Bildverarbeitung

Interview mit Allied Vision Geschäftsführer Andreas Gerk

03.09.2019 -

Allied Vision ist eines der deutschen Bildverarbeitungsunternehmen, das in den letzten 30 Jahren gegründet wurde. Das Unternehmen feiert die Einweihung der Produktion für die in den letzten Jahren entwickelte und mit Spannung erwartete Alvium-Kameraserie mit einem eigens dafür entwickelten ASIC. Wir haben uns mit dem Geschäftsführer Andreas Gerk über Geschichte, Schicksalsschläge, Chancen und Zukunft unterhalten.

inspect: Sie feiern dieses Jahr 30 Jahre Allied Vision. Was war der Ausgangspunkt des Unternehmens, was die Initialzündung für die Gründung?

A. Gerk: Vor 30 Jahren hat Manfred Sticksel das Unternehmen gegründet. Er hat sich als Verkäufer von Sony-Analogkameras aufgestellt. Seine Spezialität war, die Kameras für Kunden zu modifizieren. Als er das Unternehmen an die Augusta AG verkaufte, wurde Frank Grube, also mein Vorgänger, als Geschäftsführer eingesetzt. Das war die eigentliche Initialzündung. Herr Grube hat erkannt, dass die Zukunft in der Digitalkameratechnik liegt und hat sich entschieden, Digitalkameras nicht nur zu vertreiben, sondern selbst zu entwickeln und herzustellen. Und letztlich sind wir, basierend auf dieser Entscheidung, das geworden, was wir heute sind: ein führender Kamerahersteller mit einem besonders offenen Ohr für die Bedürfnisse der Kunden.

inspect: Jetzt mussten Sie im letzten Jahr den Tod von Herrn Grube verkraften. Wie ist es Ihnen gelungen die Firma erfolgreich weiterzuführen?

A. Gerk: Herr Grube war eine herausragende Persönlichkeit und ein Visionär, der das Unternehmen wie sein eigenes mit viel Herzblut geführt hat und unter dem Allied Vision zu einem der führenden Machine Vision Kamerahersteller weltweit geworden ist. Ich hatte das Glück und die Ehre mit ihm über fünf Jahre zusammenarbeiten zu können. Er hat mich vor knapp sechs Jahren als Chief Technology Officer an Bord geholt, mit dem Ziel, diesen nächsten Innovationssprung zu schaffen, den wir heute mit der Alvium-Kameraserie realisieren. Es wurde uns sehr schnell klar, dass alle Unternehmensteile von diesem großen Vorhaben betroffen sein würden. Schon in dieser Zeit hat Herr Grube entschieden, die Führung des Unternehmens auf mehrere Schultern zu verteilen. In den letzten Jahren hatten wir Allied Vision unter Herrn Grubes Vorsitz bereits mehr und mehr gemeinsam aus einem Management Board heraus geführt, das aus insgesamt vier Mitgliedern bestand. Insofern war sein Verlust zwar ein schwerer Einschnitt, aber die Firma konnte durch das Management Board nahtlos weitergeführt werden. Zudem haben wir das Glück, mit der TKH Gruppe eine Muttergesellschaft zu haben, die dem Management Team von Allied Vision viel Vertrauen und Unterstützung schenkt, weil sie an die Zukunft des Unternehmens und unsere Strategie glaubt. So können wir weiter erfolgreich an der Realisierung unserer Ziele arbeiten.

inspect: Welchen Vorteil haben Ihre Kunden durch die Zugehörigkeit von Allied Vision zur TKH Group?

A. Gerk: Zur TKH Gruppe gehören neben Allied Vision inzwischen vier weitere Unternehmen aus dem Bereich der kamerabasierten Bildverarbeitung. In diesem Verbund verfügen wir bei Allied Vision und den weiteren Unternehmen nicht nur über starke Schlüsseltechnologien. Wir können auch Systeme und kundenspezifische Lösungen anbieten, z.B. für die Druckindustrie oder für die Medizintechnik. Für den Kunden bedeutet das, dass er eine Gesamtlösung aus einer Hand und gleichzeitig auch einzelne Komponenten und Teilsysteme bekommen kann, je nachdem wie er es benötigt. Außerdem sind wir über den Verbund von Firmen mit den entsprechenden Synergien für die Zukunft sehr gut aufgestellt. Auch davon profitiert der Kunde.

inspect: Die drei großen Themen sind aktuell künstliche Intelligenz, autonomes Fahren und Robotik. Wo sehen Sie in diesem Umfeld spezifische Chancen für Allied Vision?

A. Gerk: Viele Anwendungen im Bereich Robotik und autonomes Fahren wären ohne den Einsatz von Kameras und Bildverarbeitung gar nicht denkbar. Im Gegenteil: Neue Entwicklungen in der Bildverarbeitung haben diese Anwendungen erst ermöglicht und vorangetrieben. Die eingesetzten Kameras müssen klein und leicht sein, sonst sind die bewegten Massen einfach zu groß. Mit unserem Alvium-ASIC haben wir eine Technologie, die sehr kleine und leistungsfähige Produkte ermöglicht. Da die Bildverarbeitungsfunktionen bereits auf der Kamera integriert sind, kann der Host Prozessor sich auf die eigentliche Aufgabe, d.h. die Analyse der Bilder für die Kundenanwendung konzentrieren. Insbesondere bei KI-Anwendungen wird die Rechenleistung der Embedded Boards z.B. für Deep Learning Algorithmen benötigt. Zusammengefasst kann man sagen: Für die genannten Anwendungen werden kleine, kostengünstige, aber auch leistungsstarke und stromsparende Kameramodule gebraucht, die auch in mobilen Anwendungen eingesetzt werden können. All diese Anforderungen haben wir bei der Entwicklung der Alvium-Plattform berücksichtigt, sodass wir jetzt Antworten und Lösungen dafür bieten können. Und das Feedback des Marktes ist überwältigend.

inspect: Ist das der erste ASIC den Sie selbst entwickelt haben?

A. Gerk: Genau. Wir haben es als erster Kamerahersteller in der Branche gewagt, einen eigenen ASIC zu entwickeln, anstatt einen Standard-FPGA zu nutzen. Und das hat seine Zeit gebraucht. Aber nach gut drei Jahren Entwicklungszeit sind wir sehr stolz auf das Ergebnis.

inspect: Was war die Initialzündung zu sagen, wir wollen den Weg gehen, wohlwissend, dass man so etwas zum ersten Mal macht und es auch ein gewisses Learning bedeutet?

A. Gerk: Es war unser Ziel, eine leistungsfähige Technologieplattform zu entwickeln, die eine sehr große Bandbreite verschiedener Produkte ermöglicht. Die Erkenntnis, dass wir das auf Basis der ASIC Technologie erstmalig in diesem Umfang erreichen können, war die Initialzündung für das Projekt. Die Risiken eines solchen Schritts haben wir dabei immer im Blick gehabt. Wir haben den Chip mit einer umfangreichen Bildverarbeitungsbibliothek und einem Bildsignalprozessor ausgestattet. Es gibt direkt auf dem ASIC einen sehr flexiblen und zukunftssicheren Controller für die Integration von Bildsensoren und leistungsfähige Kommunikationsschnittstellen. So haben wir mit der ASIC-Technologie die Möglichkeit, mit dem gleichen Bauelement Anforderungen auch an höherwertige Kameras zu erfüllen. Für den Kunden bedeutet die große Abdeckung der Plattform, dass seine Investition in die Integration zukunftssicher ist, bei offenen Schnittstellen. Die Alvium-Technologie schließt unsere 30-jährige Erfahrung in der Bildverarbeitung auch unter Anwendung von Verschlüsselungstechnologien ein. In Zeiten des stark anziehenden globalen Wettbewerbs ist auch dieser besondere Schutz einer solchen Investition nicht zu vernachlässigen.

inspect: Wir haben heute die Einweihung der neuen Fertigung gesehen. Wenn Sie bitte, mit kurzen Worten, versuchen darzulegen, was die neue Fertigung ausmacht.

A. Gerk: Die Planung der Fertigungslinie ist 1:1 zusammen mit der Produktentwicklung gelaufen. Sie wurde speziell für die Anforderungen an das Herstellungsverfahren der Kameraserie konstruiert und in Deutschland produziert. Uns ist wichtig, dass wir mit der Fertigungslinie eine hohe Liefertreue und sehr kurze Lieferzeiten bei gleichzeitig hoher Flexibilität erreichen. Ein Standardportfolio mit vielen Variationen von Bildsensoren und Schnittstellen kann flexibel und schnell hintereinander produziert werden. Ein wesentliches Merkmal ist außerdem die gute Reproduzierbarkeit von Kamera zu Kamera, d.h. wir können gewährleisten, dass jede individuelle Kamera sich genauso verhält wie die andere. Die Fertigung erfolgt dabei unter Reinraumbedingungen. Ein weiteres Qualitätskriterium ist die Sensorausrichtung, die für gestochen scharfe und verzerrungsfreie Bilder sorgt. Die innovative Montagetechnik, die in der Anlage angewandt wird, garantiert eine präzise Ausrichtung des Sensors.

inspect: Wo steht Allied Vision in fünf Jahren am Markt?

A. Gerk: Basierend auf der Alvium-Plattform und ihrer sehr guten Zukunftssicherheit werden wir unsere Position als führender Anbieter digitaler Kameratechnologie in unseren etablierten und neuen Applikationen weiter ausbauen. Unser Ziel ist es, der führende Lösungsanbieter für Industrial Embedded Vision zu sein. In enger Zusammenarbeit mit den Vision-Unternehmen der TKH Gruppe werden wir Machine-Vision-Kunden weltweit das technologisch umfangreichste Portfolio aus Komponenten, Systemen und Lösungen bieten können.

Kontakt

Allied Vision Technologies GmbH

Taschenweg 2A
07646 Stadtroda
Deutschland

+49 36428 / 677- 0
+49 36428 / 677- 28

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