Automatisierung

Stereomikroskopie entlarvt Urkundenfälscher

18.05.2016 -


Das Spektrum der Urkundenfälschungen, mit denen sich Einzeltäter oder kriminelle Banden Vorteile verschaffen wollen, ist denkbar groß. Je ausgefeilter die Sicherheitsstandards sind, desto besser müssen Sachverständige ausgerüstet sein, um echte und gefälschte Dokumente eindeutig zu unterscheiden. In der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle des Regierungspräsidiums Stuttgart hilft ein High-end-Stereomikroskop dabei, Urkundenfälschern auf die Spur zu kommen.

Als Dienstleistung für die regionale Polizei und Staatsanwaltschaft werden jedes Jahr mehr als 1200 Verdachtsfälle untersucht und begutachtet. Wenn Martin Fischer früh morgens in seine Dienststelle im Regierungspräsidium Stuttgart kommt, warten meist schon einige verdächtige Ausweise auf sein geschultes Auge. Die hat die Polizei bei ihren nächtlichen Kontrollen einbehalten, damit Fischer die Echtheit überprüft. Vor einem Jahr hat der Kriminalhauptkommissar seine Ausbildung zum zertifizierten Sachverständigen für Urkundenuntersuchungen abgeschlossen, und hat sich damit seinen Berufswunsch erfüllt – ein Beruf, der seiner technischen Ader voll entspricht.

Kompetent in allen Verfahren
„Alles, was in irgendeiner Form als Dokument auf Papier, Plastik oder Blech – wie beim Autokennzeichen –  gedruckt, unterschrieben, oder mit einem Siegel versehen ist, was eine Berechtigung widergibt oder aus irgendeinem Grund der Vorteilsnahme ver- oder gefälscht werden kann, kann auf meinem Tisch landen“, so Fischer. „Um professionelle Fälschungen zu erkennen und um meine Gutachten wasserdicht zu begründen, muss ich immer auf dem neuesten Stand der Technik sein.“ Er kennt alle Herstellungsverfahren für Dokumente, vom klassischen Druck bis zum RFID-Chip und den neuesten Sicherheitsmerkmalen für Ausweise.

Von Standard bis kurios
Ausweise und Fahrzeugpapiere aus den verschiedensten Länder machen rund 80 Prozent seiner Arbeit aus, gefolgt von Geburtsurkunden und Staatsangehörigkeitsnachweisen. Aber es gibt immer wieder auch Kurioses und Exotisches. „Unlängst hatte ich ein Deutsch-Zertifikat eines ausländischen Goethe-Instituts  zur Prüfung. Ebenso wenig alltäglich waren Prüfungsklausuren für ein Mathematik-Abitur, verknüpft mit der Frage, ob die Arbeiten nachträglich korrigiert wurden, um die Quote zu verbessern“, erzählt Fischer.

„Aber mein bisher kuriosester Fall war eine senegalesische Ledigkeitsbescheinigung – ein langer, schmaler Papierstreifen beschrieben mit einer mir völlig unbekannten Schrift. Die Herausforderung beginnt schon damit, in Erfahrung zu bringen, wie ein derartiges Dokument aussehen muss, damit ich überhaupt eine Aussage treffen kann.“

Kreativ und dilettantisch
Wie handwerklich geschickt und professionell Fälscher heutzutage ans Werk gehen, versetzt auch Experten wie Fischer immer wieder ins Staunen. Identitätskarten und Pässe sind, neben Banknoten, mit den höchsten Sicherheitsstandards ausgestattet. Doch je mehr High-Tech in einem Ausweis steckt, umso mehr rüsten die Fälscher auf – bis hin zu Versuchen, RFID-Chips, Hologramme und Mikroschrift zu fälschen oder spezielle Drucktechniken wie Irisdruck, Stichtiefdruck oder Lasergravur nachzuahmen. „Dennoch“, so Fischer, „kein Fälscher beherrscht alle Sicherheitsmerkmale gleich gut. Meist konzentrieren sie sich auf einige besonders auffällige Merkmale, die sie mit hohem technischen Aufwand versuchen, perfekt zu reproduzieren.

Dafür unterlaufen ihnen in anderen Punkten dilettantische Fehler, die es mir dann leichter machen, die Fälschungen zu entlarven. Oft wird versucht, Hologramme, Chips oder andere Bestandteile aus echten Ausweisen einzukleben. Diese Kollagen sind mit bloßem Auge nicht immer leicht zu erkennen oder mit den Finger zu ertasten – je nach Geschick des Fälschers.“

Mikroskop – das wichtigste Werkzeug
Der erste Schritt bei jedem neuen Fall ist immer die Klassifizierung des Dokuments, ob es ein authentisches oder ein Fantasiedokument ist. Ist das Dokument nicht bekannt, recherchiert Fischer in verfügbaren Datenbanken, um ein Referenzmuster zu bekommen. Im zweiten Schritt prüft er, ob offensichtlich etwas verändert wurde.

Sein geschultes Auge und sein Tastsinn erkennen grobe Manipulationsspuren sofort, beispielsweise wenn Stempel abgerubbelt, Zahlen von Hand überschrieben wurden oder ein neues Lichtbild dilettantisch eingefügt wurde. Dann folgt die mikroskopische Untersuchung. „Ohne ein gutes Mikroskop könnte ich diesen Job nicht machen. Bei der mikroskopischen Untersuchung entscheiden sich die meisten Fälle“, so Fischer. Er arbeitet mit dem Hochleistungsstereomikroskop Leica M165 C, das über einen 16,5:1-Zoom verfügt und mit LED-Ringlicht, flexiblem LED-Lichtleiter, einem mobilen Schwenkarm, einer High-Definition-Kamera und einem Full-HD-Bildschirm ausgestattet ist.

3D-Bild und LED-Beleuchtung
„Der 3D-Eindruck des Stereomikroskops kombiniert mit einer guten Beleuchtung sind äußerst wichtig, damit ich feinste Oberflächenstrukturen des Dokumentes untersuchen kann. Erst unter dem Mikroskop erkenne ich die Details besserer Fälschungen – ob jemand versucht hat, Lasergravuren, Tiefdruck- oder Hochdruckelemente nachzuahmen, oder ob es eine gut gemachte Kollage ist, bei der beispielsweise Chip, Hologramm oder Seriennummer nachträglich eingefügt wurden. Irgendwo gibt es dann immer Unstimmigkeiten an den Rändern, den Übergängen bei feinen Liniendruckmustern oder beim Verlauf der Papierfasern“, erläutert Fischer.

Spurensuche unter dem Mikroskop
Wenn lediglich das Lichtbild ausgetauscht wurde, und dabei geschickt vorgegangen wurde, bringen drucktechnische Untersuchungen oder Datenauslesen keinen Hinweis. Hier hilft nur die Spurensuche unter dem Mikroskop. Dabei biegt Fischer den Ausweis auch mal über die Tischkante, um möglichst unter den Rand des eingeklebten Lichtbildes zu schauen. Findet er auf der Ausweisseite weggerissene Fasern, die nicht mit der Bildunterseite korrespondieren, ist der Fall klar.

„Ein falsches Lichtbild ist immer noch der häufigste Manipulationspunkt bei Ausweisen“, so Fischer. „Bei guten Fälschungen ist es nicht immer leicht, die Spuren zu finden. Hier setze ich dann auch die höchsten Vergrößerungen des Mikroskops ein. Für Basisuntersuchungen reicht meist der niedrige Zoombereich zwischen 20- und 30-fach.“
Außer dem Mikroskop setzt Fischer auch weitere Untersuchungsgeräte ein, beispielsweise um bestimmte Sicherheitsmerkmale, verwendete Tinten- oder Stempelfarben unter UV- oder IR-Licht zu prüfen oder um die Personendaten des Chips auszulesen.

Am Ende jeder Untersuchung dokumentiert Fischer seine Ergebnisse. In seine Gutachten fließen auch die mikroskopischen Aufnahmen ein, die er ausführlich erläutert. „Selbstverständlich bemühe ich mich, die Gutachten so zu verfassen, dass keine Fragen offen bleiben“, betont Fischer. „Vorladungen zu Gerichtsverhandlungen, in denen ich ein Gutachten persönlich begründen muss, bekomme ich selten.“
 

Kontakt

Leica Microsystems GmbH

Am Friedensplatz 3
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