Anlagensteuerung kommuniziert über IO-Link bis in den Sensor
27.11.2014 -
Die Maschinenfabrik Gustav Eirich vernetzt ihre Anlagen auf der Sensorebene mit IO-Link. So ist eine transparente Prozessüberwachung bis hinunter in jeden einzelnen Sensor und Aktuator möglich. Parametrierung und Diagnose erfolgen von zentraler Stelle. Auch der weltweite Zugriff auf jeden einzelnen Sensor ist möglich.
Die Maschinenfabrik Gustav Eirich gilt als Technologieführer auf dem Gebiet der Materialaufbereitung und stellt unter anderem Mischtechnik-Systeme für unterschiedliche Branchen her. Ein aktuelles Beispiel ist ein Mischsystem, das mittels exothermer Reaktionen unter Vakuum Bleipastiermasse für Autobatterien produziert. Aufwendige Prozesstechnik regelt dabei Druckverhältnisse, Temperaturen, Feuchtigkeit und Flüssigkeitszufuhr. Ein maßgebliches Prozessglied ist der Kondensator, der auf einer Plattform über dem eigentlichen Mischer sitzt. Er kühlt die dem Mischer entzogene warme Luft und führt die dabei kondensierte Feuchtigkeit wieder dem Prozess zu. Im Kühlkreislauf des Kondensators sitzen in der Zuführung und im Rücklauf Durchfluss- und Temperatursensoren von IFM Electronic, die den Durchfluss präzise überwachen und mit IO-Link ausgestattet sind.
Schnittstelle für den „letzten Meter"
IO-Link ist eine Punkt-zu-Punkt-Schnittstelle für den Anschluss beliebiger Sensorik und Aktuatorik an ein Steuerungssystem. Es ermöglicht in Verbindung mit anderen Bussystemen und Netzwerkebenen erstmals eine durchgehende vertikale Kommunikation von der Leitebene bis hinein in den einzelnen Sensor. Dabei handelt es sich bei IO-Link um kein weiteres Bussystem, sondern um eine Ergänzung für die Verbindung des „letzten Meters" zum Sensor beziehungsweise Aktuator. Im Gegensatz zu klassischen Feldbussystemen findet hier keine Busverdrahtung, sondern eine Parallelverdrahtung statt.
IO-Link eignet sich sowohl für binäre als auch für analoge Sensoren. Die Besonderheit von IO-Link-Sensoren ist die Erweiterung des Schaltzustand-Kanals um eine Kommunikation. Diese liegt auf dem gleichen Anschluss wie der Schaltausgang bei konventionellen Sensoren (Pin 4 bei einem M12-Stecker). Der Signalpegel liegt bei standardisierten 24 V DC. Somit können alle bisherigen Anschlussleitungen für IO-Link-Geräte weiterhin verwendet werden. IO-Link-Sensoren sind zu herkömmlichen Sensoren zudem 100-prozentig abwärtskompatibel. Hinsichtlich Kommunikation beherrschen IO-Link-Sensoren drei Arten:
- Schaltzustand binär (Arbeitsweise wie herkömmliche Sensoren),
- Zyklische Prozessdaten (zum Beispiel digitale Übermittlung von Messwerten),
- Übertragung von Geräteparametern und Diagnosedaten (zum Beispiel „Fehler Sensorelektronik", „Gerätetemperatur zu hoch" oder „Lichtschranke verschmutzt").
Die Verbindung des „letzten Meters" erfolgt über ein ungeschirmtes 3-adriges M12-Standardkabel mit bis zu 20 m Länge. Prozessdaten wie zum Beispiel Messwerte werden digital übertragen. Das reduziert Digital/Analog- beziehungsweise Analog/Digital-Wandlungsverluste auf ein Minimum. Damit kann beispielsweise die hohe Genauigkeit einer Druckmesszelle verlustfrei von der Steuerung verarbeitet werden. Im Kommunikationsmodus werden pro Zyklus zum Beispiel 16 Bit Prozessdaten übertragen. Mit einer Baudrate von 38,4 kBaud liegt die Zykluszeit bei 2,3 ms. Pro Zyklus können bis zu 32 Byte Prozessdaten in beide Richtungen (Input/Output) übertragen werden.
Getauschte Objekte automatisch erkennen und parametrieren
Das Parametrieren von Sensoren und Aktuatoren kann aus der Leitebene per Tastendruck oder automatisch erfolgen. Aufwendiges Parametrieren jedes einzelnen Sensors vor Ort, zum Beispiel bei Rezeptur- oder Werkzeugwechseln, entfällt. Die Datenhaltung im IO-Link-Master ermöglicht einen einfachen und sicheren Austausch von Geräten. Sobald ein defektes Gerät mit einem neuen, identischen ersetzt wird, erkennt der IO-Link-Master dies und schreibt die gespeicherten Parameter des Vorgängers in das neue Gerät.
Alternativ zur Parametrierung über die Steuerung bietet IFM Electronic die Software Linerecorder Sensor an. Sie ermöglicht das Parametrieren von IO-Link-Sensoren mittels USB-Adapter vom PC. Weitere Funktionen sind das Aufnehmen und Verteilen von Parametersätzen (Duplizieren), das Erfassen und Auswerten von Sensorwerten über einen längeren Zeitraum sowie das Zurücksetzen von Sensorparametern auf Werkseinstellung. Durch den Import von Sensor-Bibliotheken (IODDSs) lassen sich auch IO-Link-Sensoren anderer Hersteller mit der Software verwalten.
Eine weitere Möglichkeit der Datensicherung für IO-Link-Sensoren ist der Memory Plug. Dieser Baustein erlaubt das Kopieren und Sichern von Sensorparametern. Sobald ein Datensatz im Memory Plug enthalten ist, wird dieser bei Anschluss eines typgleichen Sensors aus dem Speicher des Memory Plug in den neuen Sensor kopiert. Er kann zum Parametrieren einfach temporär auf den Sensor gesteckt werden. Alternativ kann er aber auch dauerhaft zwischen Anschlusskabel und Sensor verbleiben, ohne die Funktionsweise oder die Ausgangssignale des Sensors im Betrieb zu beeinflussen. All dies spart Zeit und vermeidet Parametrierungsfehler bei der Inbetriebnahme oder bei einem Geräteaustausch.
Warum IO-Link?
„Unsere Anlagen sind prozesstechnisch sehr komplex und aufwendig, sodass wir einiges an Prozessmesstechnik im Feld verteilt haben. Die Inbetriebnahme stellt sich dann aufgrund der Parametrierung dieser Instrumente oft als relativ komplex und aufwendig heraus. Daher haben wir eine Lösung gesucht, diese Instrumente von zentraler Stelle aus zu parametrieren und auch zu diagnostizieren", erklärt Hendrik Blatz, bei Eirich zuständig für die Sensorik, die Entscheidung, die Mischsysteme komplett mit IO-Link auszustatten
Bei Eirich lassen sich die Sensoren durch IO-Link von der Leitwarte aus fernparametrieren. Das ist vorteilhaft, da die Sensoren bei großen Anlagen oft weit im Feld verteilt liegen. Bei kleinen, kompakten Anlagen oder Maschinen hingegen sind Sensoren oft eng verbaut und nur schwer erreichbar, sodass auch hier die Fernparametrierung via IO-Link von Vorteil ist.
Da die Parameter von der Steuerung automatisch auf das Ersatzgerät übertragen werden, ist der Austausch von Sensoren durch IO-Link besonders sicher. Falsche Sensoreinstellungen durch den Monteur sind somit praktisch ausgeschlossen. Zudem überprüft die Geräteidentifikation, ob das vorgesehene Gerät am Port angeschlossen ist.
Neben der Parametrierung spielt auch die Prozessüberwachung eine wichtige Rolle. Auf der Visualisierung im Leitstand werden die Sensoren mit sämtlichen Parametern und Messwerten abgebildet und ausgewertet. „Durch den Einsatz von IO-Link können wir in unserem Prozessleitsystem bis runter in die Feldebene schauen. Wir können die Geräte parametrieren, wir erhalten Diagnoseinformationen zu den Geräten und können dadurch auch im Zuge des Condition Monitorings einiges an Profit für unsere Anlagen herausholen", so Hendrik Blatz.
Denn durch die Verknüpfung und Auswertung von Messwerten und Diagnosedaten lassen sich kritische Anlagenzustände, wie zum Beispiel Verschleiß oder schädliche Ablagerungen, frühzeitig erkennen und beheben. Ungeplante Maschinenstillstände lassen sich somit weitestgehend vermeiden.
Herstellerunabhängiger Standard
„Wir liefern unsere Maschinen und Anlagen weltweit in unterschiedliche Branchen und müssen aufgrund dessen die nationalen Bestimmungen erfüllen. Daher ist für uns wichtig, einen sehr offenen Standard einzusetzen", so Hendrik Blatz. Über entsprechende Module kann IO-Link über gängige Bussysteme, wie zum Beispiel AS-i oder Profibus, mit der Steuerung kommunizieren. „Aufgrund der wechselnden Anforderungen ist es für uns wichtig, dass der Standard, den wir einsetzen, feldbusunabhängig ist und auch unabhängig vom übergeordneten Steuerungssystem."
Die Spezifikationen des hersteller- und feldbusunabhängigen Systems sind durch das IO-Link-Konsortium bei der IEC 61131-9 (NP) verabschiedet und veröffentlicht worden. IFM Electronic als Sensor-Hersteller ist Mitglied des IO-Link-Konsortiums und maßgeblich an der Umsetzung der Spezifikation beteiligt gewesen.