Automatisierung

Was Sie schon immer über Rugged-HMIs wissen wollten

12.11.2014 -

Für was steht Rugged bei HMIs? Durch welche Merkmale zeichnen sie sich aus und wo liegen die Unterschiede zu ­Standard-HMIs? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt Ihnen der folgende Beitrag.


Zahlreiche Human Machine Interfaces (HMI) und Bedienpanels auf dem Markt werden als Rugged bezeichnet. Daher ist es schwer zu erkennen, was eine Rugged-HMI wirklich auszeichnet. Der Begriff Rugged steht für etwas sehr robustes und langlebiges, konstruiert und entwickelt für starke Belastung und extreme Einsatzbereiche. Diese HMIs sind für den Einsatz in nassen, staubigen, heißen, kalten, vibrationsbelasteten und explosionsgefährdeten Umgebungen entwickelt, getestet und zertifiziert.
Spezielle Rugged-Standards, Normen und Gesetze stellen dabei sicher, dass ein Gerät über lange Zeiträume zuverlässig in den Umgebungen arbeitet, in denen es eingesetzt wird, und es keine sicherheitsrelevanten Vorfälle auslöst. Dennoch gibt es in der Industrie kein einheitliches Verständnis darüber, was als Rugged bezeichnet werden kann. Nationale und internationale Rugged-Standards, Normen und Gesetze variieren und unterscheiden sich je nach Land und den jeweiligen Betriebsbedingungen in bestimmten Aspekten.


Was versteht man unter Rugged?
Geräte, die in einer sauberen, klimatisierten Umgebung zuverlässig arbeiten, können in schmutzigen Outdoor-Umgebungen schnell an ihre Grenzen stoßen. Es ist daher essentiell, Komponenten, Geräte und sämtliches computergestütztes Equipment abhängig vom gewünschten Einsatzbereich zu definieren. Dieser Spezifikationsprozess umfasst auch HMIs.
Unter einem HMI versteht man wortwörtlich eine Mensch-Maschine-Schnittstelle. Es handelt sich dabei um ein Bediengerät, das in eine Maschine oder ein Computer-System integriert ist und über das der Bediener mit der Maschine oder einem technischen Prozess kommuniziert.
Generell werden Bediengeräte auf Grundlage der Anforderungen ihrer Einsatzumgebung konstruiert und gefertigt. In Bezug auf „Ruggedness" unterscheidet man drei Klassen von HMIs. Die erste Gruppe bilden die Standard-HMIs, die - wie der Name schon sagt - für Standard-Applikationen im Indoor- oder Anlagenbetrieb verwendet werden und daher für trockene, mäßige Betriebstemperaturen von 0 bis 50 °C konzipiert sind. Standard-HMIs erfordern grundlegende Zertifizierungen für Emissionen, Störanfälligkeit und Sicherheit wie die CE-Kennzeichnung.
Rugged-HMIs hingegen wurden für anspruchsvolle und raue Umgebungsbedingungen entwickelt. Ergänzende Heiz- oder Kühlgeräte sind nicht erforderlich. Zu den typischen Einsatzgebieten zählen Anwendungen mit starker Vibration, extremen Temperaturen, direkter Sonneneinstrahlung oder Nässe. Zudem sind in der Regel zahlreiche Zertifizierungen wie unter anderem Schutzart IP66, Nema-4 oder Atex-Zone 2 gefordert.
Die dritte Klasse der HMIs bilden die Extrem-Rugged-HMIs, die sich speziell für Umgebungen mit brennbaren Gasen oder Dämpfen eignen und durch den relativ hohen Preis von anderen HMIs abheben. Im Gegensatz zu Rugged-HMIs erfordern diese Bediengeräte häufig zusätzliche Heiz- und Kühlgeräte. Zudem ist das Einsatzgebiet auf bestimmte Branchen und Umgebungen begrenzt. Gefordert sind in der Regel UL Class I Division 1, Atex-Zone 0 und 1 sowie ECEx-Zone 0 und 1. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass elektronische Komponenten, Netzwerk- oder Computer-Systeme erst durch folgende Merkmale zu „rugged" werden:
Temperatur: Zu den häufigsten Kennzeichen von Rugged-HMIs zählen erweiterte Betriebs- und Lagertemperaturbereiche. Mehr als die Hälfte aller typischen Rugged-Anwendungen benötigen ein Bedienpanel, das auch bei extremer Hitze oder Kälte zuverlässig arbeitet. Auf den Ölfeldern im Nahen Osten oder Minen in Südamerika erreichen Temperaturen beispielsweise regelmäßig 50 °C und mehr. Im Bergbau in Kanada oder in Russland gibt es dagegen lange Temperaturperioden von -30 °C und kälter.
Feuchtigkeit, Regen und Schnee: Wie bei allen elektronischen Geräten ist Feuchtigkeit auch bei einem HMI-Panel ein kritischer Punkt. Schon geringe Mengen eintretender Feuchtigkeit, Regen oder Schnee können die elektronischen Komponenten des Panels beschädigen, seine Lebensdauer reduzieren oder es komplett betriebsuntauglich machen. Rugged-HMIs sind daher gegen eindringendes Wasser geschützt.
Staub und Partikel: Staub und sonstige Partikel können an elektronischen Geräten Schaden anrichten und den zuverlässigen Panel-Betrieb beeinflussen. In bestimmten Lebensmittelverarbeitungsanlagen, Kohlekraftwerken oder Papierfabriken können diese in Konzentrationen erzeugt werden, die unter bestimmten Bedingungen explosiv werden können. In einem solchen Fall darf das HMI nicht die Quelle für elektrische Funken sein, die das pulverisierte Material entzünden könnten.
Vibrationen: Mechanische Schwingungen stellen im Zusammenhang mit industriellen Maschinen und Anlagen häufig ein Problem dar. Bei einer HMI können Maschinenvibrationen zu zahlreichen Störungen führen und die Dichtungen des Panels beschädigen. Standard-HMIs durchlaufen normalerweise nur minimale Vibrationsprüfungen. Rugged-HMIs werden wesentlich intensiver mit unterschiedlichen Methoden auf ihre Vibrationsfestigkeit geprüft, beispielsweise mit Tests auf Sinusschwingen und rauschförmiges Schwingen (Beschleunigungs- und Spektralleistungsdichtetests).
Stöße: Erschütterungen treten auf, wenn eine HMI mechanisch gestoßen wird. Abhängig vom Grad der Erschütterung kann das HMI-Display brechen und dadurch Teile oder das komplette Panel betriebsunfähig werden, elektronische Komponenten können sich lösen und die Gehäuseabdichtung kann beschädigt werden. Rugged-HMIs sind speziell für den Einsatz in Umgebungen mit starken Stößen entwickelt und können diesen problemlos standhalten.
Sonnenlicht: In Outdoor-Anwendungen wird die Lesbarkeit eines Standard-HMI-Displays durch direkte Sonneneinstrahlung erschwert. Rugged-HMIs verfügen deshalb über eine ausreichend starke Hintergrundbeleuchtung und machen den Bildschirm so sonnenlichttauglich. Während Standard-HMI-Bildschirme über eine Helligkeit von 300 bis 500 cd/m² verfügen, weist ein Rugged-HMI-Display eine Helligkeit von 1.000 cd/m² oder mehr auf. Durch die direkte Sonneneinstrahlung entstehen zudem zusätzliche Hitze und gefährliche UV-Strahlung. Ein Grund, weshalb Rugged-HMI für Betriebstemperaturen im Bereich von 60 bis 70 °C ausgelegt sind und meist über eine spezielle UV-Beschichtung verfügen.
Störungen in der Spannungsversorgung: Viele Outdoor-Umgebungen verfügen über eine unbeständige Spannungsversorgung, was zu Problemen mit elektronischen Geräten führen kann. Lastabwurf, Verpolung und Spannungsspitzen sind nur einige Beispiele, die die Elektrik eines HMIs beeinflussen können. Rugged-HMIs sind speziell für Umgebungen mit schlechter Spannungsversorgung konzipiert.
Elektromagnetische Verträglichkeit: HMIs müssen gegen bestimmte elektromagnetische Interferenzen (EMI) resistent sein. Sie dürfen zudem keine elektromagnetischen Störungen aussenden, die den Betrieb anderer elektronischer Komponenten in der näheren Umgebung beeinflussen könnten. Rugged-HMIs widerstehen starker elektrostatischer Entladung (ESD) und können hohe Strahlungsemissionen tolerieren.


Typische Einsatzgebiete
Rugged-HMIs werden aufgrund ihrer robusten Beschaffenheit häufig im Freien eingesetzt. Im direkten Sonnenlicht, in explosionsfähiger Atmosphäre und in staubigen, nassen oder korrosiven Umgebungen. Ein extrem rauer Anwendungsbereich ist beispielsweise der Einsatz auf Eisbrechern. Weitere Branchen, in denen Rugged-HMIs sehr häufig eingesetzt werden, sind unter anderem Öl und Gas (Bohrung, Raffinierung, Verarbeitung, Auslieferung), Marine und Off-Shore oder auch die Landwirtschaft (Lagerung, Verarbeitung, Veredelung) und das Transportwesen.
Damit die HMIs viele Jahre ohne Zwischenfälle den extremen Betriebsbedingungen standhalten, führen die Hersteller umfassende Performance-Tests durch und statten die Panels entsprechend aus. Des Weiteren sind offizielle Zertifizierungen für den Panel-Einsatz in den meisten Rugged-Anwendungen unerlässlich.

Kontakt

Beijer Electronics GmbH & Co. KG

Kelterstr. 59
72669 Unterensingen
Deutschland

+49 7022 9660 0
+49 7022 9660 103

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