„Wir revolutionieren die Lackfehlerkontrolle in der Automobilindustrie “
10.12.2024 - Im Gespräch: Konrad Steinhuber, Produktmanager bei Micro-Epsilon
3D-Inspektionssysteme können Oberflächen bis ins kleinste Detail darstellen. Nötig ist das beispielsweise in der Automobilindustrie für die Lackfehlerkontrolle. Wie ein System hier Kosten, Zeit und Ressourcen spart, erklärt Konrad Steinhuber, Produktmanager bei Micro-Epsilon.
Herr Steinhuber, auf welchem Messprinzip baut ReflectControl auf und wie funktioniert dieses?
Konrad Steinhuber: ReflectControl basiert auf dem Prinzip der Deflektometrie. Hierbei stellen wir auf einem Monitor ein sinusförmiges Streifenmuster dar. Das Muster wird auf der Oberfläche der Karosserie reflektiert, die Reflexion wiederum von Kameras im Sensor aufgenommen. In den aufgenommenen Bildern zeichnen sich Kontraste ab und daraus lassen sich Fehler beziehungsweise Defekte im Lack erkennen. Diese lassen sich in 3D rekonstruieren, klassifizieren und am Monitor im CAD-Bild der Karosse darstellen. Hiermit können Automobilhersteller die Fehler auswerten und für Analysen heranziehen.
Worin liegt die Innovation dieses Verfahrens?
Konrad Steinhuber: Für die Inspektion von Karosserien gibt es beleuchtete Tunnel, in denen geschultes Fachpersonal die Karosserien manuell auf Fehler inspiziert oder es werden Systeme mit statischen Sensoren eingesetzt, durch die sich die Karosserie hindurchbewegt. In beiden Fällen ist jedoch mit großen (Positions-)Toleranzen und geringen Erkennungsleistungen zu rechnen. Mit ReflectControl hingegen erschließen sich neue Möglichkeiten: Die Karosserie wird in eine fixe Messposition gefahren und die Sensoren darüber hinwegbewegt. Hierzu befestigen wir je einen Sensor an einem Roboter. Pro Station können je nach gewünschter Taktzeit zwei bis vier Roboter arbeiten. Hiermit können Fahrzeughersteller bis zu 50 Prozent mehr Fehler als bei den beiden erstgenannten Möglichkeiten finden und verfügen zudem über eine große Datenbasis.
Gibt es weitere Besonderheiten des Sensors?
Konrad Steinhuber: Erwähnenswert ist unser Carbon-Gehäuse, mit dem wir das Gesamtgewicht des Sensors auf unter 50 kg reduzieren konnten. Das fördert die Robustheit des Systems und reduziert das Gesamtgewicht der Anlage. Zudem konnten wir die effektive abgedeckte Fläche pro Messposition um 30 Prozent erhöhen. Das führt zu kürzeren Taktzeiten oder weniger eingesetzten Robotern.
Welche Herausforderungen bringt die Lackfehlerinspektion in der Automobilproduktion generell mit sich?
Konrad Steinhuber: Beim Inspizieren und Bearbeiten von Defekten auf Karosserien werden knapp 40 Prozent der Defekte nicht erkannt. Je heller die Farbe dabei ist, desto schlechter ist das manuelle Ergebnis. Zudem ist die Aufgabe sehr ermüdend und es hängt viel von der Erfahrung des Mitarbeitenden ab. Und selbst wenn die Mitarbeitenden alle Fehler finden würden, fehlen quantifizierbare Informationen hierzu – zumindest stehen diese nicht in dem Umfang bereit, wie es heute für Analysen nötig ist.
Wie funktioniert denn die Inspektion mit ReflectControl?
Konrad Steinhuber: Mit ReflectControl vermessen wir das Fahrzeug in verschiedenen Messpositionen. Das geschieht über sinusförmige Phasenbilder, über die wir sogenannte Kernel-Bilder berechnen. Die Kernel-Bilder werden mit einem Auswertealgorithmus auf Defekte abgesucht. Erkannte Defekte werden auf die Karosse rückprojiziert und können mit Hilfe deren Koordinaten über eine Lasermarkierung, die wir zusammen mit unserem Partner Virtek Vision umsetzen, dargestellt werden. Zudem sammeln wir alle aufgenommenen Daten und legen sie in einem File ab. Wir rekonstruieren die Defekte in 3D und bestimmen zusätzliche Merkmale – beispielsweise die Höhe und Tiefe sowie das Volumen eines Defekts.
Und was passiert, wenn das System einen Defekt erkennt?
Konrad Steinhuber: Wie beschrieben, projiziert das System den Defekt automatisch auf die Karosse. So kann das geschulte Fachpersonal den Defekt ablesen und abarbeiten.
Ist das mit dem derzeitigen Fachkräftemangel noch zeitgemäß?
Konrad Steinhuber: Nein, im nächsten Schritt arbeiten die Automobilhersteller die Fehler nach der Inspektion automatisch ab. Wir können das in Zusammenarbeit mit der Firma ASIS anbieten. Die automatische Abarbeitung geschieht mit Robotern mit aktiver Kraftregelung in Dual-Montage, das heißt je ein Schleifer auf der einen und ein Polierkopf auf der anderen Seite. Hiermit wird der Defekt zunächst abgeschliffen, danach poliert. An Wechselstationen werden benutzte Schleifblüten und Polierschwämme abgezogen und automatisch neue aufgenommen. Neue Polierschwämme werden mit Poliermittel automatisch vorbereitet. Die Versorgung des Poliermittels erfolgt über ein Kartuschenprinzip direkt am Roboter. Man ergänzt das Ganze mit einer Laserprojektionsanlage im Finish-Bereich, die wir zusammen mit der Firma Virtek Vision anbieten. Hier wird markiert, welche Defekte bereits abgearbeitet wurden, und welche sich unter Umständen nicht für das automatische Abarbeiten eignen. So können Mitarbeiter die Defekte schnell über die Laseranzeige lokalisieren und nachträglich per Hand abarbeiten.
Sie meinten anfangs, die Fehler lassen sich klassifizieren. Was meinen Sie damit?
Konrad Steinhuber: Aus der 3D-Aufnahme der Oberfläche lassen sich viele verschiedene Daten ableiten und verschiedene Größen messen. Hiermit heben wir uns stark von Wettbewerbern ab, die keine 3D-Informationen zum Defekt anbieten. Mit einer Trefferquote von mehr als 90 Prozent können die gängigen Defektklassen unterschieden werden. Diese Information ist auch für den weiteren automatischen Abarbeitungsprozess entscheidend. Bei Vorliegen der richtigen Klasse und mit Hilfe der umfangreichen (3D)-Datenbasis können die Stationen zur automatischen Nacharbeit die richtigen Bearbeitungsrezepte auswählen. Andernfalls droht eine fehlerhafte Bearbeitung.
Ein besonderes Merkmal ist die Appearance-Messung. Was ist das Besondere hierbei?
Konrad Steinhuber: Neben der hohen Fehlererkennungsratekönnen wir auch eine Appearance-Auswertung durchführen und damit die Oberflächenstruktur bewerten. Hierbei wird die vorhandene Lackstruktur in ihre spektralen Anteile zerlegt. Die Anteile werden in unterschiedlichen Frequenzbereichen zusammengefasst, zum Beispiel short oder long wave, sprich, welche Kurz- und Langwellen in der Struktur der Oberfläche enthalten sind. Denn keine Oberfläche ist perfekt glatt.
Für die Automobilhersteller ist es wichtig, bestimmte Grenzwerte in den Frequenzbereichen einzuhalten. Hierfür gibt es normalerweise automatisierte Zellen, häufig End-of-Line-Zellen genannt.. In diese wird ein Fahrzeug eingeschleust und über einen Roboter mit verschiedener Sensorik an einzelnen Punkten vermessen. Hierbei fährt der Roboter an die verschiedenen Positionen und misst dort die Appearance direkt über der Oberfläche. Das dauert in Summe etwa 20 Minuten – somit lassen sich maximal drei Fahrzeuge pro Stunde vermessen. Mit dem System von Micro-Epsilon lässt sich die Appearance ohne zusätzliche Hardware auf Basis der vorhandenen Bilder auswerten. Das spart Zeit und Kosten für den OEM. Zudem lassen sich beliebig viele Messpositionen definieren, was im Grunde einer vollflächigen Appearance-Messung entspricht. Auch die Anzahl der Fahrzeuge ist nicht begrenzt. Die Werte können bei jeder Karosse mit ausgewertet werden. So kann der OEM Trends erkennen und Alarmsignale setzen und ausgeben, bevor es zu größeren Abweichungen kommt.
Welche Vorteile haben Automobilhersteller mit Ihrem System?
Konrad Steinhuber: Automobilherstellern stehen jede Menge Daten zur Verfügung: sei es für umfangreiche Analysen, um herauszufinden, an welchen Stellen Fehler entstehen und um frühzeitig darauf zu reagieren. Zudem können auffällige Prozessparameter gesucht und der Prozess so verbessert werden. Des Weiteren können Hersteller mit dem Klassifizieren unserer Daten das Abarbeiten von Defekten automatisieren. Zusätzlich lassen sich mit unserem System Alarmfunktionen umsetzen, beispielsweise wenn ein Fehler gehäuft auftritt. Hinzu kommt die hohe Qualität unserer Daten sowie die hohe Abdeckung gegenüber einem Lichttunnel.
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