Bildverarbeitung

Networking und Management im Dienste der Innovationsförderung

Der Leiter der Geschäftsstelle der Fraunhofer-Allianz Vision im Interview

13.05.2015 -

Im Bereich der anwendungsorientierten Forschung nehmen die Institute und Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft eine prominente Stellung ein. Technologie- und Zukunftsthemen spiegeln sich unter anderem in den Verbünden und Allianzen innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft wider. Im Bereich der industriellen Bildverarbeitung und der optischen Mess- und Prüftechnik bündelt die Fraunhofer-Allianz Vision die Kompetenzen von relevanten Instituten.
Mit Michael Sackewitz, Leiter der Geschäftsstelle der Fraunhofer-Allianz Vision in Fürth, sprach inspect über die Aufgaben der Fraunhofer-Allianz Vision im Rahmen der Technologie- und Innovationsförderung.

inspect: Herr Sackewitz, in den letzten 25 Jahren hat die industrielle Bildverarbeitung eine immense Verbreitung erfahren und erobert weitere Anwendungsfelder. Seit wann nimmt die Fraunhofer-AIIianz Vision aktiv an dieser Entwicklung teil und mit welcher anfänglichen Intention wurde sie ins Leben gerufen?

M. Sackewitz: Die Fraunhofer-AIIianz Vision wurde im Jahr 1997 als erste Allianz bei Fraunhofer als thematischer Zusammenschluss von Fachabteilungen für Bildverarbeitung und optische Messtechnik geründet. Damit waren wir auch namengebend für die anderen Fraunhofer-AIIianzen. Das Organisationsmodell basiert bis heute auf einer freiwilligen Zusammenarbeit in einem Netzwerk aus Fraunhofer-Einrichtungen. Derzeit umfasst die Allianz Vision 16 Mitglieder. Alle Fraunhofer-AIIianzen verfügen mittlerweile über eine eigene Geschäftsstelle, die den Informationsaustausch und die Interaktionen im Netzwerk koordiniert.
Auslöser für die Gründung der Fraunhofer-AIIianz Vision war eine besondere Situation, die meinen Vorgänger zu diesem Kooperationsmodell bewegt hatte. Seinerzeit gaben sich mehrere Fraunhofer-lnstitute bei ein und demselben Unternehmen als Wettbewerber die Klinke in die Hand. Für die Institute wäre es natürlich günstiger gewesen, an einem Strang in die gleiche Richtung zu ziehen. So entstand die Idee, sich im Vorfeld, in der Angebotsphase auf eine beste Fraunhofer-Antwort für den Kunden festzulegen und mit einer Stimme zu sprechen. Außerdem sollte es innerhalb von Fraunhofer keine Wettbewerbssituation um das gleiche Projekt geben. Also wurden letztendlich Netzwerkstrukturen eingerichtet, die es bis dahin in dieser Form auf freiwilliger Basis nicht gab.

inspect: Wie trägt die Fraunhofer-Allianz Vision dazu bei, dass Forschung und Industrie im Bereich der industriellen Bildverarbeitung und der optischen Mess- und Prüftechnik zusammen kommen?

M. Sackewitz: Wir als Geschäftsstelle der Fraunhofer-AIIianz Vision konzentrieren uns auf die schon erwähnte technologisch beste Fraunhofer-Antwort im Hinblick auf einen Kundenbedarf. Wenn Fraunhofer eine relevante Anfrage erreicht, ist unsere Geschäftsstelle die erste Anlaufstelle. Anfragen aus dem Markt, die meist noch unscharf sind und noch nicht klar einer Technologie oder einem Institut zugeordnet werden können, geben wir koordiniert weiter und navigieren sie zu den aus unserer Sicht richtigen Partnern im Netzwerk.
Interessenten und potentiellen Kunden bieten wir über unsere Geschäftsstelle auch eine erste Abschlussberatung. Manchmal formen wir Konsortien aus mehreren Instituten, die entsprechende Lösungsbeiträge bieten und im Rahmen dieser Projektinitiierung wirken wir koordinierend. Wenn es nach der Auftragserteilung an die fachliche Ausarbeitung geht, erfolgt die operative Abwicklung des Projektes in aller Regel über die Institute.

inspect: Welche Ziele verfolgt die Fraunhofer-Allianz Vision?

M. Sackewitz: Unsere Ziele orientieren sich an der gemeinsamen Bearbeitung und Vermarktung verbindender Themen und Geschäftsfelder der industriellen Bildverarbeitung und optischen Mess- und Prüftechnik. Im Vordergrund steht die Nutzbarmachung zukunftsträchtiger Technologien für industrielle Anwendungen. Mit der klaren Ausrichtung auf die angewandte Forschung befinden wir uns an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft und wir sehen unsere Aufgabe darin, Kooperationen anzubahnen und den Technologietransfer an dieser Schnittstelle zu managen.
Aber es geht nicht nur um die Betreuung aktueller fachlicher Themen. Mit der Kooperation im Netzwerk wollen wir die Markterfordernisse frühzeitig erkennen, um technologische Herausforderungen gemeinsam angehen zu können. Der dafür notwendige Informationsaustausch und Kompetenzaufbau erfolgt jedoch nicht selbstorganisiert, sondern bedarf eines aktiven und unabhängigen Netzwerk-Managements, also einer Geschäftsstelle, die mit Personen besetzt ist. Zu deren Aufgaben gehört auch, als zentrale Instanz des Vertrauens moderierend zu wirken und die übergeordnete Rolle als Anwalt der Netzwerkidee wahrzunehmen.

inspect: Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie im Rahmen der Aktivitäten der Fraunhofer-Allianz Vision und wie begegnen Sie ihnen?

M. Sackewitz: Besondere Herausforderungen denen wir uns stellen, ergeben sich unter anderem aus der Fragmentierung des Technologiefeldes. Industrielle Bildverarbeitung und optische Mess- und Prüftechnik sind ausgeprägte Querschnittstechnologien und damit für alle Stufen der industriellen Wertschöpfung relevant. Das ist ein weites fruchtbares Feld, das es zu beackern gilt. Um unter anderem dieser Fragmentierung Rechnung zu tragen, haben wir für unsere Netzwerktätigkeit drei wesentliche Handlungsfelder definiert: Kooperationsplattformen, Projektinitiierung und lnformationstransfer.
Wir wollen Fachforen und Kongresse, wie zum Beispiel unseren Technologietag, als Kooperationsplattformen anbieten, auf denen sich die Technologie, repräsentiert durch Fraunhofer-Einrichtungen und Partnerorganisationen, und der Markt, repräsentiert durch die Nachfrager bzw. Anwender, treffen. So lässt sich ein Matching gewährleisten, mit dem wir Entscheider der beiden Seiten zusammenbringen und damit effiziente Projektinitiierung betreiben.
Wir wollen hochwertige Formate generieren und unseren Zielgruppen möglichst objektive, werthaltige Informationen bieten. Letztendlich dienen neben dem Technologietag als Überblicksveranstaltung auch unsere Seminare mit Praktikum der koordinierten Projektanbahnung. Ein weiterer Weg zur Projektinitiierung, den wir gehen, sind Workshops bei repräsentativen Unternehmen wichtiger Anwenderbranchen, also dort, wo der Bedarf anliegt. Hier geht es darum, Marktanforderungen in vorher vom Kunden priorisierten Themenfeldern kennenzulernen und dazu korrespondierende Technologiepotenziale durch Fraunhofer aufzuzeigen.

inspect: Nach der erfolgreichen Beendigung eines Projektes kann das Resultat oft auf den Fraunhofer Gemeinschaftsständen, wie zum Beispiel auf der gerade zu Ende gegangenen Control 2015 begutachtet werden. Welche Aufgaben fallen Ihnen und ihrem Team hierbei zu?

M. Sackewitz: Messen sind auch Kooperationsplattformen, auf denen sich Angebot und Nachfrage treffen. Da für uns das Anwendungsfeld der Qualitätssicherung besonders wichtig ist, sind wir regelmäßig auf der Control in Stuttgart mit einem großen Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-AIIianz Vision präsent. Hinzu kommt die Sonderschau "Berührungslose Messtechnik", die heuer bereits zum elften Mal stattfand und die wir in enger Kooperation mit dem Messeveranstalter durchführen.
Im Zuge einer solchen Messe gibt es für unser Team einiges zu tun. Über unsere Geschäftsstelle übernehmen wir alle übergeordneten Arbeiten zur Projektierung und Organisation, die ein solcher Gemeinschaftsstand mit sich bringt. Bei der Control haben wir auch die Standleitung während der Messe inne und erledigen das gesamte korrespondierende Marketing und die Pressearbeit vor, während und nach dem Messeauftritt. Wir positionieren ein Leitthema für die Besucher und die Medien und übernehmen am Ende auch die Evaluierung des Messeauftritts für die einzelnen Institute. Jeder Aussteller bekommt seine individuelle Auswertung.
Es ist bei Fraunhofer nicht der Regelfall, dass eine so umfangreiche Organisation von einer Geschäftsstelle wie der unseren durchgeführt wird. Das wird normalerweise von zentraler Stelle bei Fraunhofer übernommen.
Wir sind zudem auch im Messebeirat vertreten, so dass wir im direkten Kontakt zum Messeunternehmen vorausschauend die Themen der industriellen Bildverarbeitung zunehmend prominent auf der Control platzieren können.

inspect: Wie trägt die Fraunhofer-Allianz Vision die Forschungsthemen und -aktivitäten rund um die industrielle Bildverarbeitung und der optischen Mess- und Prüftechnik in die Öffentlichkeit?

M. Sackewitz: Hier steht die dritte Säule, die Information im Mittelpunkt. Wir möchten dazu beitragen, dass Fraunhofer als unabhängiger Kompetenzträger mit hoher Expertise wahrgenommen wird. Und wir wollen marktrelevante, objektive Informationen mit hoher Reichweite in Richtung Wirtschaft, Wissenschaft und Politik verbreiten. ln der Politik werden die Förderrichtlinien ausgearbeitet, die wir natürlich gern positiv mitgestalten wollen. Letztlich geht es darum, Impulse zu setzen, welche die industrielle Bildverarbeitung als interdisziplinäres Thema deutlich sichtbar positionieren sollen, zum Beispiel für Fördergeber bei der Planung künftiger Förderschwerpunkte und -programme. Auch die Rahmenbedingungen, die nötig sind, dass Technologien marktreif werden und sich im industriellen Umfeld etablieren können, wie Normung und Standardisierung, wollen wir ins Bewusstsein rücken. Denn es besteht ein gemeinsames verbindendes Interesse aller Stakeholder, die laufenden Prozesse transparent zu machen und zu forcieren.
Auch dem Kreis der Anwender bieten wir mit unseren Veröffentlichungen zu praxisrelevanten Themen und Technologien einen leichten lnformationszugang. So verbreiten wir unter unserer Marke auch bekannte Publikation wie z.B. unsere Leitfaden-Reihe mit aktuell 14 Bänden. Schließlich stützen sich die Informationsaktivitäten auch zunehmend auf elektronische Medien, wie unser Webauftritt verdeutlicht.

inspect: Wie gibt man Forschung eine Richtung und was kann die Fraunhofer-Allianz Vision dazu beitragen?

M. Sackewitz: Bevor man lossteuert, muss klar sein, was attraktive Zielmarken des künftigen Bedarfs sind, auf die man seine Forschungsarbeit ausrichten möchte. Um jedoch plausibel Zukunftsannahmen treffen zu können, bedarf es zuverlässiger, belastbarer Informationen als Entscheidungsgrundlage, die man erst einmal recherchieren, bezüglich ihrer Relevanz einordnen und dann bewerten muss. Dazu benötigt man ein Instrumentarium und einen Prozess, der dazu geeignet ist, diese Entwicklungsschritte methodisch abzubilden. Wir nennen diesen Prozess im klassischen Sinne auch „Roadmapping". ln diesen Prozess sind die entsprechenden Institute und die relevanten Stakeholder einbezogen.
Wir beobachten dabei Triebkräfte von Innovationsprozessen und erfassen in unserem thematischen Umfeld auch deren Auswirkungen auf Technologien und Märkte von morgen. Auf dieser Grundlage ist es möglich, zukünftige Anwendungspotentiale für Technologien systematisch zu sondieren. Wichtig ist es aber auch, die andere Seite entsprechend zu betrachten, nämlich welche Anwendungsschwerpunkte werden aus Sicht des Marktes heute und für die Zukunft wahrgenommen.
Dieses Roadmapping reicht fast bis zu den Ursprüngen der Fraunhofer-AIIianz Vision zurück. Allerdings ist das Vorgehen in den letzten zwei Jahren mit geordneten kontrollierten Prozessen und regelmäßigen Reviews stärker systematisiert worden. Es ist sozusagen ein Layout für eine belastbare, nachvollziehbare und fortschreibbare Technologie- und Marktbeobachtung entstanden.
Wir sehen, dass viele strukturell vorgeprägte Trends der vergangenen Jahre jetzt zunehmend greifbarer werden und sich daher auch relativ gut vorzeichnen lassen. Die Prognosen werden stabiler und bieten die Möglichkeit, echte Vorausschauprozesse zu generieren und die Marktanforderungen der Zukunft abzuleiten.

inspect: Wie sieht es mit den Zeiträumen aus, die sich mit einem solchen systematischen Roadmapping-Prozess abbilden lassen?

M. Sackewitz: Das ist pauschal relativ schwierig einzuschätzen, da es auf die jeweils betrachtete technologische Entwicklung ankommt. Bei der Computertechnik, mit der die Bildverarbeitung eng verzahnt ist, lassen sich zum Beispiel hinsichtlich der Rechnerleistung längere Prognosen abgeben, da hier die Gültigkeit des Mooreschen Gesetzes angenommen wird. Nach dieser Faustregel verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit der Rechner im Mittel alle 20 Monate.
Bei der Sensortechnik für die Bildverarbeitung muss aber stärker differenziert werden. Es gibt Technologien, die noch in den Kinderschuhen stecken, wie z.B. die Terahertz-Messtechnik, für die robuste längerfristige Prognosen schwierig sind. Für andere Technologien, die schon stärker etabliert sind und ihren Platz im industriellen Umfeld gefunden haben, wie z.B. röntgenbasierte Verfahren, lassen sich Zukunftsentwicklungen schon leichter prognostizieren.
Die klassischen Bildverarbeitungstechnologien, die im sichtbaren Bereich des Wellenspektrums arbeiten, bewegen sich diesbezüglich in vergleichsweise ruhigem Fahrwasser, wenngleich auch hier die Entwicklungsdynamik sehr hoch ist. Disruptive Veränderungen jedoch, die etwa durch neue Sensortechnologien ausgelöst werden könnten, lassen sich naturgemäß nur schwer vorhersehen. Möglich jedoch ist, sich im Rahmen der Strategieplanung auf solche Szenarien vorzubereiten, wenn man sie von der Zukunft erwartet.

Kontakt

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