Drum prüfe, was sich ewig bindet…
Wärmebildkameras helfen bei der Überwachung innovativer Fügetechnik
Industrien wie der Automobil-, Flugzeug- und Eisenbahnbau verwenden zunehmend neue Verbundwerkstoffe wie Karbon. Diese Materialien bieten zahlreiche Vorteile bei der Konstruktion und Produktion - u.a. hohe Leistungsfähigkeit und geringes Gewicht - stellen aber auch neue Herausforderungen in Bezug auf Herstellung, Inspektion und Instandhaltung. An der Universität Paderborn beschäftigen sich Forscher speziell mit der Entwicklung von Verbindungstechniken für Verbundwerkstoffe.
Das Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) der Universität Paderborn ist eine national und international anerkannte Forschungseinrichtung mit Schwerpunkt auf Verbindungs- und Werkstofftechnik. Sowohl Reinmaterial-Kombinationen als auch Hybrid- oder Verbundwerkstoffe erfordern neue und optimierte Fügetechniken. Dazu gehören mechanisches Fügen, Kleben, thermisches Verkleben oder Verschweißen und Hybridfügen (eine Kombination der vorgenannten Techniken). Ein wichtiges Ziel ist die ökonomische Entwicklung und Fertigung energieeffizienter und erschwinglicher leichter Strukturen durch die spezielle Erforschung von Materialien und Fügetechniken.
Thermografie bei der zerstörungsfreien Prüfung
Neben der Entwicklung neuer Fügeverfahren führt das LWF auch experimentelle und numerische Prozesssimulationen, Spannungsanalysen und Lebensdauerprognosetests mit zusammengefügten Hybridstrukturen unter Einsatzbedingungen durch. Bei diesen Tests nutzen die Forscher nun auch die Leistungsfähigkeit von Wärmebildkameras.
"In unserem Forschungsbereich braucht man eine Technologie, mit der man große Flächen schnell inspizieren kann, ohne irgendetwas auseinanderbauen zu müssen, und die Inspektionsergebnisse rasch analysieren kann", erklärt Dipl.-Ing. Frederik Bröckling, Forscher am LWF. "Wärmebildkameras bieten genau diese Technologie." Die IR-Thermografie lässt sich grundsätzlich in zwei Ansätze unterteilen. Der passive Ansatz prüft Materialien und Strukturen, die eine andere natürliche (oft höhere) Temperatur als ihre Umgebung haben, während beim aktiven Ansatz ein externer Impuls erforderlich ist, um relevante Wärmekontraste zu induzieren. Die Paderborner Forscher nutzen sowohl aktive als auch passive Thermografieverfahren.
Passive Thermografie
Im LWF wird die passive Thermografie mit einer Flir SC7650 Kamera speziell bei der Erforschung und Überprüfung von Schweißverfahren (thermisches Fügen) eingesetzt, da das Schweißen naturgemäß mit extrem hohen Temperaturen verbunden ist. Beim thermografischen Überwachen von Widerstandspunktschweißverfahren können zusätzliche Informationen über die Inhomogenität innerhalb einer Verbindung gewonnen werden. Bei einer guten Schweißnaht kommt es darauf an, das Metall gleichmäßig auf Schmelztemperatur zu erhitzen. Wenn man sich das Wärmebild einer Schweißnaht ansieht, kann man unterschiedliche Temperaturbereiche erkennen. Die von der Kamera gemessene Temperatur ist ein guter Indikator für die Festigkeit der Naht: Eine Schweißnaht gilt als akzeptabel, wenn Durchschnittstemperatur und Standardabweichung der Temperatur bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten.
Aktive Thermografie
Zur Erforschung von mechanischen, Klebe- und Hybridverbindungen setzt das LWF auch die Aktiv-Thermografie ein. Dabei vertraut das Institut auf eine spezielle NDT-Lösung (NDT = non-destructive testing, zerstörungsfreie Prüfung) des deutschen Vision-Sensor-Spezialisten Automation Technology, die ebenfalls eine Flir SC7650 Kamera umfasst. Das gesamte System, IR-NDT genannt, unterstützt eine Vielzahl von NDT-Verfahren basierend auf der Aktiv-Thermografie, einschließlich Lock-In-Thermografie (mit einem periodischen Wärmeimpuls), Impuls-Thermografie (mit kurzen Energieimpulsen) und der thermischen Belastungsanalyse (Untersuchung der mechanischen Belastung von Komponenten durch thermoelastische Effekte).
Beim Aufbau von Automation Technology wird das untersuchte Material von einer Wärmequelle thermisch angeregt. Der thermische Energiefluss durch das Material hat direkten Einfluss auf die Temperaturentwicklung an der Objektoberfläche. Diese Temperaturentwicklung wird für eine bestimmte Dauer mit einer Wärmebildkamera aufgezeichnet und anschließend von der IR-NDT Software analysiert. Die Software errechnet mittels mathematischer Analyse ein resultierendes Bild und liefert den Forschern Informationen sowohl über die innere Struktur des Materials als auch mögliche Defekte im Material.
Die Kamera
Forschungsanwendungen gehören zu den größten Herausforderungen für Wärmebildkameras. Dasselbe gilt für dieses Projekt. Laut Frederik Bröckling erwies sich die Flir SC7650 aus verschiedenen Gründen als die beste Wahl: "Wegen der Leitfähigkeit bestimmter Materialien waren Geschwindigkeit und Bildrate der Kamera sehr wichtig für uns. Setzt man beispielsweise Aluminium einem Wärmeimpuls aus, ist die Geschwindigkeit, mit der das Aluminium Wärme aufnimmt und abgibt, so hoch, dass man für eine präzise Aufzeichnung eine Hochgeschwindigkeitskamera braucht." Je nach Modell und Detektor liefert die eingesetzte Kamera Wärmebilder mit bis zu 62.000 Hz. Das „Windowing"-Verfahren ermöglicht es, einen Teil des Gesamtbildes mit einer benutzerseitig einstellbaren Fenstergröße und dadurch deutlich höherer Bildrate selektiv darzustellen.
"Außerdem brauchten wir eine Kamera, die man extern auslösen und mit verschiedenen Objektiven kombinieren kann. Mitunter müssen wir Beobachtungen aus sehr kurzer Entfernung vornehmen können. In anderen Fällen, beispielsweise bei Schweißanwendungen, müssen wir einen gewissen Abstand einhalten, um die Kamera keinen elektrischen und thermischen Störeinflüssen auszusetzen. Für diese unterschiedlichen Anforderungen braucht man verschiedene Objektive."
Flir Systems bietet zudem eine Reihe spezieller Funktionen, die sich in der Forschungspraxis als sehr wertvoll erwiesen haben. Die CNUC-Technologie beispielsweise ist ein geschütztes Kalibrierungsverfahren, das für eine hervorragende Bildstabilität sorgt. Ferner gewährleistet diese Art der Kalibrierung eine präzise Messstabilität, ungeachtet von Schwankungen der Umgebungstemperatur, denen die Kamera eventuell ausgesetzt ist. Die geschützte Funktion Hypercal sorgt für den optimalen Messbereich mit der höchsten Empfindlichkeit. Man stellt einfach den oberen und unteren Grenzwert für die Temperatur ein, und die Kamera passt die Integrationszeit (Belichtung) automatisch entsprechend an.