Industrielle Bildverarbeitung
Für ein starkes Europa
Euro- und Schuldenkrise, Brexit, Wahlerfolge von Rechtspopulisten, Alleingänge in der Flüchtlingspolitik, protektionistische Strömungen – da kann man schon missmutig werden im postfaktischen Zeitalter. Die Europäische Union, ganz Europa gar, befindet sich in einem permanenten Erregungszustand – nicht erst seit der Euro-Krise, Brexit und dem Flüchtlingsandrang.
Weltweit sind protektionistische Tendenzen auf dem Vormarsch, rechtspopulistische Parolen sind salonfähig und scheinen wahlentscheidend zu werden. Was ist nur mit dem „homo sapiens“ los?! Der Blick auf ein paar Fakten lohnt.
Europa – wichtiger Exportmarkt
Rund 201 Milliarden Euro betrug die Produktion von deutschen Maschinen- und Anlagen im Jahr 2015 mit einer Exportquote von rund 75 Prozent, Tendenz: steigend. Für den Maschinenbau ist das EU-Ausland der mit Abstand wichtigste Exportmarkt. Von Januar bis November 2016 exportierten Maschinenbauer aus Deutschland Güter im Wert von 66,8 Milliarden Euro in andere EU-Staaten, was 47 Prozent aller Ausfuhren entspricht.
In der Bildverarbeitung ist der Exportanteil mit rund 60 Prozent etwas geringer, doch für die Branche nicht weniger wichtig. Rund 25 Prozent des Umsatzes wird im europäischen Ausland erzielt.
Mit Sorge sieht der VDMA, dass die EU sich in einer existenziellen Krise befindet. „Ein Zerfall der EU würde die europäische Union im internationalen Wettbewerb weit zurückwerfen. Kein Land in Europa ist groß genug, um im Wettstreit mit Ländern wie China oder den USA allein zu bestehen. Der Binnenmarkt, der Euro und eine gemeinsame Handelspolitik sind die Geschäftsgrundlage der europäischen Wirtschaft“, sagte Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer unlängst und forderte: Europa verteidigen.
Europa verteidigen? Mehr Europa wagen!
Der VDMA ruft Wirtschaft und Politik dazu auf, sich gemeinsam für eine starke EU einzusetzen. Hierbei muss es aus meiner Sicht darum gehen, für ein besseres Verständnis zu werben, was Europa ausmacht. Sich mit den Werten und Gemeinsamkeiten auseinanderzusetzen, die Unterschiede nicht unter den Tisch zu kehren, sondern zu benennen und offen und fair zu diskutieren.
Europa ist heute zuvorderst ein gesellschaftliches Projekt und diese europäische Gesellschaft umfasst 500 Millionen Menschen. Sehr häufig habe ich bei Reisen nach Übersee die Erfahrung gemacht, dass meinen ausländischen Gastgebern die Bedeutung von Europa erst durch diese Zahl bewusst wurde. Und diese Europäische Union hat in den vergangenen Jahrzehnten vieles erreicht, sie hat den Frieden gesichert und den Wohlstand erhöht.
Ja, es stimmt: wir müssen das Projekt Europa verteidigen und dafür einstehen, wichtiger noch ist: wir müssen mehr Europa wagen, Europa als einen Veränderungsprozess begreifen und dabei akzeptieren, wenn nicht alle das Gleiche im gleichen Umfang zur gleichen Zeit wagen wollen. Eine gelebte Demokratie, eine möglichst umfassende politische Union, funktionierende Marktwirtschaft auf der Grundlage eines verständnisvollen Miteinanders: das ist meine Vorstellung von Europa.
Die VDMA-Fachabteilung geht den Weg der Europäisierung seit 2012 konsequent. Bereits 15 der 120 Mitglieder sind von außerhalb Deutschlands; der Vorstand hat sich ebenfalls europäisiert – zum Glück! Die drei nichtdeutschen Kollegen im Vorstand bringen einen ganz anderen Blickwinkel mit, die Diskussion ist lebendiger und aktiver geworden. Wir Bildverarbeiter können (und wollen) nicht alleine.
Gemeinsam erreichen wir definitiv mehr. Die Bildverarbeitungsindustrie erwirtschaftet in Deutschland rund zwei Milliarden Euro Umsatz und ist damit im Vergleich zu anderen Industrien eine sehr kleine (aber feine) Branche. Doch keiner von uns ist groß und stark genug, um alleine viel zu erreichen. Viel erreicht hingegen haben wir zusammen: sei es beim Aufbau von Wertschöpfungsketten, dem Etablieren von Kundenbeziehungen, dem Schaffen von Standards, um nur einige Beispiele zu benennen.
Und es liegen noch weitere Aufgaben vor uns wie z.B. die Rolle der Bildverarbeitung in der Fabrik der Zukunft aktiv zu gestalten – das geht nur miteinander. Von daher sage ich: mehr Europa wagen!