzumrichter im Portfolio, die auf der sogenannten Drei-Level-Technologie basieren. Diese liefern eine hohe Ausgangsleistung – bis 220 kW.
Mit dem SD2M hat Sieb & Meyer einen Frequenzumrichter auf Basis der Drei-Level-Technologie entwickelt. Auf der SPS IPC Drives 2015 hat das Unternehmen die zweite Ausbaustufe der neuen Gerätetechnologie mit einer Nennleistung von 229 kVA präsentiert. „Mit dieser Ausführung stehen die Vorteile der Multilevel-Technologie nun auch für Motoren von 90 bis 220 kW zur Verfügung“, erläutert Rolf Gerhardt, Leiter Vertrieb Antriebselektronik bei Sieb & Meyer. Der Hintergrund: Für motorische und generatorische Hochgeschwindigkeits-Anwendungen mit hohen Ausgangsleistungen reichen heute verfügbare Umrichter-Standardtechnologien nicht aus. Gerade im Zuge der Energiewende werden solche Systeme aber benötigt: Schließlich ermöglichen sie eine deutliche Effizienzsteigerung von Strömungsmaschinen wie Turboverdichtern und Kompressoren, zum Beispiel für Abwasseraufbereitungssysteme oder ORC (Organic Rankine Cycle) -Anlagen zur Verstromung von Restenergie. „Je höher die Drehzahlen, desto effizienter arbeiten diese Systeme“, so Gerhardt. Deshalb wurde die Entwicklung des Hochgeschwindigkeits-Umrichters im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
Ziel: Mehr Leistung, weniger Motorerwärmung
Die technischen Rahmenbedingungen sind komplex: Hochgeschwindigkeits (HG)-Motoren generieren ihre Leistung über die Drehzahl – und nicht über das Drehmoment. Es gilt: Das Rotorvolumen verändert sich analog zum Kehrwert der Drehzahlerhöhung. Das heißt, bei einer 10-fachen Drehzahl verringert sich das Rotorvolumen auf ein Zehntel. Daraus ergibt sich ein Problem: Das geringe Rotorvolumen und die daraus resultierende Rotoroberfläche ermöglichen nur eine eingeschränkte Wärmeabfuhr. Das wirkt sich vor allem dann negativ aus, wenn die Motoren im Vakuum oder in Gasen mit geringer Wärmeleitfähigkeit betrieben werden. Das anwendungsseitig benötigte Leistungs-/Drehzahlverhältnis erfordert aber auch eine besondere Betrachtung des Motor-Designs. „Beim Rotor muss die zulässige Umfangsgeschwindigkeit beachtet werden, bei der dazugehörigen Welle sind die biegekritischen Frequenzen zu berücksichtigen“, erklärt Gerhardt. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel für einen Synchronmotor mit 100 kW bei 60.000 1/min, dass die Leistungsdichte nur mittels eines 4-poligen Motor-Designs realisierbar ist. Im Fall eines 2-poligen Designs müsste man aufgrund der schlechteren Verteilung des magnetischen Feldes und der damit verbundenen unsymmetrischen Magnetausnutzung das Rotorvolumen um das 1,5-fache vergrößern. Die daraus resultierende Wellenlänge wäre aufgrund von biegekritischen Frequenzen nicht realisierbar. Entsprechend wird für den Betrieb mit 60.000 1/min eine Drehfeldfrequenz von 2.000 Hz anstelle von 1.000 Hz benötigt.
Vom Zwei- zum Drei-Level-Frequenzumrichter
Um die nötigen Drehfeldfrequenzen erzeugen zu können, setzte Sieb & Meyer bislang Zwei-Level-Frequenzumrichter ein, die die benötigte Ausgangsspannung mittels der Pulsweiten-Modulation (PWM) erzeugen. In Abhängigkeit von der verwendeten Schaltfrequenz und der Induktivität des Motors ergibt sich dabei jedoch eine schaltfrequente Welligkeit (Strom-Rippel) des Motorstroms. Hierbei ist zu beachten, dass sich die wirksame Motorinduktivität bei HG-Motoren ähnlich verhält wie das Rotorvolumen. Das heißt, sie sinkt mit zunehmender Drehzahl. Entsprechend nimmt die Glättung des Strom-Rippels proportional zur geringeren Motorinduktivität ab. Das Problem: Die harmonischen Stromanteile verursachen Zusatzverluste im Motor. Rund 90 Prozent der umrichterbedingten Verluste entstehen im Rotor. Diese Verluste wiederum resultieren in einer vermehrten Wärmeentwicklung und Lagerbelastung. Aufgrund der eingeschränkten Wärmeabfuhr beziehungsweise Kühlung müssen die Verluste im Motor / Rotor deshalb auf ein Maß reduziert werden, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Grenztemperaturen von Synchronrotoren liegen im Bereich von 90 bis 150 °C.
Hohe Schaltfrequenz, niedriger Spannungshub
Am Markt verfügbare Zwei-Level-Frequenzumrichter bieten im Leistungsbereich > 100 kW maximal zulässige Schaltfrequenzen von 4 beziehungsweise 6 kHz, da für eine Zwischenkreisspannung bis 600 V Halbleiterschalter (IGBTs) mit einer Sperrspannung von 1.200 V benötigt werden. Eine Erhöhung der Schaltfrequenzen ist aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht zielführend, da die höheren Schaltverluste eine überproportionale Erwärmung und Reduzierung der Stromtragfähigkeit verursachen. Basierend auf diesem Sachverhalt ist eine effektive Drehfeldfrequenz von maximal 600 bis 800 Hz möglich, da die PWM-Frequenz zur Realisierung eines näherungsweise sinusförmigen Ausgangsstroms das 8- bis 10-fache der Drehfeldfrequenz betragen soll.
„Im Fall eines Drei-Level-Frequenzumrichters ist eine Erhöhung der Schaltfrequenz aber möglich“, sagt Gerhardt. „Und genau das ist unser Lösungsansatz.“ Bei der Nutzung dieser Technologie müssen die einzelnen Halbleiterschalter nur noch die halbe Zwischenkreisspannung in Höhe von 300 V schalten, sodass Halbleiter mit einer Sperrspannung von 600 V zum Einsatz kommen können. Diese Halbleitertypen haben signifikant bessere Schalteigenschaften, entsprechend ist die resultierende Verlustleistung trotz Schaltfrequenzen von bis zu 32 kHz beherrschbar. So lassen sich die harmonischen Stromanteile reduzieren und die umrichterbedingten Verluste im Rotor bleiben gering.
Neben der PWM-Schaltfrequenz ist auch der Spannungshub entscheidend, welcher mit dem PWM-Muster auf die Motorwicklungen beaufschlagt wird. Durch die Drei-Level-Technologie wird der Spannugshub halbiert, was in erster Näherung auch den Strom-Rippel um die Hälfte verringert. In der Folge stellen sich verringerte Wärmeeinträge im Rotor ein. Der geringe Spannungshub wirkt sich aber auch noch anderweitig positiv aus: So schonen die geringeren Spannungsanstiege die Motorisolation, sodass deren Lebensdauer steigt. Zudem sind geringere externe EMV-Filtermaßnahmen notwendig – gegenüber der klassischen Zwei-Level-Technologie lassen sich so die Systemkosten senken.
Fazit
Die Firmware des neuen SD2M basiert auf der bewährten SD2S-Serie von Sieb & Meyer. Die Multi-Level-Technologie machte es jedoch notwendig, die bestehenden Regelungsalgorithmen und -modelle für den sensorlosen Betrieb von Synchronmotoren anzupassen. Diese Softwareteile wurden also daher strukturell und codeseitig angepasst. Die hardwareseitig realisierten Schnittstellen wurden firmwareseitig implementiert. Die Weiterentwicklung von Produkt-Klassikern hat sich bei Sieb & Meyer bewährt: „Wir orientieren uns an den Bedürfnissen unserer Kunden“, betont Gerhardt. Auch beim SD2M gibt es noch Entwicklungspotenzial, so der Vertriebsleiter: „Wir können die Leistung erweitern – wenn der Markt danach verlangt.“
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