“Wir haben beschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen, um die illegale Nutzung unserer Software durch Largan bekannt zu machen”
12.12.2024 - Interview mit Dr. Olaf Munkelt, Geschäftsführer von MVTec
Anfang Juli hat MVTec bekannt gemacht, dass Largan seine Halcon-Software seit 2018 illegal verwendet. Obwohl dies bekannt wurde, hat Largan die unerlaubte Nutzung nicht eingestellt. Dr. Olaf Munkelt, Geschäftsführer von MVTec, spricht über die Aufdeckung durch Whistleblower, den laufenden Rechtsstreit und die Bemühungen um eine faire Lösung. Er sieht das Verfahren weiterhin optimistisch und strebt eine außergerichtliche Einigung an, um eine seriöse Geschäftsbeziehung herzustellen.
inspect: Was hat sich seither getan in dem Fall, nachdem MVTec den illegalen Einsatz von Halcon durch den Kameralinsenhersteller Largan Anfang Juli öffentlich gemacht hat?
Dr. Olaf Munkelt: Leider nicht sehr viel. Es ist offensichtlich, dass Largan die Angelegenheit aussitzen möchte. Das werden wir ihnen aber nicht durchgehen lassen. Ich darf daran erinnern, dass das taiwanesische Unternehmen, seinerseits der weltgrößte Hersteller von Kameralinsen für Smartphones, seit dem Jahr 2018 unsere Softwareprodukte illegal, also ohne dafür zu bezahlen, nutzt. Auch nach Bekanntwerden dieser Straftaten macht Largan keine Anstalten, die illegale Nutzung zu beenden, geschweige denn Verantwortung für den Schaden zu übernehmen. Wir haben uns daher entschlossen, den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen, um solche unlauteren Praktiken bekannt zu machen. Dass gerade Softwareprodukte illegal genutzt werden, ist bekannt. Die Täter und die geschädigten Unternehmen bleiben meist im Dunkeln. Das wollen wir ändern und uns wehren.
inspect: Wie haben Sie bemerkt, das Largan die Bildverarbeitungs-Software Halcon nutzt, ohne eine Lizenz erworben zu haben?
Munkelt: In diesem Fall hatten wir Glück: Whistleblower haben die illegale Nutzung, also die Verletzung unseres geistigen Eigentums, unserer Machine-Vision-Software Halcon, aber auch von anderen Software-Produkten gemeldet. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft in Taiwan ein Strafverfahren gegen Largan eröffnet. Grundsätzlich verfügen auch wir über verschiedene Instrumente, beispielsweise technische Möglichkeiten, um an Informationen hinsichtlich der illegalen Nutzung unserer Software-Produkte zu gelangen.
inspect: Welche technischen Möglichkeiten haben Sie, um die weitere Nutzung zu unterbinden?
Munkelt: Wir betreiben einen hohen Aufwand, um unsere Software-Produkte gegen die illegale Nutzung zu schützen. Das ist in der Regel ausreichend. Ein hundertprozentiger Schutz ist allerdings, ohne die Software-Nutzung unserer legalen, also zahlenden Kunden, stark einzuschränken, kaum möglich. Wenn wir es mit der illegalen Nutzung unserer Software zu tun haben, geht es uns nicht darum, technische Hürden aufzubauen, sondern mit dem entsprechenden Unternehmen eine für beide Seiten faire Einigung zu erzielen, die eine legale Nutzung unserer Software möglich macht.
inspect: Sie haben das Gespräch mit Largan gesucht. Wie hat das Unternehmen reagiert?
Munkelt: Wir haben auf diversen Kanälen versucht, mit Largan ins Gespräch zu kommen. Diese Versuche wurden bislang abgeblockt. Es ist ganz offensichtlich das Ziel, die Angelegenheit auszusitzen. Die Strategie, die Largan dazu vor Gericht fährt, ist klar: Es lägen verzeihliche Verfehlungen einzelner Mitarbeiter Largans vor. Das Unternehmen als solches sei aber nicht zu belangen. Dazu gab es ein kurzes Statement – mehr nicht.
inspect: Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, sich gegen diesen Diebstahl geistigen Eigentums vor Gericht durchzusetzen?
Munkelt: Wir arbeiten eng mit den taiwanesischen Behörden zusammen. Außerdem sprechen die bislang bekannten Fakten eine deutliche Sprache. Wir blicken dem Verfahren daher sehr optimistisch entgegen. Das ist die rechtliche Seite. Unser eigentliches Ziel ist aber die außergerichtliche Einigung mit Largan. Wir wollen ins Gespräch mit Largan kommen, eine gütliche Einigung über die bisherige illegale Nutzung erreichen und eine partnerschaftliche Geschäftsbeziehung aufbauen. Grundsätzlich geschieht es gelegentlich, dass Unternehmen unsere Software illegal nutzen. Dann ist es unser Ansatz, mit den entsprechenden Unternehmen in Verhandlungen zu treten, eine Einigung zu finden und schließlich eine faire und langfristige Kunden-Lieferanten-Beziehung aufzubauen.
inspect: Warum ist die Strategie von Largan, sich einfach totzustellen, bisher erfolgreich?
Munkelt: Aus unserer Sicht würden wir die Strategie nicht unbedingt als erfolgreich bewerten. Letztlich hat sie dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft aktiv wurde und der Fall in der Öffentlichkeit eine starke Aufmerksamkeit erlangte. Das kann schließlich dazu führen, dass auch andere betroffene Zulieferer, Dienstleister oder auch Largan-Kunden auf den Fall aufmerksam werden. Letztlich kann all dies nicht im Sinne eines Unternehmens sein, das erfolgreich agieren möchte.
inspect: Welche Rolle spielt Halcon für die Produktion von Largan?
Munkelt: Laut den Whistleblowern, die diesen Fall bekannt gemacht haben, wird unsere Machine-Vision-Software Halcon bereits seit dem Jahr 2018 illegal genutzt. Wenn man bedenkt, für wie viele Aufgaben Halcon in der Produktion eingesetzt werden kann, kann man davon ausgehen, dass ohne unsere Software die Produktion bei Largan stark beeinträchtigt wäre. Und das würde dann auch die Kunden von Largan betreffen.
inspect: Wie hoch ist der Schaden, der Ihnen dadurch entstanden ist?
Munkelt: Nach unserem aktuellen Wissensstand ist uns durch die Verletzung unseres geistigen Eigentums durch Largan ein Schaden in Millionenhöhe entstanden.
inspect: In Ihrer Pressemitteilung schreiben Sie, dass MVTec nicht das einzige betroffene Unternehmen sei. Wessen Software nutzt Largan noch potenziell ohne Lizenz?
Munkelt: Die Whistleblower haben berichtet, dass Largan über dieselbe Methodik viele Software-Produkte für die verschiedensten Bereiche illegal nutzt. Das geht weit über Machine-Vision-Anwendungen hinaus. Soweit wir das aktuell überblicken können, sind wir aber das einzige Unternehmen, welches aktiv gegen Largan vorgeht.
inspect: Wie gehen Sie normalerweise damit um, wenn ein Unternehmen eines Ihrer Software-Produkte ohne Lizenz nutzt?
Munkelt: Wenn Unternehmen Software von MVTec illegal nutzen, sind sie ja auf gewisse Weise bereits Kunden von uns, natürlich aber keine zahlenden. In diesen gelegentlich auftretenden Fällen ist es unser Ansatz, mit den Unternehmen in Kontakt zu treten, zu verhandeln, eine gütliche Einigung zu finden und schließlich eine faire Kunden-Lieferanten-Beziehung aufzubauen. Daran werden wir auch weiter festhalten.
inspect: Was sind Ihre nächsten Schritte?
Munkelt: Wir fahren mehrgleisig. Auf der einen Seite ist es uns ein Anliegen, diesen besonderen Fall weiter bekannt zu machen und über die Tragweite der illegalen Nutzung von Software zu informieren. Dass dies ein weitverbreitetes Problem ist, ist bekannt. Was selten vorkommt, ist, dass Ross und Reiter benannt werden. Auf der anderen Seite versuchen wir fortwährend, mit Largan in direkte Verhandlungen einzusteigen und uns noch außergerichtlich zu einigen. Parallel dazu beschreiten wir den Rechtsweg in Taiwan weiter. Dazu stehen wir in engen Austausch mit den taiwanesischen Behörden.