Bildverarbeitung

6D mit Wahrnehmungsfunktion, Kamera

Das Making-of eines neuen Kameratyps

20.05.2015 -

3D-Kameras sind bei vielen Inspektionsaufgaben die bessere Lösung als 2D-Kameras. Dennoch haben sie einen schweren Stand, da sie oft als zu kompliziert angesehen werden und meistens nur für eine spezifische Anwendung ausgelegt sind. Eine etwas andere, universelle 3D-Kamera zeigt jetzt neue Wege auf.

Im Vorfeld der Entscheidung für die Entwicklung und Herstellung einer 3D-Kamera nahm der Kamerahersteller Matrix Vision die beiden Branchen Verpackung und Logistik genauer ins Visier. In diesen Branchen wird die Mehrzahl der Inspektionsaufgaben zweidimensional gelöst. Um etwa kleine Vertiefungen und Oberflächenstrukturen sichtbar zu machen, werden spezielle Beleuchtungen verwendet; oft werden Aufnahmen mit verschiedenen Beleuchtungsrichtungen oder Farben nacheinander durchgeführt. Der Aufwand ist also recht hoch für etwas, das mit einem 3D-Ansatz einfacher zu lösen wäre.
Als Argumente gegen eine 3D-Kamera-Lösung wurden die hohen Kosten genannt, dass zudem jeder Anwendungsfall eine Sonderversion der Kamera erfordert und dass es nur wenige Systemintegratoren gibt, die sich mit 3D gut auskennen
Ausgehend von diesen Argumenten galt es zunächst, die vorhandenen 3D-Verfahren zu evaluieren. Das Ziel war dabei, möglichst viele Anwendungen mit einer Kamera realisieren zu können. Gleichzeitig sollte es aber keine Me-too-Lösung werden. Idealerweise sollten alle Vorteile der bisherigen Verfahren zusammengefasst werden, ohne deren Einschränkungen zu übernehmen.

Time of Flight
Time of Flight (TOF) Systeme senden Licht aus und messen die Phasenverschiebung des reflektierten Lichts (Abb. 1a). Der Abstand des Objektes kann durch diese Verschiebung ermittelt werden. Die Messung erfolgt sehr schnell und bewegte, wie auch stehende Objekte können gleichermaßen gut delektiert werden. Jedoch muss sich das ausgesendete Licht gegen das Umgebungslicht behaupten, was eine Anwendung in Außenbereich kaum möglich macht. Mehrfachreflektionen können zu Pseudoobjekten führen.

Laser-Triangulation
Bei der Laser-Triangulation wird eine Laser-Linie in einem definierten Winkel auf ein Objekt projiziert (Abb. 1b). Unter einem anderen Winkel wird die Szene von einer Kamera aufgenommen. Jede Höhenänderung führt zu einer Verschiebung der projizierten Linie im Bild. Damit lässt sich entlang einer einzelnen Linie ein Höhenprofil aufnehmen. Für die Erfassung wird das Objekt unter dem Aufnahmesystem bewegt, dabei muss die Aufnahmegeschwindigkeit mit der Bewegungsgeschwindigkeit des Objekts synchronisiert werden. Die Messauflösung als auch die Scanzeit sind bei diesem Verfahren recht hoch.

Streifen-Projektion
Die Streifen-Projektion ähnelt der Laser-Triangulation. Hier werden aber gleich mehrere Streifen mittels eines Projektors auf die Szene projiziert (Abb. 1c). Anstatt das Objekt zu bewegen, verschiebt man die Streifen mit dem Projektor solange, bis sich das Streifenmuster wiederholt. Damit braucht dieses Verfahren nur 10-30 Bildaufnahmen anstatt hunderte. Die Messgenauigkeit ist sehr hoch. Sie hängt vom Projektionswinkel und von dem konstant zu haltenden Abstand zwischen Projektor und Kamera ab. Damit ist das System jedoch empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und mechanischen Beanspruchungen. Mittels einer zweiten Kamera kann man ein Stereosystem aufbauen. Damit wird das Problem eliminiert, einen heißen Projektor in einer konstanten Position halten zu müssen. Die anderen Nachteile des Verfahrens bleiben jedoch erhalten.

Strukturiertes Licht
Ein weiteres Verfahren verwendet sogenanntes strukturiertes Licht. Hierbei projiziert eine statische Lichtquelle eine unregelmäßige Struktur auf das Objekt (Abb. 1d). Die Lichtquelle ist mit einem definierten Abstand zur Kamera angebracht. Das Messprinzip ist mit dem Stereoverfahren vergleichbar. Eine erweiterte Ausführung dieses Verfahrens verwendet zwei Kameras. Das hat den Vorteil, die Beleuchtungsquelle im Winkel und Abstand nicht konstant halten zu müssen. Sie Szene wird mit einer einzigen Aufnahme erfasst und die Tiefeninformationen kann berechnet werden. Allerdings ist die Messauflösung niedriger als bei der Streifenlichtprojektion, da sich die projizierte Struktur in mehr als einem Pixel abbilden muss.

Fazit der 3D-Verfahren
Typischerweise werden alle beschriebenen Systeme für einen vordefinierten Messbereich gebaut. Die Gegenüberstellung zeigt, dass jedes Verfahren gewisse Vorteile für individuelle Anwendungsfälle bietet. Das macht die Auswahl für den Anwender entsprechend schwer. Ein universelles System, das alle Vorteile in sich vereint und nur wenige Nachteile hat, wäre also ein lohnendes Entwicklungsziel.

Die Lösung: 6D
Das Ergebnis der Entwicklungsarbeit, die unter anderem auf der Basis der Bewertung der verschiedenen 3D-Verfahren erfolgte, ist die Perception Camera „mvPerCam" (Abb. 2). Sie basiert prinzipiell auf dem Stereoverfahren gepaart mit strukturiertem Licht. Um ein größeres Messfeld zu erreichen und um nicht unterschiedliche Kameraabstände sowie -winkel in der Produktion sonderfertigen zu müssen, wurde noch eine dritte Kamera integriert. Dadurch ist es möglich, das System als eine universelle Multistereo-Kamera einzusetzen. Jede Kombination zweier Kameras ermöglicht unterschiedliche Arbeitsbereiche. Objekte in nahem Abstand zur Kamera werden von den Kameras mit dem kürzesten Abstand am besten erfasst und die fernen Objekte von den Kameras mit dem weitesten Abstand.
Das Stereoverfahren lebt davon, dass in beiden Bildern die gleiche Struktur gefunden wird. Um auch die Messung von unstrukturierten Flächen zu ermöglichen, beleuchtet die mvPerCam das Objekt mit einem strukturierten Licht, womit dem Objekt eine zusätzliche Struktur hinzugefügt wird.
Berechnet werden nicht nur die Tiefeninformationen, sondern auf Wunsch auch die Bewegungsinformationen. Auch diese liegen im 3D-Raum als Vektoren (vx, vy, vz) vor. Somit handelt es sich bei dem neuen System um eine 6D-Kamera, mit der auch bestimmt werden, ob sich ein Objekt von der Kamera weg oder zu ihr hin bewegt. Diese Daten sind zusätzlich farbig und werden im RGB-Farbraum abgebildet. Somit ist die Kamera auch für zukünftige Farb-Anwendungen gewappnet.
Das Streifenlichtprojektionsverfahren oder das Lasertriangulationsverfahren allgemein haben eine hohe Auflösung, die eine Trennung auch eng aneinander liegende Objekte ermöglicht. Ein 3D-System auf Basis des Stereoverfahrens benötigt hierzu eine hohe X/Y-Auflösung, was wiederum das Sichtfeld einschränkt oder die Bildrate reduziert. Um nun eng aneinander liegende Objekte trennen zu können, wird mit der neu entwickelten Kamera eine zusätzliche strukturierte Beleuchtung auf die Szene projiziert.
Die Verarbeitung der umfangreichen Bilddaten ist komplex und erheblich aufwendiger als das für ein 2D-Graubild der Fall wäre. Deshalb wurde eine sogenannte Wahrnehmungsfunktion integriert. Mit weichen, formbeschreibenden Begriffen beschreibt der Anwendungsentwickler, welche Objekte ihn interessieren. Gerade diese Wahrnehmungsfunktion ermöglicht eine sehr einfache Anwendung der Kamera und macht damit erst den Masseneinsatz möglich. Natürlich kann der 3D-erfahrener Benutzer auch die ungefilterten Daten direkt mit seinen 3D-Cloud-Matching-Verfahren verarbeiten.
Typische Anwendungsgebiete der mvPerCam sind in der Logistik und Packaging unter anderem die Bereiche Paket-Kontrolle, Pick & Place, Palettierung, Laden und Entladen von LKWs, Depalettierung. Ferner ist die Kamera auch für Anwendungen in den Gebieten Verkehrstechnik, Messtechnik, Fertigungskontrolle, Medizintechnik / Sport, Roboterführung, Food und Recycling geeignet.

Merkmale der 6D-Kamera
+ Video-Echtzeit (30Hz)
+ Hohe X-, Y-Auflösung (1024 x 1024 px)
+ Messbereich von ca. 25 cm bis 250 cm
+ Messauflösung ca. ±40 µm bei 25 cm; ca. ±3,5 mm bei 250 cm
+ Keine Pseudo-Objekte
+ Hohe Messdichte durch hohe Sensorauflösung
+ Tiefenkarte mit einer Aufnahme
+ Still stehende Objekte erlaubt
+ Vereinzelung eng anliegender Objekte
+ Schnell bewegte Objekte erlaubt
+ Scanzeit = eine Shutterzeit (10µs - 30ms)
+ Nur eine Kamera für Nah und Fern
+ Automatische Kalibration ohne Vorlage
+ Objekt-Erkennung anhand ihrer Bewegung
+ Bildübertragung per GenICam

Kontakt

Balluff MV GmbH

Talstr. 16
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