Podiumsdiskussion während der SPS 2019 in Nürnberg
27.06.2020 -
In zahlreichen Einsatzfeldern der automatisierten Fertigung hat sich die Bildverarbeitungstechnologie in den vergangenen Jahren als leistungsfähige, wirtschaftliche Möglichkeit etabliert, Qualitätsmerkmale von Produkten zu überprüfen. Insbesondere die zunehmenden Aktivitäten rund um die Industrie-4.0-Bestrebungen haben der Akzeptanz dieser Technologie einen deutlichen Schub verliehen: Automatisierer haben ihr Potenzial verinnerlicht, wissen um die Vorzüge sehender Anlagen und wollen die vielversprechenden Möglichkeiten der Bildverarbeitung immer intensiver nutzen.
Noch aber ist die Anwendung von Bildverarbeitungssystemen nach Ansicht vieler Experten nicht intuitiv genug, wie Rainer Schönhaar aus dem Produktmanagement Bildverarbeitung bei Balluff erläutert: „In der Vergangenheit waren zur Realisierung von Anlagen mit Bildverarbeitungsanteil drei Personen nötig: Eine für die Anlagenplanung, eine weitere für die Steuerungstechnik und eine dritte für die Bildverarbeitung. Die Kommunikation zwischen diesen Welten muss noch einfacher werden, um die Akzeptanz der Bildverarbeitung zu verbessern.“
Andreas Waldl, Produktmanager Integrated Vision bei B&R, stimmt dieser Aussage uneingeschränkt zu: „Niemand ist mehr bereit, viel Zeit für die Kommunikation zwischen der Automatisierungs- und der Vision-Welt zu investieren. Die Integration von Bildverarbeitung in Automatisierungsanlagen muss möglichst problemlos sein, um wirtschaftliche Lösungen zu ermöglichen.“
Standards als Schlüssel zum Erfolg
Einen wichtigen Schlüssel zum anhaltenden Erfolg der Bildverarbeitung in der Automatisierung sieht Dr. Klaus-Henning Noffz, Director New Business Development bei Basler, im Kommunikationsstandard OPC-UA (Open Platform Communication Unified Architecture). Für die Robotik und die industrielle Bildverarbeitung existieren inzwischen Companion Specifications, in denen die Kommunikation dieser beiden für die Automatisierung wichtigen Sparten definiert ist. „Die Bereitschaft der Industrie, OPC-UA gemeinsam zu entwickeln und damit von einer breiten Basis akzeptierte Standards für Vision-Hardware und -Software zu etablieren, war ein ganz wichtiger Schritt für das erfolgreiche Zusammenwachsen von Automatisierung und Bildverarbeitung.“
Dass durch OPC-UA die Verzahnung zwischen diesen beiden Fachbereichen viel enger wird und die Akzeptanz beim Anwender steigt, bestätigt auch Peter Keppler, Director Corporate Sales bei Stemmer Imaging: „Dieser Standard hilft definitiv, neue Möglichkeiten unter anderem bei der Kopplung von Bildverarbeitung und Robotik zu schaffen.“ Als ein Beispiel nennt Keppler den innovativen Sektor der „Cobots“, die eng mit ihren menschlichen Kollegen zusammenarbeiten. „Hier spielt die Bildverarbeitung eine wichtige Rolle, um Unfälle zwischen Mensch und Maschine sicher auszuschließen. Für absolut zuverlässige Prozesse ist es dabei notwendig, viele Bilddaten aufzunehmen, sie schnell zu verarbeiten und die Ergebnisse ohne Verzögerung zwischen den beteiligten Systemen auszutauschen. OPC-UA bietet dafür und für viele weitere Einsatzbereiche die erforderlichen Werkzeuge.“
Als wertvolle Hilfe, um Verständigungsschwierigkeiten zwischen Automatisierungs- und Bildverarbeitungssystemen abzubauen, nennt Christian Vollrath, Leitung Computer Vision bei Wenglor Sensoric, zudem die VDI-Richtlinie 2632. „Man muss dieselbe Sprache sprechen und in der Realität auftretende Probleme auf dieselbe Weise benennen können, um zu effektiven Lösungen zu kommen. In diesem internationalen, in mehreren Sprachen verfügbaren Standard für die Bildverarbeitung werden die erforderlichen Begrifflichkeiten definiert sowie der erfolgreiche Einsatz von Lastenheften vereinfacht.“
Potenzial für Verbesserungen
Standards sind ein wichtiger Aspekt, um Automatisierern den Einsatz von Vision-Systemen zu erleichtern. Zum Kinderspiel wird der Einsatz der Technologie in absehbarer Zeit jedoch nicht werden, ist Keppler überzeugt: „Ein Bildverarbeitungssystem besteht je nach Einsatzfall aus vielen Komponenten. Von der Beleuchtung über die Optik und die Kamera bis hin zur Software müssen alle Elemente optimal aufeinander abgestimmt sein, um eine bestimmte Aufgabenstellung zuverlässig zu lösen. Ohne ein gewisses Maß an Fachwissen ist es daher meist nicht trivial, die optimale Auswahl zu treffen. Das gilt für intelligente Kameras und PC-Systeme gleichermaßen.“ Zudem wird nach Kepplers Meinung seit Jahren versucht, die „eierlegende Wollmilchsau“ zu finden, die jede Aufgabenstellung lösen kann, sämtliche Kommunikationsoptionen zulässt und eine möglichst umfassende Flexibilität bietet, aber dennoch einfach zu bedienen ist. „Ich denke, hier werden wir eine starke Veränderung hin zu speziellen Subsystemen sehen, mit denen spezifische Aufgaben gelöst werden können. Diese Entwicklung wird auch die gewünschte Intuition mit sich bringen, weil man nicht mehr versucht, alle Möglichkeiten mit einem System zu erschlagen.“
Die Branche arbeitet mit Hochdruck an Möglichkeiten, dem Bildverarbeitungsanwender das Leben zu erleichtern. So versprechen sich viele Experten erhebliche Vereinfachungen durch den Einsatz von Machine-Learning- und Deep-Learning-Methoden. Diese innovativen Techniken sollen das zeitaufwändige Anlernen von Gut- und Schlechtteilen deutlich beschleunigen und den Anwender dadurch entlasten. Sie sind jedoch nicht selbsterklärend, warnen die Experten: Zum einen müssen die erforderlichen Bilder zum Anlernen von Objekten in ausreichender Zahl und Qualität vorliegen oder beschafft werden, zum anderen muss sich der Anwender genau darüber im Klaren sein, wie und wofür er solche Technologien sinnvoll einsetzt.
Steuerungshersteller erleichtern mittlerweile den Einsatz von Bildverarbeitung. So bietet B&R ein eigenes Vision-System an, das vollständig in das Steuerungssystem integriert ist. „Das vereinfacht dem Anwender das Leben, da er die ihm bekannte Bedienumgebung nutzen kann und dort nun auch Optionen für die Bildverarbeitung findet“, betont Waldl. Die Bereitschaft der Anwender, die auf diesem Weg angebotene Bildverarbeitung zu testen und zu nutzen, steigt nach seinen Worten seit einiger Zeit rasant.
Wichtig für die einfachere Anwendung von Bildverarbeitungssystemen sind zudem intuitive Bedienoberflächen für die Auswerte-Software. Hier besteht nach übereinstimmender Meinung der Diskussionsteilnehmer noch erhebliches Verbesserungspotenzial. „Für den Anwender ist wichtig, dass er auf einfache Weise schnell zum Ziel kommt“, so Schönhaar. „Welche Algorithmen dafür im Detail eingesetzt werden, ist für ihn weniger entscheidend. Für die Software gilt daher: Sie muss einfach zu bedienen sein.“
Großes Potenzial, die Bildverarbeitung intuitiver zu machen, sieht Vollrath zudem bereits beim Bildaufnahmeprozess: “Wenn man beispielsweise Kratzer auf einer Oberfläche detektieren will, muss man genau wissen, welche Art der Beleuchtung dafür optimal geeignet ist.“ Intelligente Systeme, die dem Anwender auf Basis der vorliegenden Bedingungen die am besten geeigneten Beleuchtungs-, Optik- und Kameramodelle vorschlagen, sind derzeit noch Utopie. Anwender sind daher gut beraten, ihr Know-how zu derartigen Fragestellungen zum Beispiel durch die Teilnahme an geeigneten Schulungen auszuweiten.
„Bildverarbeitung hat sich inzwischen als hervorragendes Tool für Inspektionsaufgaben aller Art etabliert. Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo der Aspekt immer stärker in den Vordergrund rückt, wie man Bildverarbeitung einfacher machen kann“, fasst Noffz zusammen. „Bildverarbeitung weist aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten ein gewisses Level an Komplexität auf, und es bleibt eine wichtige Aufgabe der Hersteller, dem Anwender den Einsatz der Technologie möglichst einfach zu machen.“
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