Bildverarbeitung

„Wir pflegen eine Kultur der ­schnellen Entscheidung und Umsetzung“

 Interview mit Daniel Seiler, CEO von AT – Automation Technology

16.09.2022 - Daniel Seiler ist seit dem 1. März 2022 Geschäftsführer des Kamera­herstellers Automation Technology. Im Interview mit der inspect spricht er über die Unternehmenskultur und seine Expansionspläne in die USA. ­Außerdem verrät Seiler, welche Neuheiten AT auf der Vision zeigen wird.

inspect: Sie sind seit dem 1. März dieses Jahres Geschäftsführer bei Automation Technology. Was haben Sie dort als erstes angestoßen?

Daniel Seiler: Ich habe das Unternehmen ja bereits seit Anfang 2021 als Beirat begleitet, bevor ich im März 2022 in die Geschäftsführung gewechselt bin. Somit konnte ich natürlich einige der Themen bereits vor der Übernahme der neuen Rolle anstoßen beziehungsweise danach mit größerem Engagement vorantreiben. Dazu gehört neben Fragen der strategischen Ausrichtung ganz konkret unser Recruiting-Prozess: Wir sind als Hightech-Unternehmen massiv auf Fachkräfte angewiesen. Ich bin stolz, dass es uns gelungen ist, in diesem Jahr bereits ein Dutzend Stellen neu zu besetzen – für ein mittelständisches Unternehmen unserer Größe eine exzellente Leistung.

inspect: Worauf legen Sie besonderen Wert im Unternehmen?

Mit einem Wort: Geschwindigkeit. Das fängt bei unseren Produkten an: Unsere 3D-Sensoren liefern Datenraten, die kein anderes Produkt erreicht. Vor allem aber sind wir als Unternehmen in der Umsetzung schnell. Das liegt zum einen an unserer noch überschaubaren Firmengröße von etwa 50 Personen und den flachen Hierarchien mit sehr kurzen Abstimmungswegen. Wir pflegen zum anderen bewusst eine Kultur der schnellen Entscheidung und Umsetzung und gehen dabei pragmatisch und agil vor.

inspect: AT will das USA-Geschäft ausbauen. Wie sehen die konkreten Pläne aus?

Seiler: Derzeit läuft unsere Suche für einen „Director Business Development“, der an der US-amerikanischen Ostküste ansässig sein und dort unser Büro leiten soll. Zusätzlich mit zwei Personen, die derzeit bereits von Kanada und Europa aus technisch und vertrieblich den nordamerikanischen Kontinent betreuen, wird dies die Basis für unsere Expansion in diesem Markt sein. Weiterhin sind wir in konkreten Planungen zur Eröffnung einer amerikanischen Firmentochter mit dem Ziel, dort in den nächsten zwei Jahren mehrere Mitarbeiter einzustellen und unseren Umsatzanteil zu verdoppeln.

inspect: Die Bildverarbeitungsbranche wächst seit langem stabil im zweistelligen Prozent­bereich pro Jahr. Für dieses Jahr prognostiziert der VDMA aber nur noch ein Wachstum von 5 Prozent in Deutschland. In welchen Ländern oder Regionen will AT wachsen?

Seiler: In meinen Augen lässt sich dieses Wachstum im zweistelligen Prozentbereich sowohl für die Branche insgesamt als auch für die Firma AT mittel- und langfristig erzielen. Unsere Auftragslage bestätigt uns darin, dass wir unser Wachstum über dem Branchenschnitt auch fortsetzen können. Die gedämpften Umsatzerwartungen im laufenden und im kommenden Jahr sind der extrem begrenzten Verfügbarkeit mancher Halbleiterbauteile und anderer Komponenten geschuldet. Ich bin überzeugt, dass wir diese Krise hinter uns lassen und unseren Wachstumskurs fortsetzen werden.

Bei AT geht bereits heute mehr als jede zweite Lieferung ins Ausland, wo sich unsere Umsätze zwischen Europa, Nordamerika und Asien aufteilen. Neben Europa haben wir in den nächsten Jahren vor allem den nordamerikanischen Markt im Fokus, wo wir bereits starke Partner und OEM-Kunden beliefern.

inspect: Die Konsolidierung in der Bildverarbeitung ist in vollem Gange. Auch AT wurde im Jahr 2020 mehrheitlich vom Finanzinvestor ­Pinova Capital übernommen. Welche Rolle spielen die Eigentümer bei Ihren Ausbau­plänen?

Seiler: Mit unserem Investor Pinova haben wir einen fantastischen Partner gewonnen, der uns nicht nur finanziell, sondern vor allem auch strategisch den Rücken stärkt. Die Zusammenarbeit ist enorm konstruktiv und unsere regelmäßigen Abstimmungen von viel Vertrauen geprägt. Die Mittel sowie die Kontakte, die Pinova uns bereitstellt, bestärken uns dabei, die geschilderten Ausbaupläne voranzutreiben. Beispielsweise planen wir derzeit eine Gebäudeerweiterung unseres Headquarters in Bad Oldesloe, blicken aber auch mit einem Auge für mögliche Akquisitionen auf den dynamischen Markt der Bildverarbeitung.

inspect: Die Energiekosten und Lieferprobleme bestimmen die Nachrichten seit Monaten. Wie stark beeinträchtigen diese Faktoren das Geschäft von AT?

Seiler: Jedes mir bekannte Unternehmen in unserer Branche ist von den aktuellen Engpässen bei Halbleiterkomponenten und zunehmend auch der Verteuerung im Energiemarkt betroffen – AT ist dabei keine Ausnahme. Die langfristig orientierte Planung und Vorrats­haltung der vergangenen Jahre hat uns allerdings bisher geholfen, lieferfähig zu bleiben, und wir werden auch im nächsten Jahr weiterhin Produkte ausliefern können.

inspect: Künstliche Intelligenz und Embedded Vision erleben derzeit einen Hype. Wie bewerten Sie das Potenzial dieser Technologien?

Seiler: Diesen Hype beobachte ich mit viel Interesse und Faszination, wobei beide Technologien gerade in der Bildverarbeitung schon lange Thema sind. Embedded Vision sehe ich dabei eher als eine fortschreitende Weiterentwicklung und höhere Integration von lösungsnahen Komponenten, wogegen das Thema KI grundsätzlich disruptives Potenzial hat. 

inspect: Vor Kurzem hat AT die 3D-Kamera­serie C6 vorgestellt und sie auch beim inspect award 2022 eingereicht. Warum denken Sie, hat die Serie einen Pokal verdient?

Seiler: Den Pokal verdienen unsere Ingenieure, die dieses faszinierende Produkt entwickelt haben. Die in diesem Jahr vorgestellte C6-Serie bietet in der Version 3070 einen wirklich einzigartigen Vorteil für anspruchs­volle Anwendungen: Dank eines Custom-Image-Sensors, den AT zusammen mit einem CMOS-Spezialisten designt hat, ist dies der schnellste kommerziell erhältliche Triangulationssensor der Welt. Aufgrund einer intelligenten On-Chip-Kompression der Laserdaten erreichen wir bei 3K-Auflösung eine höhere Profilrate als jedes andere mir bekannte Produkt. Hinzu kommen mit Multipeak und Multipart zwei Funktionen, die es unseren Kunden ermög­lichen, komplexe 3D-Probleme noch eleganter zu lösen.

inspect: Das Portfolio an 3D- und Infrarot­kameras soll ausgebaut werden. Was können die Leserinnen und Leser der inspect in Richtung Vision erwarten?

Seiler: Auf der Vision im Oktober präsentieren wir die C6-3070 erstmals auf einer weltweiten Messe. Und unsere smarte Wärmebildkamera IRSX wird mit neuen Apps für den Industriebereich weiterentwickelt. Wir freuen uns bereits riesig auf die spannenden Gespräche mit Anwendern zu ihren Infrarot- und 3D-Applikationen.

Autor
David Löh, Chefredakteur der inspect

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