Was bewegt Gehäusebauer für Vision-Technik?
12.12.2024 - Interview mit Peter Neuhaus, Geschäftsführer von Autovimation
Kameraschutzgehäuse-Hersteller Autovimation ist Weltmarktführer in seinem Bereich. Gründer und Geschäftsführer Peter Neuhaus erklärt, wie das Unternehmen mit flexibler, vibrationsfester Befestigung und verbesserter Wärmeableitung die Leistung und Anlagenintegration von Kameras verbessert. Außerdem spricht er über die neuesten Trends, etwa 3D-Kameras, sowie seine Methoden, sich gegen Plagiatsversuche zu wehren.
inspect: Inwiefern hat sich die Technik bei Kameraschutzgehäusen in den letzten Jahren und Jahrzehnten weiterentwickelt?
Peter Neuhaus: Wir haben mit Firmengründung 2008 Gehäuse mit einer neuen Kamerabefestigungstechnik auf den Markt gebracht. Dadurch konnten wir den Querschnitt von Kameraschutzgehäusen auf rund ein Viertel reduzieren, wodurch Kameras leichter in Anlagen integriert werden können. Im Gehäuse lassen sich die Kameras flexibel positionieren, sodass die Frontlinse immer direkt hinter der Frontscheibe liegt und keine Eckenverschattung auftritt. Ferner ist die Kamerabefestigung absolut vibrationsfest. Nicht zuletzt konnten wir damit die Wärmeableitung deutlich verbessern – die Kameras sind in unseren Gehäusen 25 K kühler, als wenn sie auf dem Schreibtisch liegen – vorher war es umgekehrt. Die Wärmeentwicklung von Kamerasystemen nimmt ja mit den neuen Generationen immer mehr zu, je mehr Leistung und Funktionen integriert werden, zum Beispiel mit KI-Systemen. Unsere effektive Wärmeableitung ist daher auch ein Einsparfaktor, weil sie zusätzliche Klimatisierung oft unnötig macht. Aber die Bildverarbeitung dringt auch in immer extremere Bereiche vor. Heiz- oder Kühlsysteme sind also auch ein Bereich, den wir ständig weiterentwickeln.
inspect: Sie haben früher selbst Kameras installiert und bemerkt, dass es keine brauchbare Montagelösung gab. Wie Sie mir einmal erzählt haben, war das einer der Hauptgründe dafür, Autovimation zu gründen. Welche Bedarfe haben Sie seither identifiziert, und wie gehen Sie sie an?
Neuhaus: Jedes Inspektionssystem muss sich ja an das jeweilige Produkt anpassen. Der Konstruktionsaufwand ist daher enorm, zwei identische Aufbauten selten. Hier wollte ich einen mechanischen Baukasten anbieten, mit dem man die Kameratechnik ganz einfach aus Fertigteilen aufbauen und justieren kann – man fährt mit dem Kofferraum voller Schwalbenschwanzprofile und -verbinder zum Kunden, baut damit zum Beispiel eine Brücke über ein Förderband und richtet Kamera und Beleuchtung aus. Und fertig ist die robuste und professionelle BV-Installation.
Danach haben wir viele Produktwünsche von Kunden umgesetzt – zum Beispiel Windvorhänge und pneumatische Schutzklappen, die bei staubigen Umgebungen die Frontscheibe sauber halten oder Wasser- und Peltier-Kühlsysteme sowie Heizungen, die den Kameraeinsatz bei extremen Temperaturen erlauben, und viele andere praktische Lösungen, die den Kameraeinsatz in der realen Welt erleichtern.
inspect: 3D-Kameras erleben seit Jahren einen Aufschwung. Begegnen Sie diesem Trend mit eigenen Produkten?
Neuhaus: Ja, wir sind bestrebt, für jede Vision-Aufgabe gewappnet zu sein. Unser Baukastensystem eignet sich sehr gut, um aus Linienlaser und Kamera einen flexiblen Triangulationssensor zu bauen. Beides lässt sich in beliebigem Winkel an einem Doppelschwalbenschwanzprofil montieren und ausrichten. Einmal montiert hält beides bombenfest – unsere Klemmen sind bis zu 2.000 N verschiebe- und 90 Nm verdrehfest. Auch für Stereo-Vision eignet sich dieses System gut. Für IFM- und Lucid-ToF-Kameras bieten wir spezielle Stingray-Gehäuse an – die fünf separaten, ins Stingray-Schutzgehäuse eingebrachten Frontscheiben verhindern eine Rückspiegelung der LED-Blitze in das Objektiv.
inspect: Wie lange dauert es im Allgemeinen von der Idee zu einer neuen Schutz- oder Befestigungslösung?
Neuhaus: Bis zur Perfektionierung kann es über zehn Jahre dauern wie bei unserem „Hygienic Building Kit“. Es kann aber auch ganz schnell in wenigen Tagen gehen, wie zuletzt bei einem Gehäuse für eine kleine Tamron-Zoom-Kamera. Wir haben extra die Fertigung massiv ausgebaut, um noch schneller auf Kundenwünsche reagieren zu können.
inspect: Auf der Control haben Sie ein hygienisches Montagesystem für Lebensmittelanwendungen gezeigt. Damit haben Sie auch am inspect award 2024 teilgenommen. Was unterscheidet das Hygienedesign von anderen Schutzgehäusen Ihres Portfolios?
Neuhaus: Neben dem Material – V4A-Edelstahl statt Aluminium – ist das vor allem die Form. Da die Kameratechnik in der Regel oberhalb des Produkts installiert wird, gelten hier die gleichen strengen Hygieneanforderungen wie bei direkter Produktberührung. Dies gilt insbesondere bei Hochdruck-Nassreinigung. Hochgewirbelte Lebensmittelreste können sich bei unhygienischer Ausführung in Toträumen und Spalten absetzen. Dann droht es, dass Keime entstehen und in den Prozess gelangen. Wir haben darum unsere Hygienegehäuse so weiterentwickelt, dass sie die EHEDG-Richtlinien erfüllen, zum Beispiel glatte Oberflächen ohne Ecken und Kanten, sodass Wasser gut ablaufen kann.
Hygienegehäuse ergeben allerdings nur dann Sinn, wenn man sie auch hygienisch befestigen kann – gleiches gilt für die Kabelführung. Aus diesem Grunde haben wir zusätzlich einen „Hygienebaukasten Bildverarbeitung“ aus Edelstahlrohren und -verbindern entwickelt, der ebenso den EHEDG-Vorschriften entspricht. So können Anwender gesetzeskonforme BV-Systeme in Food-, Pharma- und Reinraumanwendungen aus Fertigteilen bauen, was den Entwicklungsaufwand und das Kontaminationsrisiko senkt.
inspect: Wie hat sich Autovimation wirtschaftlich entwickelt?
Neuhaus: Seit Firmengründung 2008 ist unser Umsatz fast jedes Jahr zweistellig gewachsen, zwischen 2018 und 2022, also in der Coronazeit, konnten wir ihn sogar fast verdoppeln. 2022 haben wir einen regelrechten Run auf unsere Produkte erlebt, weil nach den Lieferengpässen alle Kunden zugleich ihre Kameras bekamen und ein passendes Schutzgehäuse brauchten. Dadurch haben wir den leichten Rückgang in der BV-Branche in den letzten beiden Jahren einfach als willkommene Verschnaufpause verstanden. Aktuell zieht die Nachfrage bei uns wieder deutlich an. Wir haben gerade den ersten Millionenauftrag an Land gezogen!
inspect: Wie stellt sich Ihr Wettbewerbsumfeld dar?
Neuhaus: Auch vor uns gab es schon eine Firma in den USA, die sich auf Schutzgehäuse für die BV-Industrie spezialisiert hatte, aber eher konventionelle Produkte anbietet. Daneben gibt es natürlich den Bereich der Überwachungstechnik. Diese Gehäuse eignen sich aber vor allem aufgrund ihrer Größe und mangelnden Wärmeableitung nicht perfekt für die industrielle Bildverarbeitung. Auch einige Kamerahersteller oder andere Firmen bieten ein oder zwei Schutzgehäuse an. Unser Portfolio mit mehr als 17 Gehäusen in über 50 Größen mit einem industriellen und einem hygienischen Baukastensystem und umfangreichem Zubehör zur Installation in jeder Umgebung bietet allerdings weltweit niemand sonst an.
inspect: Die IBV-Branche bleibt von Plagiarismus nicht verschont. Im Sommer machte MVTec einen besonders dreisten Fall des Diebstahls geistigen Eigentums öffentlich. Wie erleben Sie diese Problematik?
Neuhaus: Es gibt ein paar neuere Player am Markt, teilweise auch vorige Kunden, die unsere Ideen aufgegriffen haben und mit ähnlichen Techniken jetzt auch kompakte Schutzgehäuse bauen. Da prüfen wir genau, ob sie unsere Rechte verletzen. Aktuell gehen wir gegen eine Firma vor, die sogar die kleinen Konstruktionsfehler umgesetzt hat, die wir extra in unsere Downloaddateien einbauen. Wenn man ein Produkt nur kopiert, versteht man es nicht wirklich. Letztendlich müssen die Käufer abwägen, ob wenige Prozent Ersparnis das Ausfallrisiko der Inspektionsanlage wert sind.
inspect: Preisdruck ist etwas, mit dem alle Hersteller zu tun haben. Ist es als kleines Unternehmen schwieriger, diesem zu begegnen?
Neuhaus: Seit 2016 konnten wir durch das Umsatzwachstum und damit verbundene Skalierungseffekte auf eine allgemeine Preiserhöhung verzichten – ein kleines Dankeschön an unsere treuen Kunden, trotz der zum Teil extrem gestiegenen Lieferantenpreise. Wir liefern lieber qualitativ hochwertige Produkte, die die Anlagenverfügbarkeit beim Kunden sicherstellen, als billige Massenware. Wir sind als kleines Unternehmen auch effizient und arbeiten gut mit unseren Zulieferern in der Region zusammen. Außer den Sichtscheiben für unsere Gehäuse lassen wir nur im Umkreis von 50 km fertigen. Wir sind von der Größenordnung her sicherlich eher ein Manufakturbetrieb, können aber schon auch zeitnah Hunderter-Stückzahlen liefern. Für große Hersteller sind unsere Produkte wahrscheinlich zu aufwändig herzustellen und zu supporten. Dafür sind wir näher am Kunden und seinen Anwendungen – das ist unsere Stärke.
Autor
David Löh, Chefredakteur der inspect