Präzise unter harten Bedingungen
Zuverlässige Inline-Messungen in Fertigungsumgebungen
Im Bereich der Messtechnik zählt die Entwicklung tragbarer Messgeräte zu den bedeutendsten Änderungen in den vergangenen Jahrzehnten. Mit ihrer Hilfe können Inspektionen im Fertigungsbereich direkt am Teil vorgenommen werden. Tragbare Messarme und die Einführung von Laser-Trackern führten zur Revolution der branchenüblichen Prüfverfahren.
Das Messen mit tragbaren Systemen steht trotz aller positiven Entwicklungen noch immer vor zahlreichen Herausforderungen. In Produktionsumgebungen sind digitale Koordinatenmessgeräte permanenten Vibrationen durch Fertigungsanlagen, wie beispielsweise Bearbeitungszentren, Pressen, Transport- und Beförderungsgeräten oder Kränen, und Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt. Darüber hinaus sind die Zugänglichkeit des Messbereichs und die unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen der Bediener ein Problem. Lösungen für genaue und zuverlässige Fließbandmessungen sollten daher hochentwickelt und gleichzeitig anwenderfreundlich sein.
Messungen an laufenden Fließbändern
Eine der wesentlichen Herausforderungen an Messungen im Fertigungsbereich ist das Messen von Objekten auf einem laufenden Fließband. Hier müssen Teile innerhalb kürzester Zeit (i.d.R. in weniger als einer Minute) mit einer Genauigkeit von unter 1/10 mm gemessen werden, was normalerweise nur bei statischen Teilen möglich ist. Sofern die Systeme nicht automatisch arbeiten, muss die Messung vom Fließbandbediener vorgenommen werden, der meistens kein ausgebildeter Messtechniker ist. Dies kann sich erheblich auf die Messqualität auswirken, wie dem Bericht „How Behavior Impacts Your Measurement" (Auswirkung des Bedieners auf Messungen) zur Untersuchung von Messungen zu entnehmen ist. Die Untersuchung kommt u.a. zu dem Schluss, dass menschliches Versagen einer der Hauptfaktoren für fehlerhafte Messungen ist [1].
Die tragbaren optischen Koordinatenmessgeräte (KMG) von Creaform mit ihrer Truaccuracy-Technologie eröffnen heutzutage ganz neue Möglichkeiten der 3D-Messung und vereinfachen das Messen in Fertigungsumgebungen mit laufenden Fließbändern. Die Technologie verfügt über Funktionen zur Selbstpositionierung und dynamischen Referenzierung, die dafür sorgen, dass das Messgerät über eine optische Verbindung kontinuierlich mit dem zu messenden Teil „synchronisiert" ist.
Ohne eine starre Vorrichtung oder bei Verwendung eines instabilen Stativs wird der Messvorgang durch Vibrationen oder andere Einflüsse, die in Fertigungsbereichen vorherrschen, beeinträchtigt. Sie können sich nachfolgend auf das Messsystem und das gemessene Objekt übertragen oder unter Umständen sogar verstärkt werden [2]. Mit der neuen Technologie sind Positionsänderungen und somit das Messen beweglicher Teile, beispielsweise auf einem kontinuierlich laufenden Fließband, möglich.
So funktioniert es
Wie bei jeder 3D-Messung ist zunächst eine Ausrichtung erforderlich, bei der alle Messungen auf denselben Bezugspunkt gesetzt werden. Sie ermöglicht es dem Anwender, die gemessenen Werte mit den aus CAD-Dateien gezogenen theoretischen Werten zu vergleichen. Wenn die gesamte Messung in nur einer Minute vorgenommen werden muss, wäre eine manuelle Ausrichtung hinsichtlich Zeit und Zuverlässigkeit und des damit einhergehenden hohen Fehlerrisikos unrealistisch. Der logische Schritt ist somit die automatische Ausrichtung, die wiederum nur mit einem optischen Koordinatenmessgerät realisiert werden kann.
Werden einige wenige reflektierenden Targets auf einem Montagegestell zuvor einmal optisch mit einem tragbaren KMG gemessen und dann mittels Abtasten weniger Punkte einmal mit dem Bezugspunkt des Teils verknüpft, kann das tragbare KMG automatisch auf das Teil ausgerichtet werden, sobald das entsprechende Muster erkannt wird.
Während sich also viele verschiedene Montagegestelle mit verschiedenen Target-Mustern und Ausrichtungspunkten entlang eines Fließbands bewegen, wird jeweils ein codiertes Target auf dem Gestell positioniert, um den jeweiligen Typ des Montagegestells automatisch zu ermitteln (Abb. 1). Es ist auch möglich, Teile, die von verschiedenen Modellen auf demselben Fließband stammen könnten, automatisch zu identifizieren und die zugehörigen korrekten theoretischen Werte zu laden. So kann die Ausrichtung automatisch vorgenommen werden. Anschließend lassen sich die Werte der aktualisierten Teile und die Messwerte miteinander vergleichen.
Eine automatische Ausrichtung ist auch mithilfe eines einfachen Werkzeugs möglich, das über Targets verfügt und schnell und einfach auf das zu messende Teil geklemmt und nach der Messung wieder entfernt wird. Die Targets müssen in einem gemeinsamen Referenzsystem für das Teil und das Werkzeug registriert werden. Die in Abbildung 2 gezeigten Werkzeuge bestehen aus einer T-förmigen Platte mit V-Kante und Targets. Die Platte ist passgenau mit der Vorderseite der Bremsscheibe. Die V-Kante ist passgenau mit dem großen Zylinder nahe der Bremsscheibe.
Durch eine automatische Ausrichtung lässt sich der Zeitaufwand für Messungen drastisch reduzieren, zudem können wesentliche Fehlerquellen beseitigt werden.
Nachdem das zu messende Teil ausgerichtet wurde, kann der Anwender mit der Messung der Punkte auf dem Teil beginnen. Da die verfügbare Messzeit insbesondere bei kontinuierlich laufenden Fließbändern sehr kurz ist, beschränkt sich die Messung für gewöhnlich auf einige wenige Punkte (i.d.R. 10).
Ein bekannter deutscher Automobilhersteller prüft beispielsweise mithilfe des Systems von Creaform Teilbaugruppen auf Fließbändern, um die Zentrierung der Teile in den Endbaugruppen zu optimieren. Dazu werden an jedem Teilende vier Punkte verwendet. Ein weiterer Punkt dient zur Definierung des Nullpunkts. Auf einem anderen Fließband kontrolliert dieser Automobilhersteller über ein gleiches System die Befestigungspunkte, um bereits im Vorfeld fehlerhafte Teile zu identifizieren, die bei den nachfolgenden Montageschritten zu einem Stopp des Fließbands führen könnten. Diese gesammelten Daten werden auch zur fein Justierung bei der Montage mit einen Roboter verwendet.
Im Anwendungsfall der Bremssysteme (Abb. 2) wird der Winkel zwischen Fahrwerkfederbein und Bremsscheibe nach der Montage lediglich anhand von vier Punkten geprüft. So kann vermieden werden, dass Fehler erst bei der abschließenden Qualitätskontrolle festgestellt werden. Werden fehlerhafte Teile vor ihrer Montage repariert, können erhebliche Kosten eingespart werden.
Um den Messvorgang für Fließbandbediener zu erleichtern, können spezielle Programme entwickelt werden, die eine Standardmesssoftware verwenden und den Bediener durch den Ablauf leiten. Mit einem Blick auf den Bildschirm sieht er dann sofort, wo die Sonde anzusetzen ist. Für eine höhere Messsicherheit können so die wirklich notwendigen Punkte erfasst werden. Sondiert der Bediener Punkte außerhalb der vordefinierten Bereiche, werden diese nicht angenommen. Die Ergebnisse werden anschließend automatisch und in den kundendefinierten Berichtsformaten gespeichert.
Alle genannten Messbeispiele wurden mithilfe einer Sonde vorgenommen. Genau dieselben Ergebnisse lassen sich auch mit einem tragbaren Koordinatenmessgerät mit einem 3D-Scanner erzielen.
Wie bisher gemessen wurde
Vor der Einführung neuer Technologien und Methoden wurden Messungen an Fließbändern auf zwei Arten vorgenommen.
Bei der ersten, am häufigsten verwendeten Methode, wurden Musterteile vom Fließband genommen und mit einem herkömmlichen Koordinatenmessgerät geprüft. Diese Methode unterlag folgenden Hauptbeschränkungen:
- Es konnten nicht alle Teile kontrolliert werden und es wurden nur Abweichungen im Fertigungsprozess erkannt. Zudem konnte ein einzelnes defektes Teil unerkannt den gesamten Prozess durchlaufen.
- Das KMG wurde zur Schwachstelle, da die Prüfzeit weitaus länger war als die Taktzeit.
- Es kam zu einem Kohärenzverlust, indem ein Teil vom Fließband genommen wurde. Wenn es später nicht wieder an der richtige Stelle im Ablauf eingesetzt wurde, waren Probleme bei der Qualitätskontrolle die Folge.
Die zweite Methode basierte auf Kontrollspannvorrichtungen mit manuellen oder elektronischen Messinstrumenten. Mit diesen Spannvorrichtungen ließen sich alle oder zufällig ausgewählte Teile prüfen. Die Hauptbeschränkungen waren:
- Die untragbar hohen allgemeinen Kosten. Denn für jedes Teilmodell musste eigens eine neue Spannvorrichtung entwickelt oder eine alte Spannvorrichtung entsprechend angepasst werden.
Auf dem Weg zur automatisierten Messung!
Heute lassen sich mit dem tragbaren Koordinatenmessgerät von Creaform hunderte von Targets exakt und unmittelbar messen. Insbesondere beim Tracking von Teilen während des Montageprozesses ist dies enorm nützlich.
Zum Beispiel verwendete ein renommierter Hersteller von Raketen die Lösung von Creaform, um die Positionierung des Zündsystems im oberen Teil des Pulver-Boosters dynamisch und mit einer Genauigkeit von 20 µm anzusteuern. Eine solche Genauigkeit wird durch ein Setup im letzten Teil einer über 50 m hohen Montagehalle ermöglicht, deren Boden ausschließlich aus Gitterrosten auf einer Metallkonstruktion besteht.
Dank dieser innovativen Funktionen lässt sich zudem ein Scanner an das Ende eines Roboterarms anbringen. Mit einem tragbaren KMG kann dieser Scanner verfolgt und gleichzeitig festgestellt werden, ob sich die gemessenen Teile bewegen oder nicht. So lässt sich ein vollautomatischer Prüfprozess realisieren.