Formverändernde Rotorblätter zur Effizienzsteigerung bei Turbinen
27.11.2014 -
Windkraftanlagen ragen immer weiter gen Himmel. Was diese Entwicklung für Rotor und Rotorblätter bedeutet, legt der folgende Artikel dar.
Ein seit mehreren Jahrzehnten anhaltender Trend bei Windkraftanlagen ist das Vergrößern des Rotors. Auf diese Weise können die höheren Winde genutzt werden, die bei großen Bauhöhen verfügbar sind. Folglich führt dies auch zu einer höheren Nennleistung. Untersuchungen an einer 1,5MW-Turbine haben ergeben, dass durch eine Erweiterung der Blattlänge um 10 Prozent bis zu 10 bis 15 Prozent mehr Energie gewonnen und die Energiekosten um fünf bis neun Prozent reduziert werden können.
Moderne Standardturbinen bieten eine Leistung von drei Megawatt, die neue Turbine E126 des OEM Enercon ermöglicht 7,5 MW. Mit einer Höhe von 200 m und einer Blattgröße von rund 60 m hat sie im Vergleich zu aktuellen Standardturbinen eine fast doppelt so große Nennleistung. Doch die nächste Leistungsklasse von Turbinen zeichnet sich bereits ab. Das Unternehmen American Superconductor, das leichte Werkstoffe und Supraleiter einsetzt, arbeitet beispielsweise an einer 10 MW-Turbine für große Offshore-Windprojekte. Der Großteil wurde durch eine effiziente Bauweise und einen optimalen Einsatz von Werkstoffen ermöglicht, was zur notwendigen strukturellen Effizienz für Rotorblätter mit einer Länge von 60 m führt.
Beschränkungen der Rotorblattlänge aufgrund des zusätzlichen Gewichts können bei zukünftigen Bauweisen nur mithilfe neuer Werkstoffe und optimierter mechanischer Strukturen aufgehoben werden. Die größeren Höhen, die die längeren Blätter erreichen, haben zwar den Vorteil größerer Windgeschwindigkeiten, gleichzeitig müssen sie aber auch stärkeren Windstößen standhalten. Denn die größeren Windturbinen sind auch bei Sturm oder nicht vorhersehbaren Umweltbedingungen in Betrieb. Das führt zu Lasten, die sich sehr schnell ändern und aufgrund des Einflusses von Windstößen am Rotorblatt wirken. Die sich ergebende dynamische Belastung ist der Treiber für die Weiterentwicklung des Designs von Rotorblättern und Kernkomponenten des Antriebsstrangs.
Aktive aerodynamische Lastregelung
Ein vielversprechender Ansatz ist die aktive aerodynamische Lastregelung (AALC). Die AALC-Geräte werden an den Rotorblättern befestigt, um Rückmeldung zur Lastregelung zu geben. Die Technologie wird häufig als intelligente Struktur oder intelligente Rotorblattregelung bezeichnet und beinhaltet Trimmkappen oder formbare Rotorblattgeometrien mit dazugehörigen Sensoren und einem Embedded-Control-System. Ihre kurze Reaktionszeit und die relativ kompakte Größe scheinen, im Vergleich zur Länge der Rotorblätter eines AALC-Geräts, unabhängig von der existierenden Rotorblattverstellung zu sein und könnten eine gute Ergänzung dazu darstellen.
Eines der führenden Forschungsinstitute in diesem Technologiebereich ist Sandia National Laboratories. Sandia betreibt angewandte Forschung, um zu prüfen, inwieweit die Entwicklung der Windtechnologie durch die Verbesserung der Windturbinenleistung und -zuverlässigkeit sowie die Senkung der Energiekosten gesteigert werden kann. In den vergangenen Jahren hat Sandia wesentlich zum Bestimmen des Wertes von AALC-Geräten beigetragen. Das Institut hat umfangreiche Simulationen durchgeführt, bei denen es sich zum einen auf das Einschätzen der Schadensreduktion an Rotor und Getriebe konzentrierte und zum anderen auf die CoE-Vorteile der Technologie. Anschließend verglichen Ingenieure und Wissenschaftler die Simulationsergebnisse mit realen Daten und implementierten daraufhin den Prototyp eines kleinen Rotors, um mehr über potenzielle und technische Herausforderungen beim Einsatz von AALC-Geräten zu erfahren.
Zu diesem Zweck betreibt das Sandia-Team eine kleine Testturbine, die mit einem Satz aus neun Meter langen Rotorblättern mit Klappen ausgestattet ist, die etwa zwei Meter der äußeren Fläche des Lamellenabstands abdecken. Neben der Validierung von Simulationsergebnissen und der Aneignung von Wissen, wie das Modell eines intelligenten Rotors gestaltet wird, ist die Evaluierung unterschiedlicher Sensorsysteme Ziel des Forschungsprojekts, um Input- und Feedback-Signale für den AALC-Controller zu bieten. Die Sensoren müssen so robust sein, dass sie den rauen Umgebungen, in denen sie eingesetzt werden, standhalten. Für die Messgeräte der intelligenten Rotorblätter setzte Sandia Steuer- und Regelsysteme ein, die eine offene, FPGA-basierte Embedded-Architektur mit geringer Größe, hoher Robustheit und im laufenden Betrieb austauschbaren industriellen I/O-Modulen kombinieren.
Prototyp mit verändertem Rotorblattdesign
Für den ursprünglichen Prototyp ändert Sandia ein bereits existierendes Rotorblattdesign, in das drei mit einem Servomotor betriebene Klappen, ein Array aus Beschleunigungsmessern, Glasfaser-, Metallfolien- und Glasfaser-Temperatursensoren, Bohrungen und Staurohre integriert werden. Eine Windturbine ist aufgrund ihrer schlanken Geometrie und ihrer Flexibilität eine stark gekoppelte dynamische Struktur. Folglich musste Sandia eine Strategie zur Sensoroptimierung entwickeln und Zustände festlegen, um die Aussagefähigkeit der Forschungsarbeit zu maximieren und die Anzahl an benötigen Sensoren zu minimieren. Die für diese Sensoroptimierungen verwendete Technologie umfasst einen Modalfilter für stochastische Überwachung, ein System zur Bestimmung der Blattdurchbiegung, das auf Zentripetalbeschleunigung basiert, und Ordnungsanalysen für die deterministische Überwachung des Strukturverhaltens.
Passende Hardware für drahtlose Echtzeitdatenübertragung
Neben der Auswahl des besten Standorts und dem Qualitätsvergleich von Sensorinformationen als Eingang für das Steuer- und Regelsystem legte Sandia den Fokus auf Robustheit und Zuverlässigkeit, da elektrostatische Entladung eine Gefahr für Feldversuche darstellt und zu Sensorversagen führen kann. Neben elektrostatischer Entladung durch Blitze muss das Sensorsystem auch viele andere physikalische Phänomene bewältigen. Dazu zählt der tribo-elektrische Effekt, der durch Kontakt und Trennung verschiedener Metalle zu einem statischen Ladungsaufbau führt. Eine weitere große Ladung entsteht durch Wind, der über die Turbinenblätter streicht. Diese Ladungen können ganz unterschiedlich entlang des Rotorblatts wirken und zu Entladungen im Verlauf von einem Teil des Rotorblatts zum anderen oder zum Boden führen. Um all diese Sensorinformationen zu erfassen und diese via GPS-Timing genau zu korrelieren, hat Sandia ein in der Nabe montiertes Datenerfassungssystem entwickelt.
Dabei verwendete das Unternehmen die Hardware NI CompactRio, die drahtlos Informationen an ein Steuerungszentrum überträgt. Dort werden Daten mit Informationen aus zusätzlichen Quellen zusammengeführt. Unter Einsatz dieser wissenschaftlichen Messtechnik wird Sandia beginnen, Echtzeitdaten von der arbeitenden Windturbine zu sammeln. Die gewonnenen Daten erlauben eine Systemidentifikation und -modellierung. Aus diesem Grund wird Sandia zuerst Open-Loop-Tests durchführen. Die gesammelten Informationen unterstützen auch die Bestätigung und Kalibrierung bereits entwickelter Modelle innerhalb einer Simulationsumgebung. Die kalibrierten Modelle dienen anschließend als Grundlage für die Entwicklung eines Reduced Order Model (ordnungsreduziertes Modell), das für das MIMO-Design, die Implementierung und die Validierung einer Regelung für einen intelligenten Rotor dient. Obwohl das der Hauptgrund für das Entwickeln der Messtechnik und des Datenerfassungssystems ist, können die Verbesserungen und gewonnenen Erkenntnisse dieser Entwicklung für die Windkraftindustrie im Allgemeinen von Bedeutung sein. Das Embedded-Überwachungssystem bietet ebenfalls Techniken zur Rotorleistungs- und Strukturüberwachung. Die Technologie kann so angepasst werden, dass sie aktuelle Ladungen und den Schadenszustand einschätzt. So kann Sandia auf Basis von Modellen zum Schadenswachstum die Lebensdauer des Rotors vorhersehen.