Wie die eSIM das IoT revolutioniert
Warum für vernetzte Unternehmen an der eSIM mit eUICC-Funktionalität kein Weg vorbeiführt
Meist wird die Bedeutung von technischen Entwicklungen für professionelle Anwendungen erst Jahre nach deren Erfindung klar. Die auf der IFA 2015 vorgestellte Samsung-Smartwatch Gear S2 war das erste, breit distribuierte Endgerät mit integrierter Konnektivität. Statt der von Mobiltelefonen bekannten SIM-Karten wurde erstmals ein fest mit der Platine verbauter MFF2-Chip verwendet: Die embedded SIM, kurz eSIM.
Die SIM-Karte als Chip erscheint aufgrund der immer kleineren und dünneren Endgeräte als konsequente Fortführung der bereits bestehenden SIM-Karten-Formate. Tatsächlich ist die eSIM durch den Wegfall von Wechselschublade und Öffnungsmechanik kaum noch relevant für das Gerätedesign. Der Chip ist 6 x 5 mm groß und nur noch ein Viertel so lang wie eine Mini-SIM-Karte, sodass bei gleicher Gehäusegröße mehr Platz für Akkus, Schnittstellen oder Gerätekühlung bleibt. Zudem ermöglicht die eSIM neue Geräteklassen. Dieser MMF2-Chip ist unempfindlich gegen Vibrationen und Bewegung und kann gegen Feuchtigkeit und Korrosion versiegelt werden. Damit eignet sich die Technologie für im Außenbereich oder in Bewegung eingesetzte Endgeräte – eine Voraussetzung zum Beispiel im Automobilsektor oder für vernetzte Wearables.
Kleine, körpernah getragene Elektronikprodukte können so ständig online sein, ohne dass sie mit einem mitgeführten Smartphone oder einem WLAN verbunden sein müssen. Dennoch sind auch schon Endgeräte mit bekanntem Formfaktor für Verbraucher mit einer fest verbauten SIM-Karte in Form eines MFF2-Chips auf dem Markt verfügbar. Derzeit werden 20 IoS-Modelle und fast 50 Android-Endgeräte mit integrierten eSIMs angeboten; die Industrievereinigung GSMA spricht von aktuell 110 Geräten.
eUICC als Technologiestandard
Trotz der offensichtlichen Vorteile einer eSIM als fest verlöteter Chip hatte das Konzept ursprünglich einen Nachteil. Wenn es sich um eine herkömmliche SIM-Karte handelt, ist das verwendete Gerät für immer an einen bestimmten Mobilfunknetzbetreiber mitsamt dessen Tarifen gebunden. Bei einem notwendigen oder gewünschten Tarifwechsel müsste das Endgerät weggeworfen werden. Doch dies ist weder für den Verbraucherbereich noch für professionelle Anwendungen in IoT-Umgebungen akzeptabel. So hatten Produkttester vor fünf Jahren in den Medien vor Endgeräten mit eSIM gewarnt.
Deswegen wurde eUICC als Technologiestandard entwickelt. eUICC steht für Embedded Universal Integrated Circuit Card. Einer der entscheidenden Vorteile dieser Komponente einer SIM-Karte ist, dass der ursprüngliche Mobilfunknetzbetreiber über eine Funkverbindung ohne Austausch von SIM-Karten oder der Hardware gewechselt werden kann. Für Jean-Christophe Tisseuil, Head of SIM & eSIM bei der GSMA, ist diese uneingeschränkte Interoperabilität vernetzter Anlagen und Endgeräte entscheidend: „Die erste Voraussetzung ist etwas, was interoperabel ist. Die zweite ist die Sicherheit und man muss die Endgeräte nach beiden Prinzipien vernetzen. Denn wo keine Interoperabilität besteht, gibt es definitiv kein Geschäftsmodell.“
Heute verfügt die eSIM mit eUICC über eine virtuelle SIM-Karten-Schublade. Eine SIM-Karte mit eUICC-Funktionalität ist zwar zunächst mit einer vordefinierten internationalen Mobilfunk-Teilnehmerkennung (IMSI) ausgestattet. Dieses sogenannte Bootstrap-Profil kann aber ohne physischen Austausch geändert werden. So können der Mobilfunkanbieter und der Tarif gewechselt werden, ohne die SIM-Karte zu berühren. eUICC ist also ein technischer Standard, mit dem IMSI gemanagt, heruntergeladen, aktiviert, deaktiviert und gelöscht werden können.
Zukunftssicher mit eUICC
Für Endverbraucher ist dies bei einem Anbieterwechsel aus naheliegenden Gründen komfortabel. Für vernetzte Unternehmen allerdings ist der Einsatz von eSIMs aufgrund der ökonomischen Skalierbarkeit in Zukunft unerlässlich. Diese Technologie verändert das mobile Internet der Dinge grundlegend, da sie die globale Bereitstellung und mobile Machine-to-Machine-Anwendungen entscheidend vereinfacht. Selbst das Management großer SIM-Kartenbestände ist kein Kostenfaktor mehr. Entscheidet man sich also für die Erstausstattung einer IoT-Umgebung für einen bestimmten Anbieter, kann dieser Mobilfunkbetreiber bei einer internationalen Expansion tarifliche Nachteile in einigen Territorien haben oder im ungünstigsten Fall dort kein Mobilfunknetz betreiben. Über eine eUICC-Funktionalität ist es möglich, den Anbieter mit geringen Umstellungskosten entweder komplett oder nur pro Territorium zu wechseln. eUICC kann zudem auf einem einzigen Chip mehrere Benutzerkennungen verwalten. So können ähnlich wie bei einer Dual- oder Multi-SIM-Lösung Backup-Funktionen genutzt und hohe Roaming-Kosten vermieden werden.
Kostendegression für internationale Unternehmen
In der industriellen Produktion haben eSIMs mit eUICC Produktionskostenvorteile. In der Automobilproduktion etwa können vernetzte Fahrzeuge mit lediglich einem einzigen Chip kompatibel zu weltweiten Mobilfunknetzen hergestellt werden. Statt einer kaum überschaubaren Anzahl an Lagerhaltungseinheiten (SKU, Stock Keeping Unit) kann ein einziges Bauteil verwendet werden. Die Anpassung der lokalen Konnektivität wird dann in den Märkten vor Ort durchgeführt.
„Für Unternehmenskunden bedeutet die eSIM, dass sie auf globaler Basis skalieren können und konsistente, qualitativ hochwertige Konnektivitätsdienste zum besten Preis erhalten“, erklärt Nigel Chadwick, General Manager und Vice President of Connectivity beim Chiphersteller ARM. „Für Hersteller bedeutet es, dass sie sie einmal entwickeln und überall einsetzen können.“
eUICC: unabhängig vom Format
Obwohl die eSIM-Technologie bereits gut und gerne zehn Jahre alt ist, verfügen viele Unternehmen über hohe Bestände an herkömmlichen SIM-Karten in traditionellen SIM-Schubladen. Wireless-Logic-Kunde BBOXX beispielsweise betreibt Solarenergieanlagen und hat allein in Afrika fast 150.000 SIM-Karten aktiviert. Dennoch ist es möglich, eUICC durch einen einmaligen Austausch älterer SIM-Kartenbestände gegen eUICC-Karten im gleichen Formfaktor zu nutzen. Während nicht jede eSIM automatisch über eUICC-Funktionalität verfügen muss, kann jede Plastik-SIM-Karte eine eUICC sein. Es gibt also eUICC-taugliche SIM-Karten sowohl als eSIM in Form des auf der Platine verlöteten MFF2-Chips als auch als klassische SIM-Karte in den Größen 2FF (Mini), 3FF (Micro) oder 4FF (Nano). Interessanterweise verwendet selbst die GSMA nur den Begriff eSIM, meint aber meist die eUICC-Technologie unabhängig vom Formfaktor. Das Management von Tarifen und Anbietern bei eUICC-fähigen SIM-Karten oder eSIMs ist jedoch bei Verbrauchern mit Endgeräten und Unternehmen mit vernetzten IoT-Anlagen unterschiedlich. Privatpersonen fragen neue Tarife aktiv nach – ausgelöst etwa aufgrund von Werbekampagnen oder neuen Preisstrukturen (Pull-Modell). Sie wechseln und bestellen je nach Bedarf Tarife und Verbindungen, üblicherweise indem sie mit dem Mobiltelefon einen QR-Code scannen. Im IoT-/M2M-Bereich dagegen verwalten Firmenkunden die oft unternehmens- und konzernweit komplexen Tarifstrukturen nicht aktiv selbst. Den Managementbedarf für die Mobilfunkverbindungen eines IoT-Unternehmens bedienen meist Drittanbieter (Push-Modell).
Zugang zu 750 Mobilfunknetzen weltweit
Die Netzbetreiber selbst haben kein Eigeninteresse, eSIMs mit eUICC-Technologie zu forcieren, so Dennis Paul von Wireless Logic Mdex: „Warum sollte ein Mobilfunkanbieter in eine eSIM-Architektur investieren, wenn Tarife und Anbieter einfach gewechselt werden können? Netzbetreiber sehen in der eSIM vor allem die Gefahr, Kunden per Mausklick zu verlieren und eine höhere Abwanderungsrate zu riskieren.“
Diesen Interessenskonflikt lösen spezialisierte Service-Provider für M2M-Mobilfunkverbindungen. „Wireless Logic als Anbieter betreiberunabhängiger IoT-Konnektivität agiert als virtueller Netzbetreiber zwischen Firmenkunden und den Telekommunikationsunternehmen“, so Dennis Paul. „Wir sind Partner von allen relevanten Anbietern und ermöglichen unseren Kunden Zugang zu mehr als 750 Mobilfunknetzen weltweit.“ Damit können IoT-Unternehmen aus einer Vielzahl von Anbietern und Tarifen ohne komplizierte Einzelverträge wählen. „Als Dienstleister bietet Wireless Logic hochgradig kunden- und branchenspezifische Tarife an, und das mit einem einzigen pauschalen Tarif unabhängig von den verwendeten Mobilfunknetzen“, so der IoT-Bereichsleiter von Wireless Logic Mdex.
Für vernetzte Unternehmen bedeutet das zudem, dass sie nur einen einzigen Ansprechpartner für sämtliche Territorien und Geschäftsbereiche haben. Auch bei Supportfragen wie etwa Störungen oder dem Ausfall eines bestimmten Netzes gibt es wiederum nur einen einzigen Ansprechpartner. „Vernetzte Unternehmen erhalten vom Datentarif über professionelle Industrie-Router-Hardware bis hin zur dezidierten SIM-Management-Plattform ein Full-Service-Paket für M2M- und IoT-Konnektivität“, erklärt Dennis Paul. „Für Telekommunikationsunternehmen erschließen wir als virtueller Netzbetreiber ähnlich wie ein Handelskanal neue Kundengruppen, die wesentlich bedarfsgerechter bedient werden können. Sowohl für unsere Kunden als auch für die Mobilfunkunternehmen ist dies eine klassische Win-Win-Situation.“
Der eSIM folgt die iSIM
Grenzenlose Konnektivität und zunehmende Miniaturisierung der Konnektivität beflügelt jetzt schon die Fantasie der Hardwarehersteller. Die störungsfreie und sichere Übertragung von Sensordaten wird eine Vielzahl neuer Endgeräte und Anlagen ermöglichen, etwa im medizinischen Bereich (z. B. Implantate, Seh- und Hörgeräte), im Bergbau (z. B. smarte Bohrköpfe) oder im Sicherheitsbereich (z. B. Standort- oder Herkunftslokalisierung). Die iSIM ist die nächste kleinere, aber noch leistungsfähigere Version der eSIM. Dabei handelt es sich nicht wie bei der eSIM um einen auf der Platine eingebetteten Chip mit eigenem Prozessor. Vielmehr ist die iSIM ohne eigenen Prozessor direkt im Geräteprozessor integriert. Die 1,5 x 1,5 mm kleine iSIM spart so nochmals Platz und Energie, kann aber ebenso wie die eSIM nicht physisch aktualisiert werden.
Diese Vorteile dürften zu einer großen Verbreitung der globalen Vernetzung führen. SoftBank-Gründer Masayoshi Son prognostiziert, dass es im Jahr 2035 eine Billion IoT-Verbindungen geben wird – das sind mehr als 100 Verbindungen für jeden Menschen auf der Erde. „An der eSIM mit eUICC-Funktionalität führt deswegen für vernetzte Unternehmen kein Weg mehr vorbei, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen“, erklärt Dennis Paul. „Als virtueller Netzbetreiber können wir dabei helfen, bestehende IoT-Umgebungen mit eUICC fit für die Zukunft zu machen.“
Autor
Christoph Holowaty, Marketing Manager