Smarte Zustandsüberwachung
23.10.2024 - Weniger ungeplante Stillstände und mehr Produktivität: vom Sensor zum Condition-Monitoring-System
Ungeplante Stillstände und Störungen im Produktionsprozess lassen sich durch Condition-Monitoring-Sensoren vermeiden: Intelligente Sensoren liefern Zustandsdaten, die zur Automatisierung von kostenintensiven manuellen Inspektionen genutzt werden können. Gleichzeitig sind diese Zusatzdaten ein wichtiger Baustein zur hochautomatisierten und vernetzten Fertigung.
Ist der BCM Gen2 ein intelligenter Sensor, ein Condition-Monitoring-System oder doch ein Condition-Monitoring-Sensor, wie ihn Balluff benennt? Im Vergleich zur ersten Generation der Condition-Monitoring-Sensoren hat Balluff die Serie BCM Gen2 wesentlich weiterentwickelt. „Tatsächlich handelt es sich bei der zweiten Generation um einen Technologiesprung, weniger nur um ein Update“, so Christian Seyfried, Produktmanager bei Balluff. Äußerlich wurden das rechteckige Design der ersten Generation, das Kabel mit M12-Stecker sowie die Kommunikation via I/O-Link übernommen. Neu ist die zentrale Befestigungsschraube, die es mittels Adapter ermöglicht, den Sensor an nahezu jeder metallischen Oberfläche zu befestigen. Das Innenleben besteht aus einem neuen Beschleunigungssensor, einem Temperatursensor sowie weiterentwickelter Elektronik und Software.
Unterschiede gibt es bei den technischen Daten sowie dem Funktionsumfang: So wurde der Frequenzbereich von 2,5 auf bis zu 6 kHz erweitert und die Sensitivität verbessert, wodurch sich neue Anwendungen erschließen lassen. Die Maschinenschwingungen werden in drei Achsen simultan aufgenommen, wobei die Achsrichtungen denen der Kanten des Sensorgehäuses entsprechen. Der erweiterte Messbereich macht es nun möglich, höherfrequente Phänomene zu überwachen, wie zum Beispiel Überrollungen von Pittings in Wälzlagerlaufbahnen und an Getriebeverzahnungen.
Zustandsüberwachung von Lagern und Getrieben
Für die Zustandsüberwachung von Wälzlagern und Getrieben etc. sind aufwendige Rechenoperationen notwendig, die Balluff direkt auf dem Sensor mitliefert. Dort werden die Amplitudenspektren mit Hilfe der Fourier Transformation und auch die Hüllkurvenspektren berechnet. Um die relevanten und zu überwachenden Schadensfrequenzen ermitteln zu können, bietet Balluff seinen Kunden das sogenannte Condition-Monitoring-Toolkit CMTK an.
An das Toolkit können maximal vier beliebige I/O-Link-Sensoren angeschlossen werden, darunter zum Beispiel BCM-Gen2-Sensoren und einen BCM Config Assistant. Das Toolkit lässt sich noch um einen IO-Link-Master mit acht Ports erweitern, sodass insgesamt zwölf Sensoren eingebunden werden können. „Der Kunde erhält mit diesem Kit eine einfach zu handhabende Plug-and-Play-Lösung. IT-Kenntnisse sind nicht erforderlich und die Installation gestaltet sich einfach: Sensoren an das Toolkit oder den angeschlossenen IO-Link Master anschließen und per Ethernet-LAN-Kabel mit dem Netzwerk verbinden. Anschließend mit der IP-Adresse die Benutzeroberfläche beziehungsweise den BCM Config Assistant des Sensors aufrufen – fertig“, erklärt Christian Seyfried die Vorteile.
Sensor-Konfiguration
„Heute muss man kein Experte auf dem Gebiet der Schwingungsanalyse sein, um für Standardantriebe eine professionelle Zustandsüberwachung zu realisieren. Unser BCM Config Assistant führt den Anwender intuitiv ans Ziel“, so Christian Seyfried. Die häufigsten Anwendungen, wie Elektromotor, Pumpe, Lüfter, Kompressor sind bereits angelegt. Für jede Komponente dieser Antriebe beziehungsweise Aggregate können die typischen Überwachungsfunktionen ausgewählt werden, zum Beispiel bei einer Pumpe Lagerschaden und Temperatur oder eine Überwachung nach ISO-Standard.
Neu implementierte Lagerüberwachung
In den BCM Config Assistant integrierte Balluff für genormte Wälzlager eine Datenbank mit rund 160.000 Lagertypen unterschiedlicher Hersteller. Damit entfällt in den meisten Fällen die manuelle Eingabe geometrischer Lagerdaten oder die mühsame Suche nach den Lagerfrequenzen bei den jeweiligen Herstellern. Diese ist jedoch auch möglich und wird hauptsächlich bei Sonder- und Zeichnungslagern zum Einsatz kommen. Nach der Auswahl des Wälzlagers werden bereits die berechneten Frequenzbänder für Innenring, Außenring und Wälzkörper angezeigt, innerhalb derer die Schädigungen auftreten werden.
Im Betrieb berechnet der BCM-Gen-2-Sensor aus den Beschleunigungssignalen das Frequenzspektrum und filtert anschließend innerhalb der überwachten Frequenzbänder die Spitzenwerte heraus. Eine Alarmierung erfolgt, sobald die Amplitude die Werte für einen Voralarm und den (Haupt-)Alarm überschritten hat. Schädigungen können so zielsicher erkannt werden, lange bevor sich der Schaden akustisch bemerkbar macht. Die Signalvorverarbeitung beziehungsweise -analyse auf dem Sensor reduziert die übertragene Datenmenge. So werden schnell aus 20 GB Rohdaten pro Sensor und Tag wenige MB-Daten.
Für jede Komponente und jedes potenzielle Schadensbild definiert man im Konfigurator eine Überwachungsfunktion und überträgt den daraus generierten Parametersatz auf den Sensor.
Drei Möglichkeiten, die Drehzahl zu übermitteln
Die Lagerfrequenzen hängen direkt von der aktuellen Drehzahl ab. Der BCM-Gen-2-Sensor muss die aktuelle Drehzahl kennen, um die Frequenzbänder richtig berechnen und somit die Bänder dynamisch mit der Drehzahl verschieben zu können. Im Konfigurator bietet
Balluff drei Möglichkeiten an, die Drehzahl dem BCM-Gen-2-Sensor zu übermitteln:
konstante Drehzahl, das variable Drehzahlsignal, welches bereits in der Maschinensteuerung vorliegt (z.B. von einem Drehgeber), wird über den Feldbus an einen IO-Link Master übertragen, der dieses Signal dann über die zyklische IO-Link-Kommunikation in den Sensor transferiert,
variables Drehzahlsignal von einem zweiten, applizierten Sensor. Dieser induktive oder optoelektronische Sensor nimmt zum Beispiel an der Klauenkupplung, einer Zahnriemenscheibe, einem Zahnrad oder an einer verzahnten Welle oder Scheibe ein Signal auf, welches mit der zu überwachenden Drehzahl korrespondiert. Das binäre Signal wird über einen Y-Verbinder direkt in den BCM-Gen-2-Sensor übertragen. Damit dieser die entsprechende Drehzahl errechnen kann, gibt man im Konfigurator zuvor die Pulse des Aufnehmers pro Umdrehung an. „Diese Lösung ist vor allem bei unseren Endkunden beliebt, die nicht in die bestehende Steuerung einer laufenden Anlage eingreifen möchten“, so Christian Seyfried.
Möglichkeiten der Befestigung
Sollte kein M5-Gewinde an der gewünschten Messstelle vorhanden sein, um den BCM-Gen-2-Sensor direkt zu befestigen, bietet Balluff etliche Alternativen:
- einen magnetischen Halter für die temporäre Befestigung, zum Beispiel um Daten und Erfahrung zu sammeln,
- Einschraubadapter von M5 auf M6, 8, 10 und 12,
- Klebeadapter: Dieser verfügt auf einer Seite über das M5-Gewinde für den Sensor, auf der gegenüberliegenden Seite wird der Adapter mit Zweikomponenten-Kleber fixiert. Ist das überwachte Bauteil defekt, geht nur der Adapter verloren, nicht aber der Sensor.
Kühlrippenadapter zur Montage zwischen Kühlrippen: Wichtig ist, dass der Adapter mit seiner Spitze metallischen Kontakt zum Gehäuse hat. Der verbliebene Spalt wird mit Klebstoff gefüllt und der Adapter damit fixiert. Diese Variante wird verwendet, wenn weder eine geeignete Fläche noch ein Gewinde vorhanden sind.
Die eingangs gestellte Frage, in welche Kategorie der BCM Gen 2 nun am ehesten fällt, kommentiert Christian Seyfried so: „Das hängt ganz davon ab, wie er eingesetzt wird. Kunden mit einer selbst entwickelten Automations- und -Condition Monitoring-Lösung können den BCM Gen 2 als Sensor mit einer leistungsfähigen Datenvorverarbeitung nutzen und ihr Domain-Know-how in die Gesamtlösung einbringen. Unternehmen die ein CMS als Stand-alone-Lösung suchen und nicht in die vorhandene Automation eingreifen möchten, werden das Toolkit mit Sensor und unsere Netzwerktechnik bevorzugen, mit deren Hilfe die Daten gespeichert und visualisiert werden können. In jedem Fall können Maschinenbauer und Betreiber mit unserem Condition-Monitoring-Sensor diejenigen Mehrwerte realisieren, die sie von einem CMS erwarten und das auf bemerkenswert einfache Weise.“