Automatisierung

Bestimmung der dynamischen Materialeigenschaft durch Dehnungsmessung

05.09.2013 -

Wie stark verformt sich ein Bauteil unter Belastungen? Nimmt man quasistatische Bedingungen an, kann man die Materialeigenschaften in jedem Standardwerk nachlesen. Doch was, wenn der Konstrukteur das Verhalten des Werkstoffs unter dynamischen Belastungen wissen möchte? Dann werden ein spezieller Messaufbau, der sogenannte Split-Hopkinson-Bar, und eine Highspeed-Datenerfassung notwendig.

Verbaut der Konstrukteur einen bestimmten Werkstoff, muss er genau Bescheid wissen, wie sich dieser später im Einsatz verhalten wird: Wie sich das Bauteil beispielsweise verformt, wenn es belastet wird. Hilfe bekommt er hier von sogenannten Materialkonstanten, zum Beispiel dem Elastizitätsmodul. Je größer der Wert dieses Elastizitätsmoduls ist, umso steifer verhält sich der Werkstoff und umso geringer verformt er sich unter Belastung. Werte für übliche Werkstoffe sind beispielsweise im „Dubbel - Taschenbuch für den Maschinenbau" zu finden. Der Elastizitätsmodul wird üblicherweise aus einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm abgelesen, das in einer Prüfmaschine unter quasistatischen Bedingungen - also bei sehr kleinen Dehnraten - aufgenommen wird. Bei dynamischen Belastungen kann sich ein Werkstoff aber anders verhalten und zum Beispiel eine höhere Festigkeit aufweisen. Je nachdem, ob in einer Konstruktion auch dynamische Belastungen auftreten, ist es für den Konstrukteur also wichtig, auch die dynamischen Materialeigenschaften des eingesetzten Werkstoffs zu kennen.

Dehnungsmessstreifen messen Druckwellen

Eine einfache Materialprüfmaschine ist in der Regel nicht in der Lage, die notwendigen hohen Dehnraten aufzubringen. Daher wird zur Messung solcher dynamischer Größen ein so genannter Split-Hopkinson-Bar verwendet. Die ursprüngliche Idee für solche Messungen stammte bereits 1914 von dem englischen Ingenieur Bertram Hopkinson. Der heute verwendete Aufbau geht auf eine Modifikation zurück, die 1949 von Herbert Kolsky in London entwickelt wurde. Man spricht daher manchmal auch von einem Split-Hopkinson-Kolsky-Bar.

Die Materialprobe befindet sich in dem Split-Hopkinson-Bar zwischen zwei Stäben: dem Incident-Bar und dem Transmission-Bar. Ein so genannter Striker - zum Beispiel ein durch Druckluft beschleunigtes Geschoss - trifft auf den Incident-Bar und verursacht dort eine Druckwelle. Diese Druckwelle durchläuft den ersten Stab. Ein Teil der Welle wird am Stab-Ende reflektiert, der andere Anteil setzt sich durch die Materialprobe hindurch in den Transmission-Bar fort. Dehnungsmessstreifen (DMS), die auf den Oberflächen des Incident-Bar und des Transmission-Bar angebracht sind, messen die Dehnungen, die durch die Druckwellen verursacht werden. Darüber können die Amplituden der ursprünglich in den Incident-Bar eingeleiteten Druckwelle, der reflektierten Druckwelle und der transmittierten Druckwelle bestimmt werden. Die DMS sind jeweils in Form von Wheatstoneschen Messbrücken verschaltet. Da die Druckwellen sich mit Schallgeschwindigkeit durch die Stäbe bewegen, wird ein dynamisches Messsystem benötigt, das eine entsprechend hohe Bandbreite von etwa 100 kHz bietet.

Eine schnelle Messdatenerfassung

Diesen hohen Ansprüchen an Dynamik und Bandbreite genügt ein Messsystem der Genesis-Highspeed-Reihe von HBM. Das Messsystem ist modular aufgebaut und bietet hohe Abtastraten auch bei Systemen mit hohen Kanalzahlen. So kann der Anwender das Messsystem optimal an seine Messaufgabe anpassen. Beispielsweise sind Messdatenerfassungskarten erhältlich, die den direkten Anschluss der benötigten DMS in Viertelbrückenschaltung ermöglichen. Der Anschluss der DMS ist dabei sehr einfach: Zusätzliche Ergänzungsschaltungen oder Vorverstärker sind nicht notwendig. Zur Auswertung der erfassten Signale kommt beispielsweise die Software Perception zum Einsatz.

Vom Signal zur Kenngröße

Um aus den erfassten Signalen auf die gesuchten Materialkenngrößen zu schließen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Der Incident-Bar und der Transmission-Bar müssen aus dem gleichen Material gefertigt sein und im Vergleich zum Durchmesser müssen sie sehr lang sein. Außerdem muss die Schallgeschwindigkeit C0 bekannt sein, mit der sich die Druckwellen in den Stäben ausbreiten. Diese kann, wenn der Durchmesser der Stäbe wie oben beschrieben klein ist, einfach aus dem Elastizitätsmodul E und der Dichte ρ berechnet werden:

.

Gemessen werden die oben beschriebenen Dehnungssignale der in den Incident-Bar eingeleiteten Druckwelle εI, der reflektierten Druckwelle εR sowie der transmittierten Druckwelle εT. Die Materialspannung ergibt sich dann als:

,

wobei E der Elastizitätsmodul des Transmission-Bars, A0 der Querschnitt des Transmission-Bars und A der Querschnitt der Materialprobe ist. Die Dehnrate der zu untersuchenden Materialprobe ergibt sich zusammen mit der ursprünglichen Länge L der Materialprobe als:

.

Bildet man hieraus das Integral, so ergibt sich die Dehnung zu:

.

 

Fazit

Messungen mit dem Split-Hopkinson-Bar gibt es bereits seit über 50 Jahren. In den letzten Jahren hat aber die Anwendung dieser Messmethode stark zugenommen. Grund hierfür ist die heute zur Verfügung stehende schnelle Messtechnik, die die notwendigen Messungen deutlich vereinfacht. Auch die entsprechende Software und die Leistungsfähigkeit moderner Computer tragen dazu bei, dass die Berechnung der gesuchten Materialkenngrößen ohne große Probleme möglich ist. HBM hat für diese Anwendung Produkte im Portfolio, die von Dehnungsmessstreifen über die passenden Messverstärker und das Messsystem bis hin zur Auswertesoftware reicht. Das Resultat sind zuverlässige Messungen an Werkstoffen, die von Konstrukteuren in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt werden.

Kontakt

HBK – Hottinger Brüel & Kjaer

Im Tiefen See 45
64293 Darmstadt
Deutschland

+49 6151 803 0
+49 6151 803 9100

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