Bildverarbeitung

Über Windungen und Biegungen zum EHEDG- konformen Montagesystem

11.12.2024 - Hygienische Vision-Technik

Als bislang einziger Hersteller bietet ein kleines Unternehmen aus Rhein­stetten bei Karlsruhe ein komplettes EHEDG-konformes Montagesystem für industrielle Bildverarbeitung in hygienisch anspruchsvollen Food-, Pharma- und Reinraum-Anwendungen an. Der Weg bis zu diesem Punkt war allerdings lang und lehrreich.

Fast täglich gibt es in Deutschland Rückrufe von kontaminierten Lebensmitteln (siehe bspw. www.lebensmittelwarnung.de) – auch wegen unhygienischen Fertigungsanlagen. Nicht nur der Lebensmittelproduzent, auch der Vision-Integrator ist im Schadensfall haftbar, wenn er eine nicht hygienische Kamerainstallation als tauglich für die Lebensmittelproduktion verkauft hat (Stichwort: bestimmungsgemäße Verwendung). Vision-Technik ist in der Regel zwar nicht produktberührend, muss aber in der Lebensmittelindustrie dieselben hygienischen Standards erfüllen, besonders bei der Montage über dem Prozess und ganz besonders in Bereichen mit Hochdruck-Nassreinigung. Hochgewirbelte Speisereste dürfen nicht an der Kameratechnik haften bleiben und Reinigungswasser muss gut ablaufen, sodass sich keine Bakterienherde bilden und kein Schmutzwasser auf nachfolgende Prozesse herabtropfen kann.

EHEDG-Richtlinie setzt sich als Standard durch

Die Maschinenrichtlinie gibt diesbezüglich zwar Gestaltungshinweise, macht aber keine genauen Vorgaben, welches Hygienedesign in welcher Umgebung gesetzlich verpflichtend ist. Betreiber sollen eigenständig nach DIN EN 1672-2 Hygienerisiken von neuen Anlagen analysieren und bewerten. Um sich abzusichern, verlangen Lebensmittelproduzenten im Pflichtenheft daher immer öfter EHEDG-konforme Kamerainstallationen. In der European Hygienic Engineering and Design Group (EHEDG) haben sich Unternehmen der Lebensmittelindustrie zusammengefunden und eine mittlerweile weltweit anerkannte Richtlinie für das Hygienedesign in Lebensmittelprozessen verfasst. Die Anforderungen an die Bildtechnik zielen im Wesentlichen auf eine leichte Reinigung ab.


Anforderungskatalog: Befestigung, Ausrichtung, Kabelmanagement

Ein auf dem Markt verfügbares vormals EHEDG-zertifiziertes Kameraschutzgehäuse bot augenscheinlich keine Möglichkeiten zur hygienischen Befestigung und Kabelführung. Mit konstruktiven Veränderungen ist eine Gehäusebefestigung über typische Abstandszylinder möglich – wie sie in der Lebensmittelindustrie beispielsweise für die Wandmontage von Schaltkästen verwendet werden – damit dahinter gereinigt werden kann. Auch dieses Konzept ist jedoch für IBV-Anwendungen unpraktisch, denn keine von beiden Varianten ermöglicht eine flexible Ausrichtung des Gehäuses. Der Kameramontagezubehör-Hersteller Autovimation entschied sich daher für eine ganzheitliche Lösung, die neben Hygienegehäusen für unterschiedlich große Kameras und für Laser auch einen kompletten Baukasten zur hygienischen Montage und Justage von Kamerasystemen umfasst. Es sollte eine ebenbürtige Lösung zum etablierten MVBK mit Schwalbenschwanzprofilen werden, allerdings im striktesten Hygienedesign, um auch in Food-, Pharma- und Reinraumumgebungen den einfachen Aufbau von BV-Anwendungen zu ermöglichen. Zum Aufbau eines Montagerahmens im Hygienebereich bieten sich polierte Edelstahlrohre an. Deren runde Form ermöglicht eine einfache Reinigung und erlaubt die Innenführung von Kabeln – hygienisch und mechanisch geschützt. Ein weiterer großer Vorteil daran ist, dass dadurch normale Kabel verwendet werden können. Denn Kabel mit FDA-Zulassung sind, wenn überhaupt, nur schwer zu bekommen.


Viele Freiheitsgrade, viele Fallstricke

Für die hygienische Befestigung des Kameragehäuses bietet ein seitlich abgehendes, kleineres Rohr viele Vorteile: Es kann am Umfang abgedichtet werden, sodass kein Spalt zwischen Rohr und Halterung mit abgerundetem Kragen verbleibt. Die hygienegerechte Umsetzung barg mehrere Tücken. Nur mit einem Spezialschweißverfahren ließ sich die Anforderung der EHEDG nach 3-mm-Übergangsradien erfüllen. Die nächste Herausforderung: Halterohr und Rohrverbinder müssen verdeckt stabil geklemmt werden, ohne dass äußere Spalte entstehen. Der auf der Vision 2016 präsentierte Prototyp stellte zwar eine stabile Verbindung her, war aber zu klobig und kantig. Die kreuzenden Rohre lagen übereinander, sodass sich Kabel nicht intern verlegen ließen. Es waren zwei weitere Entwicklungsiterationen nötig, bis die Rohrverbinder schließlich den Anforderungen entsprachen. Die entwickelten Komponenten sind sehr schlank – ein T-Stück dient als Gehäusehalterung und ein 90°-Ellenbogen für den Aufbau des Rohrrahmens. Die Rohre werden verdeckt im Inneren des Verbinders geklemmt und der Ringspalt zwischen Rohr und Verbinder nutfrei abgedichtet. Diese Lösung ermöglicht hohe Freiheitsgrade für die Orientierung der Vision-Elemente mit Neigung, Drehung und Verschiebung in verschiedenen Richtungen.


Feilen an Details

Im ersten Anlauf zur Hygienedesign-Zertifizierung äußerten die EHEDG-Prüfer noch Beanstandungen, die Autovimation mit einigen Nachbesserungen ausräumen konnte:

  1. Flacher Rückdeckel ermöglicht die Ansammlung von Flüssigkeiten bei senkrechter Montage. Lösung: konvexe Form mit 4°-Ablaufschrägen
     
  2. Kantige Deckelschrauben. Lösung:  Beschaffung zertifizierter Schrauben mit 3-mm-Radien.
     
  3. Gehäusedichtung steht mehr als 0,2 mm über. Lösung: neue Dichtungsform verhindert Herausquetschen bei Deckelmontage
     
  4. Frontdeckel mit Ringspalt um Scheibe. Lösung: rückwärtig montierte Scheibe mit flachem Übergangswinkel zum Deckel
     
  5. Kantige Vertiefungen zur 8-kant-Schraubung im Gehäusedeckel. Lösung: Montage mit reibschlüssigem Werkzeug


Ergebnis

Der fertige hygienische Vision-Baukasten umfasst:

  • Kameraschutzgehäuse Dolphin und Shark in fünf Varianten und jeweils drei Längen, für Kameras bis 40 x 40 beziehungsweise 60 x 60 mm Querschnitt und Meganova-Ringbeleuchtung
  • Laserschutzgehäuse Piranha für Laser mit 19 und 20 mm Durchmesser
  • 90°-Rohrverbinder und T-Stücke
  • Edelstahlrohre in verschiedenen Längen sowie Hygieneschläuche und weiteres umfangreiches Zubehör

Alle verwendeten Kunststoffe, wie zum Beispiel Acrylscheiben, verfügen über FDA- und EU-Zulassungen, alle Elastomere zumindest FDA-Zulassung. Das System gewährleistet mit V4A-Edelstahl und EPDM-Dichtungen eine hohe chemische Beständigkeit, Schutzart IP69k, gute Wärmeableitung und vieles mehr. Die Kamerakabel können entweder durch das Rohrsystem oder hygienische Kabelverschraubungen und Schläuche mit Rückwand- oder Seitenmontage geführt werden. Das System erfüllt damit die Hygieneanforderungen auch für sehr sensible Anwendungen. Es widersteht auch aggressiven Reinigungsmitteln bei heißer Hochdruckreinigung. Damit hilft es Lebensmittelkontaminationen zu reduzieren und erleichtert Vision-Integratoren, Anlagenbauern und -betreibern die gesetzeskonforme Einrichtung ihrer Prozesse.

Kontakt

autoVimation GmbH

Römerweg 1
76287 Rheinstetten
Deutschland

+49 721 627 67 56
+49 721 627 67 59

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