Automatisierung

Modifizierter Synchron-Servomotor im Elektro-Motorrad

21.10.2013 -

Dass Komponenten aus dem Produktionsumfeld erfolgreich im Rennsport eingesetzt werden können, zeigt der Rennstall
VT Bolt der technischen Universität Virginia aus den USA. Gleich drei Rennen hintereinander gewannen sie mit ihrem ­Elektro-Motorrad, das auf 160 Stundenkilometer beschleunigt. Die Studenten adaptierten hierfür einen Synchron-Servo­motor aus dem Produktionsumfeld und die Motorsteuerung eines Gabelstaplers.

Eigentlich sind die Steuerungen der ACS-Serie von Kollmorgen für den Einsatz in mobilen Arbeitsmaschinen wie Gabelhubwagen konzipiert. Genauer gesagt als Controller für Pumpenantriebe oder Traktionsmotoren. Die Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Virginia Tech University in Blacksburg, USA, nutzen die Steuerung jedoch als intelligente Wandler-Einheit für ihr Motorrad. Diese stellt das Bindeglied zwischen der 80-Volt-Gleichspannung auf der Batterieseite und dem Hauptantrieb dar. Als Antrieb nutzt das Rennteam einen Synchron-Servomotor der Kollmorgen-Reihe AKM in der Baugröße 74. Dieses Antriebspaket bringt nach dem Start bis zu 60-kW-Leistung auf die Piste - das PS-Äquivalent ist mit 80 angegeben. Entstanden ist so ein 174 Kilogramm leichtes Motorrad mit Honda-Rahmen und Carbon-Verkleidung von Boeing: Es beschleunigt in rund drei Sekunden auf 100 Stundenkilometer.

Wichtigstes Kriterium: Durchhaltevermögen
Batterieeinheit, DC-Wandler, AC-Motor: Was auf den ersten Blick recht simpel klingt, hat im Motorsport eine Fülle von kniffeligen Anpassungsaufgaben zur Folge. Erst einmal mussten die Wissenschaftler die Technik und das Fahrverhalten des Motorrads innerhalb des Rennparcours verstehen. Mit diesem Wissen waren sie dann in der Lage, zusammen mit Kollmorgen die passende Antriebstechnik auszulegen und einzubauen.
Dabei drehte sich die Entwicklungsarbeit nicht darum, wie möglichst viel Leistung - und damit Beschleunigung - auf die Straße zu bringen ist, vielmehr standen Dynamik und Durchhaltevermögen über längere Distanzen im Fokus. Die Leistungskapazität der Batterie mit 7,5 kW/h war in dieser Rennklasse die gesetzte Größe. Daraus folgte der Entwicklungsansatz, wie sich aus der vorhandenen Kapazität möglichst viel Leistung über einen langen Zeitraum herausholen lässt. Folglich nahmen bei der Konfiguration Aspekte wie Energieeffizienz, Gewicht und Verlustleistung eine maßgebliche Rolle ein.
Kommen die ACS-Motorsteuerungen gewöhnlich als Traktionskontrolle in größeren Gabelstaplern zum Einsatz, wurde der aus der Serienanwendung zur Verfügung stehende Funktionsumfang auf die Bedürfnisse des Rennsports angepasst. „Unsere standardisierte Technologieplattform ermöglicht es, viele High-Tech-Applikationen abzudecken", erklärt Brad Monday, Entwicklungsingenieur für Fahrzeugsysteme bei Kollmorgen in den USA. Das ACS-Modul steuert im Elektro-Motorrad den kompletten Antriebsstrang - von der Bremsen-Regelung bis zum Gas geben. Aufgrund der umfangreichen I/O-Schnittstelle hat das Projektteam aus Universität und Kollmorgen im Rahmen des gemeinsamen Engineerings das Modul gleich zum zentralen Interface zwischen Fahrer und Maschine bestimmt.

Vorteile der Synchrontechnik
Auch die Synchron-Servomotoren der AKM-Reihe haben Spielraum für rennsportbezogene Anpassungen gelassen. „Der AKM-Motor in der Baugröße 74 blieb zu drei Viertel Standard und wurde zu einem Viertel speziell an die Notwendigkeiten im Motorrad angepasst", berichtet Monday. Modifikationen bestanden etwa darin, die Abtriebswelle so zu verändern, dass sie sich mit dem Ritzel für die Antriebskette verbinden ließ. Darüber hinaus gab es Anpassungen bei der Montage des Motors mit dem Motorradchassis. „Wir haben es durch den Kettenantrieb mit sehr hohen radialen Belastungen zu tun, die als Torsionskräfte auf die Welle wirken", erklärt der Engineering-Experte von Kollmorgen. Selbst die Statorwicklung des Motors wurde überarbeitet, um diese an die niedrige Spannung anzupassen, die aus der Batterie kommt.
Das elektrisch betriebene Rennmotorrad hat in der Saison 2012 einerseits den Beweis geliefert, welche komplexen antriebstechnischen Herausforderungen sich mit einem schlüssigen, standardisierten Baukasten realisieren lassen. Die Maschine zeigte anderseits eindrucksvoll die Vorteile der Synchrontechnik auf. Weil die AKM-Motoren über Permanentmagnete auf dem Rotor verfügen, braucht keine Energie aufgenommen werden, um beide Pole des Drehfeldes zu erzeugen. Folglich wird diese ausschließlich dafür genutzt, direkt das Drehmoment aufzubauen. Dieser Aspekt bietet gerade deshalb Vorteile, weil sich die Energieaufnahme proportional zur benötigten Drehzahl und dem herrschenden Moment verhält. Für das Motorrad der technischen Universität Virginia bedeutet dieser Zusammenhang, dass kleinere Drehzahlen - der bekannte Teillastbereich - eben nicht zu Lasten der Effizienz gehen, sondern vielmehr aufgrund sinkender Energieaufnahme die Reichweite der Batterie verlängern.

Schneller am Gas
Für den Rennsportbetrieb haben Synchronmotoren auch fahrtechnisch einen echten Wert. Die im Vergleich zu Asynchronmotoren niedrige Massenträgheit in Verbindung mit der hohen Dynamik zieht zwei Effekte nach sich. Zunächst wird das Motorrad durch die hohe Leistungsdichte der Motoren leichter - und lässt sich entsprechend schneller mit geringerem Energieeinsatz beschleunigen. Zweitens setzt sich das geringere Massenträgheitsmoment des Motorrades im Motor selbst fort. Dieses sorgt hier noch einmal dafür, dass bei den in einem Rennen üblichen Brems- und Beschleunigungszeiten nur wenig Energie aufgewendet werden muss, um die Eigenmasse des Rotors im Motor zu beschleunigen. Damit ist der Fahrer während eines Rennens nach einer Kurve oder Schikane wesentlicher schneller am Gas.
Für Brad Monday hat dieses nicht ganz alltägliche Projekt vor allem deshalb von Anfang an viel Spaß gemacht, „weil wir damit eine großartige Gelegenheit hatten, mit Studenten der Ingenieurwissenschaften zu arbeiten, die mit uns an die Grenzen der Technik und unserer eigenen Produkte gegangen sind". Das Team selbst arbeitet aktuell gerade am neuen Bike für die 2013er-Serie.

Kontakt

Kollmorgen Europe GmbH

Pempelfurtstr. 1
40880 Ratingen

+49 2102 9394 0

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